Karstadt-Käufer Berggruen:"Lange oder kurze Röcke? Weiß ich nicht!"

Weltenbummler mit Kaufhausmission: Der New Yorker Nicolas Berggruen über sein Leben mit Karstadt, seine Ziele als Investor, Reichtum - und das Leben im Hotel.

Nikolaus Piper

Nicolas Berggruen empfängt zum Interview im Café des "Carlyle", einem Luxushotel an der Upper East Side Manhattans. Es ist sein Zuhause, genauer: eines von vielen, denn der 49-Jährige lebt ausschließlich in Hotels. Durch seinen Entschluss, den insolventen Karstadt-Konzern zu kaufen, ist der Investor, dessen Vermögen auf 2,2 Milliarden Dollar geschätzt wird, in Deutschland bekannt geworden. Er wurde in Paris als Sohn des deutschen Kunstsammlers und Emigranten Heinz Berggruen geboren und ist heute US-Staatsbürger. Seine Holding hat Büros in New York, Berlin, Mumbai, Tel Aviv und Istanbul. Berggruen besteht darauf, das Interview auf Deutsch zu führen - "zur Übung", wie er sagt.

Billionaire Berggruen smiles during a news conference at a Karstadt store located on the Kurfuerstendamm boulevard in Berlin

Der New Yorker Milliadär Nicolas Berggruen kaufte Karstadt auf.

(Foto: REUTERS)

SZ: Herr Berggruen, Sie bezeichnen sich als Existentialisten. Was halten Sie von folgendem Satz: "Reich sein oder werden, bedeutet, Zeit haben, um glücklich zu sein, wenn man würdig ist, es zu sein."?

Nicolas Berggruen: Das klingt sehr vernünftig. Wer hat das geschrieben?

SZ: Albert Camus in "Der glückliche Tod". Trifft der Satz Ihr Empfinden als reicher Mann?

Berggruen: Ja, ziemlich genau. Reichtum bedeutet, dass man mehr von etwas hat. Dieses "Etwas" kann Zeit sein, aber auch Wissen. Geld misst diesen Reichtum, ist aber nicht das Wesentliche. Das Wesentliche am Reichtum sind Möglichkeiten. Und das scheint Camus hier zu meinen. Es kommt darauf an, was man mit diesen Möglichkeiten macht.

SZ: Haben Sie Macht - als Investor und als reicher Mann, der sein Geld für gemeinnützige Zwecke einsetzt?

Berggruen: Als Investor, nein. Mit meinen politischen und gemeinnützigen Aktivitäten bewirke ich etwas. Aber da ist Geld nicht wichtig. Wichtig sind die Ideen der Leute, die ich zusammenbringe.

SZ: Geld ist ein Hebel.

Berggruen: Ja, aber trotzdem zweitrangig. Zuerst muss man Ideen und Energie haben. Man könnte Geld auch als Multiplikator bezeichnen. Es braucht etwas, das man multiplizieren kann. Tausend mal null ist immer noch null.

SZ: Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, Karstadt zu kaufen?

Berggruen: Die Antwort wird Sie als Journalisten freuen: Ich habe darüber in der Zeitung gelesen.

SZ: Im Ernst?

Berggruen: Ja, und dann habe ich (Karstadt-Chef, Anm.d.Red.) Thomas Fox angerufen.

SZ: Und was hat Sie an Karstadt interessiert?

Berggruen: Es war zunächst nur eine Investitionsmöglichkeit wie viele. Ich war vollkommen überrascht, dass das in der Öffentlichkeit zu so einer großen Sache wurde. Als es dann Probleme gab, war es allerdings nicht mehr nur ökonomisch. Ich habe mir gesagt: Karstadt ist ein wichtiges Unternehmen für Deutschland, und ich will verhindern, dass es zerstört wird.

SZ: Manche sagen, Kaufhäuser seien eine sterbende Branche.

Berggruen: Einzelhandel ist ganz sicher keine sterbende Branche. Aber die Formate des Einzelhandels müssen sich ändern. Die Welt steht nicht still.

SZ: Was muss sich bei Karstadt ändern?

Berggruen: Karstadt muss relevanter werden - ein besseres Einkaufserlebnis, besseres Warenangebot, bessere Vermarktung, besseres Einkaufsmanagement. In Großbritannien gedeihen Warenhäuser, in Amerika ebenso. Und Deutschland sollte das einzige Industrieland sein, in dem das anders ist? Das glaube ich nicht.

"Wenn Sie in ein Kaufhaus gehen, muss es aufregend sein"

SZ: Worauf kommt es dann an?

Berggruen: Gegenfrage: Warum gehen Sie ins Kino? Den Film können Sie notfalls zu Hause auf DVD sehen. Sie gehen ins Kino, weil Sie etwas erleben wollen. So ist es beim Einkaufen auch. Wenn Sie in ein Kaufhaus gehen, muss es aufregend sein. Und das kann man erreichen. Nehmen Sie Selfridges in Großbritannien. Das Unternehmen galt einmal als angestaubte alte Dame und ist jetzt das spannendste Kaufhaus-Unternehmen Englands. Super erfolgreich. Die Leute hatten eine Idee und haben sie umgesetzt.

SZ: Und welche Idee haben Sie für Karstadt?

Berggruen: Ich bin kein Experte und ich mische mich nicht in das operative Geschäft meiner Unternehmen ein.

SZ: Wie oft telefonieren Sie mit Thomas Fox bei Karstadt?

Berggruen: Selten. Alle zwei Wochen vielleicht. Ich bin nicht wichtig. Es kommt auf die Leute bei Karstadt an, das Management und die Mitarbeiter. Ich liefere Geld und Unterstützung, aber ich kann nicht sagen, ob Karstadt lange oder kurze Röcke anbieten soll.

SZ: Aber Sie haben den neuen Chef Andrew Jennings ausgesucht.

Berggruen: Ja, natürlich.

SZ: Und was spricht für ihn?

Berggruen: Er hat viel Erfahrung mit Warenhäusern, er hat Unternehmen umgedreht und er ist international.

SZ: Dass er den deutschen Markt nicht kennt, stört Sie nicht?

Berggruen: Man braucht Kreativität und neue Inputs, wenn man Karstadt drehen will. Der Erfolg von Selfridges ist auch nicht von einem Engländer gemacht worden. Jennings hat alle Voraussetzungen für den Job, selbst wenn er nicht Deutsch spricht.

SZ: Haben Sie ihm einen Zeitpunkt genannt, bis zu dem er Karstadt saniert haben muss?

Berggruen: So arbeiten wir nicht. Es ist Zeit nötig, um so ein großes Unternehmen wie Karstadt zu drehen. Das ist eine riesige Aufgabe. Einige Sachen gehen sehr schnell, andere nicht.

SZ: Mit welchen Investitionen rechnen Sie noch bei Karstadt?

Berggruen: Wir müssen mehrere hundert Millionen Euro in den nächsten Jahren investieren, keine Frage.

SZ: Die Investitionen werden aus dem Cash-flow finanziert?

Berggruen: Ja. Und falls wir mehr brauchen sollten, dann brauchen wir eben mehr.

"Die Veränderungen, auf die es ankommt, beginnen erst"

SZ: Und das zusätzliche Geld kommt dann von Ihnen?

Berggruen: Klar, woher sonst?

SZ: Vom Kapitalmarkt.

Berggruen: Das sind nicht unsere Pläne.

SZ: Wie sind Ihre ersten Erfahrungen als Eigentümer von Karstadt?

Berggruen: Ich bin, wie gesagt, nicht ins Alltagsgeschäft involviert. Die Dinge scheinen sich recht gut zu entwickeln. Aber eines ist auch klar: Die Veränderungen, auf die es ankommt, beginnen erst.

SZ: Bleibt es beim Versprechen: keine Entlassungen?

Berggruen: An den Plänen hat sich nichts geändert. Darüber wird nicht einmal diskutiert. Mein Vorteil ist: Ich bin kein Fonds, ich muss nicht irgendwann verkaufen, ich kann langfristig denken.

SZ: Aber Sie müssen doch eine Option haben für den Fall, dass es schiefgeht.

Berggruen: Ich gehe nicht mit der Frage an eine Sache heran: Was passiert, wenn es schiefgeht? Ich gehe davon aus, dass es gutgeht. Der Zeithorizont ist unbegrenzt. Es gibt keinen Plan für einen Ausstieg.

SZ: Sie haben auch noch in eine andere schwierige Branche investiert: Zeitungen. Was interessiert Sie an dem spanischen Medienkonzern Prisa, der auch die Tageszeitung El País herausgibt?

Berggruen: Ich glaube, dass es für die Produkte, die Sie als Journalisten liefern, immer eine Nachfrage geben wird. Die Frage ist, wie die Produkte zu den Kunden kommen. Prisa, der Konzern, an dem wir uns beteiligt haben, hat eine führende Marktposition in allen Vertriebskanälen für Journalismus: Fernsehen, Radio, Internet, Zeitung. Medien sind ein schwieriger Markt, keine Frage. Aber wenn man in einem solchen Markt dominiert, hat man gute Chancen, künftig noch mehr zu dominieren. Man braucht Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, Änderungen durchzusetzen. Es ist im Grunde wie bei Karstadt.

SZ: Wenn Sie sich selbst als Investor aus der Distanz betrachten: Wo liegen Ihre Stärken, wo Ihre Schwächen?

Berggruen: Eine meiner Schwächen ist sicher, dass ich zu viel mache.

SZ: Und die Stärken?

Berggruen: Meine Erfolge habe ich durch eine Mischung aus Disziplin, Mut und Geduld erreicht. Ich führe Dinge zu Ende.

SZ: Zu Ihrer politischen Arbeit: Sie haben das Nicolas Berggruen Institute in Los Angeles gegründet. Was wollen Sie erreichen?

Berggruen: Ich wollte mein gesamtes Vermögen weggeben und überlegte mir, was ich mit meiner Zeit und meiner Energie anfangen kann. Und am sinnvollsten erschien es mir, politische Reformen anstoßen. Dabei geht es zunächst einmal um Kalifornien. Was fällt Ihnen zu dem Land ein?

"Ich glaube nicht, dass Amerika verrückt wird und Sarah Palin zur Präsidentin wählt"

SZ: Schön, aber bankrott. Die Kalifornier wollen keine Steuern zahlen, verlangen aber alles vom Staat.

Berggruen: Genau darum geht es. Kalifornien ist immer noch das Land der Innovation. Die interessantesten und dynamischsten Unternehmen sind hier: Google, Facebook, Apple. Für den Durchschnittsbürger aber funktioniert das Land nicht mehr. Das politische System hat Kalifornien handlungsunfähig gemacht.

SZ: Was wollen Sie ändern?

Berggruen: Wir müssen in die Universitäten und die Schulen investieren. Vor 30 Jahren hatte Kalifornien die besten Hochschulen der Welt. Das ist heute nicht mehr so. Die Politik ist extrem kurzfristig angelegt, es gibt keine Mittel für langfristige Projekte. Die Interessengruppen beherrschen alles.

SZ: Wie wollen Sie Politiker dazu bringen, langfristiger zu denken?

Berggruen: Man muss das Budgetrecht ändern. Die Regierung muss Rücklagen für langfristige Projekte bilden können.

SZ: Sie haben die Idee eines unpolitischen Senats entwickelt, der auf die Gesetzgebung Einfluss nehmen soll.

Berggruen: Ein schwieriges Projekt, das lange brauchen wird.

SZ: In Bayern gab es einmal so einen Senat. Er wurde 1999 abgeschafft.

Berggruen: Warum?

SZ: Weil er irrelevant war.

Berggruen: Der Senat braucht natürlich Befugnisse.

SZ: Was halten Sie von Barack Obama?

Berggruen: Viele vertane Chancen, leider. Das hat mit ihm zu tun, aber auch mit dem System. Obama konnte nichts bewirken und wurde deshalb bei den Wahlen bestraft. Aber die Tea-Party ist eine Bewegung von gestern. Kalifornien ist schon weiter.

SZ: Wie das?

Berggruen: Kalifornien hat anders gewählt, nämlich mehrheitlich demokratisch. Der Gesetzgeber hat erstmals Rücklagen für schlechte Zeiten gebildet. Und die Wähler haben Reformen beschlossen, die verhindern, dass Wahlkreise auch künftig nach parteipolitischen Interessen zugeschnitten werden. Kleine Schritte, aber sie zeigen, dass Reformen möglich sind. Das wird Folgen haben. Ich glaube nicht, dass Amerika verrückt wird und Sarah Palin zur Präsidentin wählt.

SZ: Ihr Vater war der Kunstsammler und Mäzen Heinz Berggruen. Ist es eine Last, einen berühmten Vater zu haben?

Berggruen: Es ist eine Chance. Mein Vater war eine Institution, er war intelligent, ambitiös, beispielhaft, auch hart. Dies alles hat mir viel geholfen.

SZ: Sie haben Ihre ganzen persönlichen Gegenstände verkauft und leben nur noch in Hotels. Macht das nicht einsam?

Berggruen: Im Gegenteil. In Hotels ist viel los. Im Hotel kann man so viele Freunde haben, wie man will.

SZ: Sind Sie Optimist?

Berggruen: Ja, nur so kann man leben.

SZ: Haben Sie Vorbilder?

Berggruen: Das Konzept des Vorbildes ist in sich verfehlt. Ein Mensch sollte offen sein, neugierig und sich immer wieder auf neue Situationen einstellen. Eine Idealperson in diesem Sinne ist ein Kind. In der Realität muss man sich immer wieder neu erfinden, um wie ein Kind zu sein. Das ist doch das Schöne am Leben, dass es unvollkommen ist.

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