Halal-Fleisch:Eine gute Entscheidung für das Tierwohl

Milchbäuerin

Fleisch aus ritueller Schlachtung, bei der Tiere vorher nicht betäubt wurden, darf nicht mit dem EU-Bio-Siegel ausgezeichnet werden. Das entschied der EuGH.

(Foto: dpa)

Das Bio-Siegel soll unnötiges Leiden verhindern. Dieser Anspruch würde aufgeweicht, wenn das Töten von Tieren bei vollem Bewusstsein in Ordnung wäre.

Kommentar von Markus C. Schulte von Drach

Wenn vor Gericht die Religion ins Spiel kommt, wird es schnell schwierig. Vor allem, wenn es dabei nicht um Fakten geht, sondern um den Umgang mit Glaubensvorstellungen. In der Frage, ob Fleisch das europäische Bio-Siegel tragen darf, wenn das Tier bei einer rituellen Schlachtung getötet wurde, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) sich mit einem solchen heiklen Thema befasst. Denn für manche Muslime und Juden sind die betreffenden Speisegebote essenziell: Für sie müssen Tiere, die verzehrt werden sollen, aus religiösen Gründen ohne Betäubung durch einen Halsschnitt geschlachtet werden.

Der EuGH befasste sich mit einer Klage von Tierschützern aus Frankreich. Diese hatten kritisiert, dass Fleisch von Tieren, die auf diese Weise getötet worden sind, mit dem Hinweis auf ökologischen Landbau beworben wurden. Die Richter haben nun entschieden, dass das Schächten nicht den Anspruch eines Siegels erfüllt, das den Konsumenten garantieren soll, dass die Leiden des Tieres so gering wie möglich gehalten wurden. Das ginge nur mit Betäubung.

Jene, die gern ein EU-Bio-Siegel auch auf Fleischprodukten sehen möchten, die aus Ökolandwirtschaft stammen und halal oder koscher sind, berufen sich auf die Religionsfreiheit. Damit haben sie ein gutes Argument an der Hand. Der Gerichtshof hat trotzdem das richtige Urteil gefällt.

Religionsfreiheit ist eine der wichtigsten Errungenschaften der Moderne: Sie soll gewährleisten, dass alle Menschen die Freiheit haben zu glauben, was sie wollen, und auch gemäß den Regeln ihres Glaubens zu leben, ohne dafür diskriminiert oder verfolgt zu werden. Was aber, wenn die Verhaltensvorschriften, die die Gläubigen ihren Offenbarungen und Überlieferungen entnehmen, mit den Gesetzen oder Wertvorstellungen einer Gesellschaft in Konflikt geraten? Denn natürlich bedeutet Religionsfreiheit nicht die Freiheit, uneingeschränkt alles tun zu dürfen, was religiöse Traditionen und Vorschriften fordern.

Auch unter Gläubigen gibt es Diskussionen über die Schlachtung

Gesellschaften müssen immer wieder neu darüber verhandeln, wie sehr Gruppen mit unterschiedlichen Interessen aufeinander zugehen müssen, und wie groß die Zumutung für die eine oder andere Seite sein darf. Im Falle der Tötung von Tieren sieht das derzeit so aus: Es gibt in der EU eine Schlachtverordnung, nach der Tiere als empfindungsfähige Wesen so zu betäuben sind, dass sie schnell und unter Vermeidung von Schmerzen und Leid sterben. Trotzdem gibt es in Europa vielerorts die Möglichkeit der rituellen Schlachtung ohne Betäubung. Auch in Deutschland können Muslime und Juden eine Ausnahmegenehmigung dafür erhalten.

Nun hat schon die gut gemeinte EU-Schlachtverordnung bislang nicht verhindert, dass auch in konventionellen Schlachthöfen immer wieder Tiere einen qualvollen Tod finden. Das Bio-Siegel will für deutlich mehr Tierwohl stehen. Dieser Anspruch würde aufgeweicht, wenn das Töten bei vollem Bewusstsein nicht ein Grund wäre, das Siegel zu verweigern - auch wenn die Tiere vorher artgerecht herangewachsen sind. Aus Rücksicht auf religiöse Gruppen so zu tun, als würde diese Schlachtung nicht gegen das Tierwohl verstoßen, wäre absurd. Auch unter Gläubigen gibt es die Diskussion, ob nicht wenigstens eine elektrische Betäubung legitim ist.

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