Frankreich:Gratis-Essen gibt's nicht

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Bei einem Bankett mahnt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Tech-Unternehmen, sich stärker fürs Gemeinwohl zu engagieren - und sichert nebenbei Investitionen für sein Land.

Von Leo Klimm, Paris

Sie werden behandelt wie Staatschefs: Erst versammelt Emmanuel Macron die Lenker der weltweit größten Digitalkonzerne am Mittwoch zu einem Bankett im Élysée-Palast. Dann empfängt der französische Präsident einige davon separat zum Vier-Augen-Gespräch, um ein ernstes Wort mit ihnen zu reden. Mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg zum Beispiel.

"So mächtige Firmen müssen wie Staaten behandelt werden", rechtfertigt ein Macron-Vertrauter den Auftrieb in Paris. "Sie haben vergleichbar viel Verantwortung". Nüchtern betrachtet sind sie in der Weltwirtschaft auch mächtiger als etwa der ruandische Präsident Paul Kagame, der am Mittwoch ebenfalls dabei ist beim Gipfel unter dem Motto "Tech for Good". Kagame steht eher für die Empfänger guter Taten, die die Konzerne auf Macrons Wunsch leisten sollen. "There is no free lunch", witzelt der Gastgeber bei Tisch. ("Gratis-Essen gibt es nicht.") Er erwarte feste Zusagen.

Emmanuel Macron vor dem Bankett mit Vertretern internationaler Tech-Konzerne anlässlich des "Tech-for-Good"-Gipfels im Élysée-Palast. (Foto: Christian Hartmann/Reuters)

Während die großen, meist amerikanischen IT-Konzerne heftig kritisiert werden, weil sie Nutzerdaten plündern, Fake News verbreiten, und sich vor Steuern drücken, erkennt Macron in der Negativ-PR eine Chance - für die Unternehmen und für sich: Der wirtschaftsfreundliche Präsident ruft die Bosse von Facebook, Microsoft, Samsung oder der Daten-Firma Palantir, der für Geheimdienste arbeitet. Und alle kommen, um sich mit ihm für besseren Gesundheitsschutz, mehr Bildung und Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen. Auf diese Weise gibt Macron den Weltverbesserer, der den Datensammlern und sozialen Netzwerken abringen will, sozial auch im Sinne von gemeinnützig zu sein. Im Gegenzug können sie von seinem positiven Image profitieren. So ähnlich hat Macron das im Winter schon mit Finanzkonzernen gemacht, als er die zu mehr Engagement im Kampf gegen die Erderwärmung verpflichtete.

Die amerikanische Tech-Branche sieht Macron als jungen Reformpräsidenten

"In der US-Tech-Branche ist Macron gerade Mode - er ist ein junger europäischer Reformpräsident. Außerdem wissen die Unternehmen, dass sie ein Reputationsproblem haben, das für sie wirtschaftliche Folgen haben kann", umschreibt ein Macron-Gehilfe die Grundlagen der PR-Symbiose. Der Präsident wiederum gibt sich hart und herzlich zugleich. Einerseits pocht er auf scharfe EU-Regeln gegen die Steueroptimierung von IT-Konzernen. Und Zuckerberg erlebt nach seiner Anhörung im Europäischen Parlament auch hinter den Toren des Élysée "harsche Diskussionen" um Datenschutz und Hass-Propaganda auf Facebook, heißt es in Macrons Umfeld. Andererseits wirbt der Präsident sehr offensiv um Investitionen - mit Erfolg: Seit Jahresbeginn haben Tech-Riesen wie Google und Samsung die Eröffnung oder den Ausbau europäischer Forschungszentren in Frankreich angekündigt. IBM-Chefin Ginni Rometty verspricht am Mittwoch, dort in den nächsten zwei Jahren 1400 neue Jobs in Wachstumsfeldern wie der sogenannten Künstlichen Intelligenz zu schaffen.

IBM hilft Macron auch, das offizielle Ziel des Gipfels nicht zu vergessen, die Weltverbesserung. In Kooperation mit dem Roten Kreuz und den Vereinten Nationen startet der Konzern demnächst ein IT-Werkzeug, das Hilfskräfte bei Naturkatastrophen unterstützt. Weiterere Erfolge für Macron: Der Taxidienst Uber und der Lieferdienst Deliveroo - beide wegen ihres Geschäftsmodells umstritten - sagen zu, die Unfallversicherung ihrer Fahrer auszuweiten. Und der deutsche Softwarekonzern SAP engagiert sich für Autisten.

An diesem Donnerstag geht das Stelldichein der Digitalwirtschaft mit dem Präsidenten weiter: Da eröffnet Macron die Pariser Messe Viva Tech, die mit 80 000 Besuchern zu einem zentralen Branchentreff avanciert ist. Auch Zuckerberg kommt. Dann wohl nicht mehr als Büßer - sondern als Konzernchef, der mächtiger ist als mancher Präsident.

© SZ vom 24.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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