Kampf um Transfergesellschaft:Streit um die Bürgschaft für Schlecker

Niedersachsen pendelt zwischen ja und nein, Sachsen ist skeptisch und Experten schimpfen: Wer soll eine Transfergesellschaft für die von Entlassung bedrohten Schlecker-Mitarbeiter bezahlen? Die Pläne sind umstritten.

Es geht um 11.000 Menschen. Es sind ehemalige Schlecker-Mitarbeiter, die möglicherweise schon ab April arbeitslos sein könnten, wenn sie nicht vorübergehend in einer sogenannten Transfergesellschaft angestellt werden. Diese würde den Übergang in die Arbeitslosigkeit um ein halbes Jahr verzögern oder ganz vermeiden helfen, wenn die früheren Schlecker-Mitarbeiter in dieser Zeit einen neuen Arbeitsplatz finden würden.

Letzter Ladenschluss bei Schlecker

Letzter Ladenschluss bei Schlecker: Geschlossene Filiale der Drogeriemarkt-Kette Schlecker am Samstag in München.

(Foto: dpa)

Normalerweise müsste so eine Transfergesellschaft vom Unternehmen selbst finanziert werden. Doch der Schlecker-Konzern, dessen Eigner Anton Schlecker über Jahre als einer der reichsten Männer der Republik galt, hat angeblich kein Geld mehr. Das Insolvenzverfahren hat das Amtsgericht Ulm an diesem Mittwoch eröffnet, wie ein Gerichtssprecher der Süddeutschen Zeitung bestätigte.

Darum soll nun der Steuerzahler ran - die notwendigen 71 Millionen Euro sollen als Kredit von der staatlichen Förderbank KfW kommen. Und damit zumindest der Bund sein Geld zurückbekommt, wollen die Bundesländer dafür bürgen.

"Kein positives Votum möglich"

An diesem Mittwoch wird entschieden, ob sie das tatsächlich tun. Erste Länder hatten bereits in den vergangenen Tagen ihre Zustimmung gegeben. Am Dienstag zogen weitere nach: neben Ländern wie Bremen, Berlin, Thüringen und Schleswig-Holstein auch Bayern, das für mehr als zehn Millionen Euro haften will. Mit Hessen gab am Dienstagnachmittag auch einer der Wackelkandidaten sein Einverständnis.

Niedersachsen hatte zunächst eine Beteiligung abgelehnt, signalisierte allerdings Gesprächsbereitschaft: Die Landesregierung sei bereit, noch nicht ausreichend geklärte Punkte mit dem Insolvenzverwalter und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC zu besprechen, sagte Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP). "Aber nach den derzeitigen Unterlagen war kein positives Votum möglich", erklärte er. Auch müsse man sich fragen, ob das Land in einem gleichgelagerten Fall einem mittelständischen Handwerksbetrieb helfen würde.

Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz wies die Kritik aus Niedersachsen zurück. Die Daten seien an keiner Stelle unzuverlässig und auch in einem Gutachten von PwC zu Schleckers Zukunft nicht kritisiert worden, sagte er. Es habe lediglich in Teilbereichen "unterschiedliche Perspektiven" gegeben. Das Gutachten komme nach seinem Kenntnisstand zu einer "grundsätzlich positiven Einschätzung" für eine Transfergesellschaft, erklärte Geiwitz.

Neben Niedersachsen hat auch Sachsen wiederholt Skepsis geäußert. "Wir haben für den Freistaat Sachsen noch keine abschließende Entscheidung getroffen", sagte Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) im Deutschlandfunk.

Sachsen sehe die Zukunft von Schlecker sehr kritisch. Deshalb sei das Land auch bezüglich einer Transfergesellschaft zurückhaltend, sagte er. Die Entscheidung liege bei Baden-Württemberg, wo Schlecker seinen Stammsitz hat. Er könne nicht nachvollziehen, dass Baden-Württemberg nur bürgen wolle, wenn alle Länder mitmachten. Sachsen bevorzuge statt einer Transfergesellschaft eine eigene Lösung mit der Bundesagentur für Arbeit und dem Handelsverband des Landes. Diese seien "näher dran an dem Problem", erklärte Morlok.

"Stößt mir sauer auf"

In Baden-Württemberg wollte am Mittwoch der Landtag darüber beraten, ob das Land in Vorleistung für die Bürgschaft über 70 Millionen Euro für die Transfergesellschaft geht. Baden-Württemberg soll bei der Bürgschaft die Hauptlast tragen. Nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten sollen fünf Länder für fast 70 Prozent des 70 Millionen Euro schweren KfW-Kredits bürgen.

Auf Baden-Württemberg entfallen nach vorläufigen Zahlen 18,71 Prozent und 13,1 Millionen Euro, gefolgt von Nordrhein-Westfalen (12,5 Millionen Euro), Bayern (10,7 Millionen), Niedersachsen (5,8 Millionen) und Hessen (5,7 Millionen). Sollte Niedersachsen doch noch absagen, müsste geklärt werden, wie der Anteil des Landes verteilt werden kann. Die Länder teilen das Risiko nach dem Anteil der jeweils geretteten Arbeitsplätze auf.

Die Pläne für eine Transfergesellschaft bei Schlecker sorgen indes nicht nur in einigen Bundesländern für Verstimmung: Der Vorsitzende der Monopolkommission, der Ökonom Justus Haucap, forderte die Politik eindringlich dazu auf, sich gegen die Auffanggesellschaft zu stellen. Die geplante Subventionierung des Schlecker-Konzerns führe die Marktwirtschaft ad absurdum, sagte er dem Handelsblatt. "Mir stößt sauer auf, dass große Unternehmen - egal wie schäbig sie sich in der Vergangenheit teilweise benommen haben mögen - anscheinend eine Vorzugsbehandlung genießen, während kleinen und mittelständischen Unternehmen und ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen diese Vorzugsbehandlung nicht zuteilwird." Seiner Ansicht nach ist die Vermittlung entlassener Angestellter Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit. "Gerade im Fall Schlecker wird die das auch viel besser können als eine Transfergesellschaft, weil die Angestellten ja durch ganz Deutschland verteilt sind und nicht regional konzentriert", sagte er.

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