Insolvente Drogerie-Kette:Das Urteil im Schlecker-Prozess ist ungerecht

Der Hauptangeklagte Anton Schlecker kommt mit einer Bewährungsstrafe davon. Offenbar konnte sich der frühere Drogerie-König vor zwei Wochen freikaufen.

Kommentar von Stefan Mayr

Das Urteil im Schlecker-Prozess ist überraschend und ungerecht. Überraschend, weil Lars und Meike Schlecker ins Gefängnis müssen, während der eigentliche Hauptangeklagte, ihr Vater Anton Schlecker, mit einer Bewährungsstrafe davonkommt. Damit entsteht erstens der Eindruck, dass sich der heute 73 Jahre alte Anton Schlecker mit den vier Millionen Euro, die er und seine Familie vor zwei Wochen an den Insolvenzverwalter gezahlt haben, freikaufen konnte. Zweitens bleibt das ungute Gefühl, dass damit die Tat eines skrupellosen und obendrein auch im Nachhinein uneinsichtigen Täters nicht angemessen bestraft wird.

Die Gerichte sprechen Recht im Namen des Volkes. Im Idealfall sind nach einem Urteil sowohl die Allgemeinheit als auch die Geschädigten zufrieden. Weil sie sehen, dass hier jemand eine gerechte Strafe erhält, die alle Taten angemessen sühnt. Diesem Anspruch wird das Urteil nicht gerecht. Sicherlich, Anton Schlecker ist ein gebrechlicher Mann, der vor den Trümmern seines Lebenswerks steht und für den eine Haftstrafe eine schwere Belastung darstellen würde. Er hat auch stark unter der öffentlichen Ächtung nach der Pleite gelitten. All das muss bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.

Doch im Laufe des neunmonatigen Prozesses hat er in keiner Sekunde so etwas wie Reue oder wenigstens echtes Bedauern erkennen lassen. Bis heute warten vergeblich auf eine Entschuldigung: all die ehemaligen Mitarbeiter und Geschäftspartner, die mehr als eine Milliarde Euro von ihm fordern.

Anton Schlecker fährt weiter Porsche

Auch Lars und Meike Schlecker, die sich trotz der bevorstehenden Pleite eine "Vorab-Gewinnausschüttung" von sieben Millionen Euro gönnten, rangen sich keine Reue ab. Im Gegenteil: Sie versuchten die Tat noch wortreich zu rechtfertigen. Mit juristisch geschliffenen Sätzen, in der Sache aber wenig überzeugend. Dabei war ihr Vergehen ein klarer Fall von Untreue. Ihre Haftstrafe ist hart, aber angemessen.

Die vier Millionen Euro, welche die Familie wenige Wochen vor dem Urteil an den Insolvenzverwalter überwiesen hatte, waren unschwer als Versuch zu entlarven, das Landgericht kurz vor knapp noch milde zu stimmen. Hätte die Familie diese Summe zu Beginn des Prozesses gezahlt, wäre das angebliche Motiv "Schadenswiedergutmachung" vielleicht glaubwürdig gewesen. Aber die Schleckers zahlten erst, als sich die Haftstrafen deutlich abzeichneten. Die Zahlung war also rein taktisch begründet und diente mitnichten der Wiedergutmachung von Schaden, sondern einzig und allein der Begrenzung des eigenen Schadens.

In seinem letzten Wort lamentierte Schlecker, er habe "sein gesamtes Vermögen verloren". Was für eine Verhöhnung all der Opfer. Denn was Schlecker sagte, stimmt nur in der Theorie. De facto führt er sein Leben wie eh und je weiter - in der Villa, die er zwei Jahre vor der Insolvenz an seine Frau überschrieben hatte. Das hat auch das Gericht erkannt, deshalb hat es ihm eine Geldstrafe von 54 000 Euro aufgebrummt, obwohl er eigentlich kein Vermögen mehr haben darf.

Dies zeigt schon die Absurdität dieses Urteils: Schleckers Familie wird die Strafe aus der Portokasse zahlen, diese Summe tut dem Clan mit seinem millionenschweren Immobilienbesitz kaum weh. Kurzum: Obwohl das Gericht bei Anton Schlecker mehrere Straftaten zu Lasten der Gläubiger als erwiesen ansieht, lässt es ihn sein Leben einfach so weiterführen. Damit verlässt er den Gerichtssaal mit einem faktischen Freispruch.

Unterdessen warten etliche seiner ehemaligen Mitarbeiterinnen auf ihr Geld und wissen am Ende des Monats nicht, wie sie über die Runden kommen. Und Anton Schlecker fährt weiter mit dem Porsche seiner Tochter herum.

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