Gemeinschaftswährung:In der Euro-Zone zieht ein Sturm auf

Lesezeit: 3 min

Foto: Kody Brown/Bloomberg (Foto: Kostas Tsironis)

In vielen Krisenstaaten der EU wächst die Wirtschaft - doch die Euro-Zone strebt auseinander. Was jetzt dringend nötig wäre.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Manchmal entscheidet sich das Schicksal einer Völkergemeinschaft in Momenten, in denen gar nicht so viel Drama ist. So ist es gerade bei der Währungsunion. Es ist ja ruhiger um den Euro, als es lange war. Allen stecken die Jahre in den Knochen, als in ständigen Nachtsitzungen ums Überleben gerungen wurde. Als die Misswirtschaft den Krisenstaaten bittere Sozialkürzungen und Entlassungen einbrockte. Diese Zeit demonstrierte allen Euro-Bürgern, wohin sie nie mehr zurückwollen. All die Not, als der gewohnte Lebensstandard nicht mehr zu halten war. All der Zank um die Hilfsmilliarden, der Europa zerriss.

Heute dagegen wächst in fast allen Krisenstaaten die Wirtschaft wieder, es entstehen Jobs. Die Prognose der Linken, Sparen und Reformieren führe immer weiter abwärts, erwies sich als falsch. Nur müssten die Südeuropäer dazu die Neuordnung ihrer Gesellschaften auch fortsetzen. Dann hält der Euro auf Dauer, weil seine Mitglieder in die gleiche Richtung streben, statt sich wie vor der Krise in Haushalter und Schuldenmacher zu teilen. Doch statt die Ruhe zu nutzen, strebt die Euro-Zone wieder auseinander. In manchen Krisenstaaten stocken die Reformen, und das Sparen gerät aus der Mode. Italien lehnt Defizitgrenzen grundsätzlich ab, Frankreich dehnt Ausnahmen aus, Griechenland wird ohnehin mitgeschleppt und in Spanien könnte eine linke Regierung mehr Schulden machen.

Der Weg aus der Krise kann nur über neue Regeln für das Schuldenmachen führen

Wohin das führt, lässt sich in Portugal studieren. Seit November hat die neue linke Regierung viele Wohltaten angekündigt. Dabei geht es nicht darum, die Wirtschaft etwa durch Investitionen in Infrastruktur zu stimulieren. Nein, der Mindestlohn soll um gleich 20 Prozent steigen - und die Beamtenschar nur noch 35 Stunden die Woche arbeiten. Portugal erholt sich ökonomisch erst, gibt aber schon wieder Geld aus, das es noch gar nicht erwirtschaftet hat; so hatte die Euro-Krise begonnen. Die Investoren reagieren entsprechend: Die Finanzierungskosten des Staates stiegen um 60 Prozent.

Dass die Zinsen wieder sinken, hat nur einen Grund: Die letzte von vier Ratingagenturen entzog Lissabon doch nicht die Bewertung, die der Europäischen Zentralbank gerade noch erlaubt, Portugals Papiere zu kaufen. Ohne den Schutz der EZB würde das Land viel stärker unter Druck der Finanzmärkte geraten. Dies zeigt das ganze Dilemma der Gelassenheit, die gerade in der Euro-Zone herrscht. Die EZB schirmt die Krisenstaaten vor den Konsequenzen mangelnder Reformen und unsolider Etats ab. Der Zentralbankschirm kam einst recht, um diese Länder vor der Pleite zu bewahren. Als Dauereinrichtung aber wirkt er fatal. Denn er fördert die Inaktivität der Staaten und produziert gleichzeitig hohe Kosten. Deutschen Sparern entgehen seit 2010 nach Schätzungen 200 Milliarden Euro Zinsen, die Altersvorsorge leidet gewaltig.

Addiert man die portugiesischen Turbulenzen zu dem, was in Italien, Spanien, Griechenland und Frankreich geschieht und noch geschehen könnte, ist ganz klar: So darf die Euro-Zone nicht weiterwursteln. Die Krisenstaaten müssen reformieren und haushalten. Und die Zentralbank muss ihren gefährlichen Kurs beenden.

Was lässt sich also tun, damit die fraglichen Staaten ihr Verhalten ändern? Selbst der verschärfte Stabilitätspakt entfaltet offensichtlich zu wenig Wirkung. Auf Versprechen und Einsicht der hoch verschuldeten Länder zu setzen, funktioniert leider nicht. So bleiben nur zwei Optionen, um den Euro zu stabilisieren, bevor er sonst womöglich doch noch kollabiert. Die erste wäre, Schuldenländern die Hoheit darüber zu entziehen, wie stark sie sich verschulden. Dann würde nicht mehr das nationale Parlament über den Etat entscheiden, sondern Brüssel. Angesichts der Renationalisierung in Europa ist diese Option nicht realistisch.

Die solide wirtschaftenden Nationen verfügen aber über ein Druckmittel, das sie für Option zwei einsetzen können: Sie müssen ja nicht mehr unbegrenzt für die Verbindlichkeiten der Krisenstaaten einspringen. Bei dieser Option werden neue Schulden nur noch in engen Grenzen erlaubt. Für alles, was die Staaten darüber hinaus aufnehmen, müssen sie selber haften - nicht mehr, wie bisher, die Euro-Gemeinschaft. Ein solcher Mechanismus würde neue Schulden drastisch verteuern und die Staaten dem Druck der Finanzmärkte aussetzen, der sie diszipliniert.

Die solide wirtschaftenden Nationen sollten sich beeilen, ein solches Regime in der Währungsunion durchzusetzen. Wenn Südeuropa weitermacht wie jetzt, schlittert der Euro in eine neue Krise. Und dann sind die Kassen so leer und die Abwehrmöglichkeiten so schwach, dass es die Währung hinwegfegen könnte.

© SZ vom 13.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Euro-Krise
:Wirtschaftsforscher erklären Reformen in Griechenland für gescheitert

Mit der derzeitigen Politik könne Griechenland nie wirtschaftlich selbständig werden.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, Alexander Mühlauer, Brüssel, und Mike Szymanski, Athen

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: