Glyphosat:"Verwerflich"

Blick am Sonntag 22 05 2016 in Neukalen Mecklenburgische Seenplatte auf das Unkrautvernichtungs

Das Monsanto-Mittel Round-up ist hoch umstritten. Kläger in den USA glauben, dass sie der Unkrautvernichter krank gemacht hat.-

(Foto: imago/BildFunkMV)

Ein Richter in Kalifornien kürzt die Strafe für die Bayer-Tochter Monsanto in dem Präzedenzfall Edwin Hardeman deutlich - aber nur aus formalen Gründen. Der Tadel bleibt scharf und die weiteren Prozessrisiken für den Konzern bleiben hoch.

Von Elisabeth Dostert

Der Tadel könnte kaum heftiger sein. US-Richter Vince Chhabria, bei dem einige Hundert Verfahren wegen des Unkrautvernichters Glyphosat gebündelt sind, hat das Verhalten des Herstellers Monsanto als "verwerflich" bezeichnet. Monsanto müsse bestraft werden, zitierten Nachrichtenagenturen den Richter. Zwar kürzte dieser in der Nacht zum Dienstag das Strafmaß im Fall Edwin Hardeman von insgesamt gut 80 auf 25 Millionen Dollar, aber aus formalen Gründen. Der Konzern habe wiederholt die Sicherheit des Produkts betont, wird Chhabria zitiert. Doch die Beweise im Verfahren zeichneten das Bild eines Konzerns, der sich darauf konzentriere, Menschen zu attackieren, die Bedenken äußerten. Den Berichten zufolge wertet Hardemans Verteidigerin Jennifer Moore die Weigerung Chhabrias, das Verfahren neu aufzurollen, als "großen Erfolg für alle Personen, die ihr Leiden Roundup zuschreiben".

Ende März hatten die Geschworenen Hardeman, der Jahre lang Unkraut mit dem glyphosathaltigen Mittel Roundup bekämpft hatte, gut 80 Millionen Dollar zugesprochen, davon rund fünf Millionen als Schadenersatz für gesundheitliche und finanzielle Schäden und 75 Millionen Dollar Strafschadenersatz, mit dem Gerichte das Fehlverhalten von Konzernen ahnden und mögliche Nachahmer abschrecken wollen. Es sei richtig gewesen, dass die Geschworenen Monsanto zu einer Strafe verurteilten, sagte Chhabria. Aber das Verhältnis von Schadenersatz und Strafschadenersatz sei verfassungsrechtlich unzulässig. Der Oberste Gerichtshof der USA setzt eine Grenze von eins zu neun. Chhabria kürzte den Strafschadenersatz entsprechend auf 20 Millionen Dollar, er beträgt nun das Vierfache des Schadenersatzes.

Die Entscheidung des Gerichts gehe in die richtige Richtung, ließ der Leverkusener Konzern noch gegen Mitternacht wissen. Die Entscheidung werde aber nicht durch die im Verfahren vorgelegten "verlässlichen" Beweise gestützt und stehe "im Widerspruch zum Gewicht der umfangreicher wissenschaftlichen Erkenntnisse, die die Sicherheit von Roundup bestätigen". Die Aktie des Leverkusener Konzerns, die unter der 63 Milliarden teuren Übernahme und den Streitigkeiten in den vergangenen Monaten heftig gelitten hat, zeigte keine große Reaktion: knapp ein Prozent legte sie bis Dienstagabend zu, auf gut 59 Euro.

Bislang unterlag Monsanto in allen drei erstinstanzlichen Verfahren. Dem Fall Hardeman gilt allerdings besondere Aufmerksamkeit. Es ist im bei Chhabria anhängigen Massenverfahren ein Art Musterfall, in dem für alle Verfahren relevante Fragen geklärt, Zeugen vernommen und Beweise erhoben werden. In den USA wurden, wie Bayer im Bericht für das erste Quartal bekanntgab, bis Mitte April mehr als 13 400 Klagen eingereicht. Neue Zahlen dürfte Bayer in Halbjahresbericht Ende Juli veröffentlichen. Chhabria drängt die Streitparteien zu einem außergerichtlichen Vergleich. Vermitteln soll der renommierte New Yorker Schlichter Ken Feinberg.

Schon im Fall Dewayne Johnson, dem ersten verhandelten Fall, hatte Richterin Suzanne Ramos Bolanos die Summe von knapp 289 Millionen Dollar auf rund 79 Millionen Dollar gekürzt. Auch sie beließ den Schadenersatz bei den von den Geschworenen gesetzten 39 Millionen Dollar aber kürzte den Strafschadenersatz: von 250 Millionen auf 39 Millionen Dollar. Bayer hat gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt und will das auch im Fall Hardeman tun. In einem dritten Fall an einem anderen Gericht sprachen die Geschworenen dem Ehepaar Pilliod mehr als zwei Milliarden Dollar zu. Der Schadenersatz für das Paar belief sich dabei auf 55 Millionen Dollar, die Strafschadenersatz auf jeweils eine Milliarde Dollar.

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