Kampf gegen Betrüger:Credit Suisse zwingt Banker zum Urlaub

Kein Zugriff auf die Computer und Blackberrys: Die Schweizer Credit Suisse verordnet ihren Händlern längere Ferien. Freiwillig würden sie nicht Pause machen. Während dieser Zeit will die Bank mögliche Betrüger in den eigenen Reihen aufspüren und vom Tricksen abhalten. Denn das kann Banken Milliarden kosten.

Walter Niederberger

Je weniger Urlaub ein Börsenhändler macht, umso größer das Risiko eines Betrugs. Dies sagte einst Jérôme Kerviel. Und er muss es wissen, setzte der Franzose doch bei der Société Générale mit krummen Geschäften über sieben Milliarden Dollar in den Sand. Nun befolgt die Schweizer Großbank Credit Suisse den Rat des Zockers und verlängert den Zwangsurlaub für ihre Händler von einer auf zwei Wochen.

AFP PICTURE OF THE YEAR 2010

Nur vier Tage Urlaub im Jahr: Der Skandalhändler Jérôme Kerviel (rechts) verzockte bei der Bank Société Générale sieben Milliarden Dollar.

(Foto: AFP)

Die Ferien dienen nicht der Erholung und sind auch kein Bonus. Im Gegenteil: Viele Händler müssten gezwungen werden, mehr als nur einige wenige Tage Ferien zu machen - derart süchtig sind sie aufs Zocken. Bei der Credit Suisse ist es nicht anders. Die Entscheidung, die Zwangsferien zu verlängern, sei schon voriges Jahr gefallen, könne aber erst Anfang 2012 durchgesetzt werden, sagte eine Banksprecherin in New York. Eine längere Frist müsse gewährt werden, da zwei arbeitsfreie Wochen vielen ungewohnt vorkomme.

Doch die Entscheidung steht: Sämtliche Börsenhändler und ihre Aufseher müssen ab dem 1. Januar ihren Arbeitsplatz für zehn volle Arbeitstage räumen. Ihnen ist nicht nur der Zugriff zu den Computern verboten, sie dürfen auch ihre Blackberrys nicht benutzen. Damit soll verhindert werden, dass sie ihre Handelsbücher anpassen und versucht sind, Verluste zu unterdrücken oder Gegenparteien zu verschleiern. Während ihrer Absenz können unabhängige Kontrolleure ihre Geschäfte prüfen und sicherstellen, dass alles mit rechten Dingen zuging und keine doppelte Buchführung betrieben wurde, wie Betrüger dies auch schon taten. Die Bank hoffe so, ihre gute Geschäftspolitik weiter zu verstärken, sagte die Credit-Suisse-Sprecherin. Mit dem Betrugsskandal bei der UBS habe dieser Schritt nichts zu tun; der Entscheid für verlängerte Ferien sei zuvor gefallen.

Konkurrenten der Credit Suisse hatten diese Vorsichtsmaßnahme schon früher eingeführt, etwa die Deutsche Bank. "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser", sagte deren Risikochef Hugo Bänziger vor kurzem. Die Bank habe die zweiwöchigen Ferien aus solchen Sicherheitsüberlegungen verordnet und sei deshalb zuversichtlich, betrügerische Händler rechtzeitig ausfindig machen zu können, so Bänziger auf Fragen zu unbestätigten Gerüchten über hohe Verluste.

Jérôme Kerviel hatte kurz nach dem Auffliegen seines Betrugs vor vier Jahren den exakt gleichen Ratschlag wie Bänziger. Eine Grundregel des Bankgeschäfts müsse sein, die Ferienguthaben zu überprüfen. "Ein Händler, der keinen Urlaub nehmen will, will verhindern, dass jemand sein Buch überprüft." Kerviel selber hatte lediglich vier Tage Urlaub in dem Jahr, als er der Société Générale mit krummen Geschäften einen Verlust von 7,1 Milliarden Dollar zufügte.

Ein Rundumschutz sind auch die Zwangsferien nicht, wie die UBS feststellen musste. Kweku Adoboli hatte in London Handelsverluste von 2,3 Milliarden Dollar eingefahren, obwohl die Bank die zweiwöchige Zwangspause längst verordnet hatte. Die Regelung sei zum letzten Mal 2008 verschärft worden, sagte eine Banksprecherin. Zudem seien die Kontrollen der Händler in diesem Jahr noch einmal angepasst worden. Adoboli muss im Januar in London vor Gericht erscheinen; er wechselte dieser Tage seine Anwälte aus, um sich besser verteidigen zu können. Sein Betrug kostete Bankchef Oswald Grübel und mehreren Vorgesetzten die Stelle; eine klarer Hinweis, dass die internen Kontrollen versagt hatten.

Der sogenannte Block Leave war von den Banken eingeführt worden, um die Pulte der Händler zu durchforschen. "The book" wurde täglich überprüft; Händler hielten ihre Aufträge auf Papierzetteln fest, die sie in der Schublade aufbewahrten oder eben auch verschwinden ließen. Heute werden die Handelspositionen per Computer erfasst und gespeichert; doch können Betrüger ihre Deals beispielsweise mit fiktiven Gegenparteien zu verbergen versuchen. Oder sie können Geschäfte nach Handelsschluss abschließen, ohne sie nachzutragen.

Dies könnte möglicherweise Jon Corzine, dem Ex-Chef der bankrotten Brokerfirma MF Global, zum Verhängnis werden. Corzine gab höchstpersönlich Aufträge für den Verkauf und Kauf von risikoreichen Euro-Anleihen. Seine Spielsucht war bekannt; sie stammt aus seinen Anfangszeiten als Hochrisikohändler bei Goldman Sachs. Corzine nahm keine Ferien und gab selbst während Geschäftstreffen auf seinem Blackberry Börsenaufträge durch, die schließlich zu Verlusten von über sechs Milliarden Dollar führten. Wohin die 1,2 Milliarden Dollar von Kunden verschwunden sind, kann oder will Corzine nicht sagen.

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