Frauen in Führungspositionen:"Ohne die Quote ändert sich nichts"

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Ohne Quote an der Spitze: Marika Lulay leitet den IT-Dienstleister GFT. Als sie in den Achtzigerjahren Informatik studierte, war sie eine von drei Frauen. (Foto: Stephan Rumpf)

Fast jedes Unternehmen will heute divers sein, einfach, weil es für Firmen besser ist. Über den richtigen Weg dorthin sind sich aber längst nicht alle einig.

Von Felicitas Wilke, Berlin

Auch im Jahr 2018 sitzen die Frauen in Deutschlands Vorstandsetagen eher im Vorzimmer als auf den Chefsesseln. Die Aareal-Bank aus Wiesbaden gehörte bis vor Kurzem zu einem der wenigen börsennotierten Unternehmen, die ihre Vorstandsposten zumindest annähernd paritätisch besetzten, also mit mindestens 40 Prozent Frauen. Die Allbright-Stiftung, die sich für mehr Frauen in Führungspositionen einsetzt, lobte die Bank dafür Ende September noch. Tags darauf stockte das Unternehmen seinen Vorstand um ein Mitglied auf - und entschied sich für einen Mann. Jetzt sind zwei von sechs Vorstandsmitgliedern Frauen, nur noch ein Drittel.

"Das ist ja echt schlimm", antwortet Hermann Merkens, der Vorstandsvorsitzende, sarkastisch auf die Frage, warum die Aareal-Bank künftig wohl nicht mehr auf der sogenannten "Weißen Liste" der Stiftung stehen wird. Wenn ein Mann für eine Stelle am besten geeignet sei, dann entscheide man sich für einen Mann, wenn sich eine Frau am geeignetsten erweise, dann wähle man die Frau aus. Von Quoten hält Merkens nichts.

Einen Vorstandsposten solle bekommen, wer am besten qualifiziert ist, so argumentieren Gegner eine Quote gerne. Marika Lulay, Chefin des IT-Dienstleisters GFT, lehnt eine Quote ebenfalls ab, weil sie ins Eigentumsrecht eingreife. "Ein Unternehmen gehört den Eigentümern."

Andere halten dagegen. Aktivisten und Wissenschaftler weisen immer wieder darauf hin, dass sich Führungskräfte gerne selbst reproduzieren. Der deutsche Mittfünfziger ohne Migrationshintergrund und mit BWL-Abschluss beruft eher einen wie sich in den Vorstand als die ostdeutsche Schwarze mit ungewöhnlichem Lebenslauf. So entstünden typische Boys Clubs, die alles seien, nur nicht divers. Davon hat Fränzi Kühne genug. Sie hat vor zehn Jahren die Digitalagentur "Lucie Torben und die gelbe Gefahr" gegründet und sitzt seit eineinhalb Jahren im Kontrollgremium von Freenet - als jüngste Aufsichtsrätin Deutschlands. In Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen gilt seit zwei Jahren eine Frauenquote von 30 Prozent. Für Vorstände gibt es eine solche Regelung bislang nicht. "Ich glaube, dass wir auch dort eine Quote brauchen, gerne auf begrenzte Zeit. Sonst ändert sich nichts", sagt Kühne. Sie ist überzeugt, dass sich nicht nur Homogenität, sondern auch Diversität irgendwann selbst reproduziert - wenn man denn einmal damit anfange.

In einem Punkt sind sich Kühne, Lulay und Merkens einig: Diversität im Unternehmen hat nicht nur etwas damit zu tun, ob Frauen und Männer die gleichen Chancen erhalten. Vielfalt entstehe auch, wenn Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln zusammenarbeiten. Erst im Sommer zeigte eine Studie, dass ein Muslim bessere Noten mitbringen muss als ein Christ, um zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Die Unternehmen müssten sich dieser Diskriminierung bewusst werden, um sie zu beseitigen, finden Wissenschaftler. Bei der Aareal-Bank klappe das schon, sagt Hermann Merkens. Dort arbeiten 700 Menschen aus 31 Nationen - auch wenn im Vorstand alle einen deutschen Namen tragen.

© SZ vom 15.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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