Grüne Woche: Wirtschaftsfaktor Haustier:Kleinvieh macht auch Geld

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Tierpsychologen, Schönheits-OP, Frisiersalons, Hunde-Bestattungen: Das Heimtier-Geschäft boomt wie nie zuvor. Mehr als drei Milliarden Euro geben die Bundesbürger für ihre Haustiere aus.

Stefan Hofer

Tierliebe kann ganz schön teuer sein. Mehr als 2,3 Milliarden Euro geben die Bundesbürger jährlich für Tierfutter aus, schätzt Detlev Nolte vom Industrieverband Heimtierbedarf (IVH). Der große Gewinner: die Tierfutterindustrie.

Welche Länder auf den Hund gekommen sind: Prozentsatz der Haushalte mit Vierbeiner. (Foto: Grafik: VDH)

Doch abseits davon hat sich - neben Hundeschulen und Tierheimen - ein riesiger Markt entwickelt: mit Pensionen, Taxis, Sanatorien, Frisiersalons, Boutiquen, Gourmettempeln und Friedhöfen.

Insgesamt sind rund 3,15 Milliarden Euro im vergangenen Jahr in Deutschland für die Haltung und Pflege von Haustieren ausgegeben worden, sagt der Präsident des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands (ZFF), Klaus Oechsner. Davon entfielen bundesweit 817 Millionen Euro auf Heimtierzubehör wie Heu und Streu, Käfige, Spielsachen und Leckerli.

Damit liegt Deutschland dem ZFF zufolge auf Platz drei im Vergleich zu den europäischen Nachbarn. Großbritannien investierte 4,1 Milliarden Euro in Heimtiere, gefolgt von Frankreich mit 3,4 Milliarden Euro.

Insgesamt gibt es - Fische und Terrarien-Ameisen nicht mitgezählt - in Deutschland 23,2 Millionen Heimtiere. In jedem dritten Haushalt lebt somit ein Tier.

Vom Geschäft mit dem perfekt aussehenden Tier profitieren in erster Linie Tierärzte und -kliniken. Die Hüftoperation bei einem Hund inklusive Implantat kostet bis zu 3000 Euro, die Kastration eines männlichen Kaninchens 50 Euro, so der Bund Deutscher Tierfreunde. Und Meerschweinchen leiden relativ häufig an Brustkrebs - für die notwendige Behandlung sind rund 120 Euro fällig.

Wien weiß sich gegen Hundekot zu helfen: "Nimm ein Sackerl für mein Gackerl" (Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

Vieles werde "offiziell im Namen der Gesundheit" operiert, im Grunde seien es aber Schönheitsoperationen, heißt es. Vom Facelift bis zur Augenvergrößerung - mittlerweile ist alles möglich. Beliebt sind derzeit sogenannte "Skinnys" - Nackttiere, die durch einen Gen-Deffekt erzeugt wurden.

Geschäfte der Hundemafia

Nicht alle Tierbesitzer können oder wollen sich solch teure Behandlungen leisten. So mancher muss bei der Anschaffung des gewünschten Tieres unlautere Wege gehen - ein Millionen-Geschäft für die organisierte Kriminalität.

Der legale Kaufpreis für einen Rassehundwelpen liegt zwischen 500 und 3000 Euro - je nachdem, ob der Hund aus einer kontrollierten Zuchtlinie stammt oder aus einer Massen- oder Hobbyzucht. Durchschnittlich werden 1000 Euro verlangt, wie aus einer Studie der Universität Göttingen zum Thema Hundehaltung in Deutschland hervorgeht. Aber nicht jeder kann sich das leisten.

Die Hundemafia schafft hier Abhilfe. "Bei Preisen zwischen 200 und 500 Euro ist das ein riesiges und fast risikoloses Geschäft", weiß der Bund Deutscher Tierfreunde, der seit Jahren gegen kriminelle Tierhändler aus Osteuropa kämpft.

Die Tierfreunde schätzen, dass die Hundemafia jedes Jahr mehr als 100.000 Hunde über die Grenzen schmuggelt und "aus dem Kofferraum" verkauft - Tiere, die zuvor über das Internet oder Kleinanzeigen feil geboten wurden. Werde man erwischt, drohen meist nur Verwaltungsstrafen und die Tiere werden beschlagnahmt, beklagen die Tierfreunde.

Kaisertreuer Erdmann

Perfektes Aussehen, modische Bekleidung und Accessoires, Hundesalons - das Lifestyle-Angebot ist wahrlich groß. Mittlerweile wird aber auch für ein pietätvolles Ableben der Heimtiere gesorgt.

Ein Grabmal in Kassel erinnert an den "treuen Dachshund Erdmann (1890-1901)". Doch das, was Kaiser Wilhelm II. für seinen kaisertreuen Dackel tat, war lange Zeit eine Ausnahme.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Tierbestattungsgeschäft - heutzutage boomt es: Hundert Tierbestattungsunternehmen, rund 120 Tierfriedhöfe und sechs Tierkrematorien gibt es mittlerweile in Deutschland, so die Informationen des Bundesverbandes der Tierbestatter.

Etwa jedes zehnte verstorbene Haustier wird beerdigt oder kremiert, schätzt der Verband, Tendenz steigend. Bei den Kosten gebe es nach oben keine Grenzen: Eine Kremierung koste je nach Größe des Tieres zwischen 150 und 300 Euro, eine Erdbestattung zwischen 200 und 500 Euro - je nach Liegezeit und Größe des Tieres.

Letztlich profitiert auch der Staat: Die Einnahmen über die Hundesteuer seien laut der Göttinger Studie von Renate Ohr und Götz Zeddies deutlich höher als die staatlichen Ausgaben im Zusammenhang mit der Hundehaltung. Dafür erbringen Polizei-, Bergrettungs- und Blindenhunde ökonomische Leistungen für die Gesellschaft, die zu keinen entsprechenden Kosten führen würden. Und: 50 bis 60 Hunde "finanzieren" einen Arbeitsplatz in Deutschland, besagt die Studie.

Notdürftig

Nicht zu vergessen - auch die Beseitigung von Hundekot auf öffentlichen Straßen kostet. So sind die Berliner Hundehalter nach dem Straßenreinigungsgesetz verpflichtet, die Hinterlassenschaften ihrer Tiere zu beseitigen. Wer dies versäumt, wird mit 35 Euro zur Kasse gebeten. Die Stadt Offenbach wirbt mit dem Plakatspruch "Mein Haufen kostet 50 Euro" für mehr Sauberkeit auf den Straßen.

In der Alpenrepublik versucht man solche Probleme charmanter zu lösen - oder zumindest anders. So startete im Herbst 2006 in Wien eine Aktion für Bewusstseinsschaffung und gegen Verschmutzung der Gehsteige durch Hundekot mit dem griffigen Slogan "Nimm ein Sackerl für mein Gackerl."

Sollte einer der rund 800 städtischen "Sackerlspender" leer sein, genügt ein Anruf beim "Misttelefon" der Stadt Wien. Für Neubefüllung des Tüten-Spenders wird dann umgehend gesorgt.

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