Firmen aus der zweiten Reihe:Im Schatten der Großen

Aktien kleiner und mittlerer Unternehmen tauchen selten in den Schlagzeilen auf. Viele Anleger kennen sie gar nicht. Dabei bieten diese Firmen gute Anlagechancen - wenn man die Risiken kennt.

Von Nils Wischmeyer

Wer wissen will, wie es der deutschen Wirtschaft geht, der schaut auf die großen deutschen Konzerne: BASF, Deutsche Bank oder Volkswagen. An der Börse spricht man von sogenannten Large Caps. Der Begriff "Cap" als Kurzform für "Capitalization" steht für Kapitalisierung. Mit dieser Größe wird der Wert einer Firma an der Börse beschrieben. Firmen, die mehr als zehnμMilliarden Euro wert sind, gelten als Large Caps. Die 30 größten deutschen Large Caps sind im Dax gelistet. Was aber abseits dieser Liste passiert, bleibt vielen Anlegern oft verborgen. Dabei gibt es gerade in der zweiten und dritten Reihe durchaus interessante Unternehmen. Im Fachjargon werden sie - je nach Größe - Small oder Mid Caps genannt. Als Mid Cap zählen Unternehmen mit einem Börsenwert zwischen zwei und zehn Milliarden Euro. Von einem Small Cap spricht man bei einem Wert von bis zu zwei Milliarden Euro. Zusammengefasst heißen die beiden Anlageklassen Nebenwerte.

Was sind Vorteile von Nebenwerten?

Der größte Vorteil dieser Unternehmen sei die bessere Rendite im Vergleich zu den großen Konzernen, erklärt Raik Hoffmann, Manager bei der FPM Frankfurt Performance Management AG. Der Dax sei in den vergangenen drei Jahren um 21 Prozent gewachsen. Der S-Dax hingegen, der 50 deutsche Small Caps abbildet, konnte in der gleichen Zeit etwa um 45 Prozent zulegen.

Ein ähnliches Bild ergibt sich, betrachtet man die Märkte in Europa oder den USA. Dass die kleinen Unternehmen besser abschneiden als die großen, mag im ersten Moment verwundern, ist in Fachkreisen aber weitläufig bekannt. Das Phänomen wird hier als "Size-Effect" (Größeneffekt) beschrieben. Gründe für den Effekt gibt es gleich mehrere.

Firmen aus der zweiten Reihe: Illustration: Lisa Bucher

Illustration: Lisa Bucher

Der wohl wichtigste: Kleine Unternehmen sind meist unabhängiger vom globalen Wirtschaftsgeschehen. Geht es in Indien oder Brasilien bergab, scheidet Großbritannien aus der EU aus oder stottert der Wirtschaftsmotor China mal wieder, sind viele Small und Mid Caps davon nicht oder nur geringfügig betroffen. "Das liegt daran, dass sie nicht immer so international aufgestellt sind", sagt Fondsmanager Hoffmann. Denn die Unternehmen sind oft nur in einer Nische tätig oder haben sich auf einen Geschäftsbereich fokussiert. Für Thomas Angermann, Portfoliomanager bei der Schweizer Großbank UBS, ist das ein wichtiger Vorteil gegenüber den großen Konzernen: "Die Firmen sind agiler und können sich besser neuen Entwicklungen anpassen." Neue Märkte seien für sie leichter zu erobern als für große Konzerne. Dadurch entstehe ein weiterer Vorteil: Nebenwerte werden schneller zu Übernahmekandidaten. Wird ein Unternehmen gekauft, können Anleger mit einer Prämie von bis zu 25 Prozent auf den letzten Aktienkurs rechnen. Ein durchaus lohnendes Geschäft, wie Angermann von UBS sagt.

Was sind Nachteile von Nebenwerten?

Dass die Unternehmen so hohe Renditen abwerfen, liegt auch daran, dass sie ein höheres Risiko mitbringen. So haben kleinere Unternehmen oftmals eine geringere Liquidität, was bedeutet, dass nicht so viele Aktien dieser Unternehmen auf dem Markt sind. Für Anleger ist es deshalb schwierig, Anteile zu kaufen. In Krisenzeiten verhält es sich genau spiegelverkehrt: Dann wird es schwierig, die Aktien loszuwerden, weil sich kein Käufer findet. Der Grund: So schnell Nebenwerte in guten Zeiten wachsen, so schnell brechen sie in schlechten Zeiten auch wieder ein. Man spricht dann von einer erhöhten Volatilität, was nichts anderes bedeutet, als dass ihr Aktienkurs stark schwankt. Anleger schrecke das oft ab, erklärt Fondsmanager Hoffmann. Sie flüchteten während der Krise in sichere Anlagemöglichkeiten, wie etwa Gold oder Bundesanleihen. In der Folge verlören die Nebenwert-Aktien weiter an Wert. Ein weiteres Risiko stellt die oft schwierige Finanzierung der kleineren Unternehmen dar. Während große Konzerne ihre Anleihen auf dem freien Markt platzieren können, sind kleinere Unternehmen im Normalfall stärker auf Bankkredite angewiesen. Gewährt diese keine neue Kreditlinie, kann das im Extremfall existenzgefährdend sein, oder die geplante Expansion stoppen und weiteres Wachstum der Firma hemmen. So zumindest die Theorie. In der Praxis hätten sich die Finanzierungschancen in den vergangenen Jahren verbessert, meint Angermann von der UBS. Gerade mittelgroße Unternehmen kämen heutzutage leichter an neues Geld als noch vor einigen Jahren.

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Wie kann ich in Nebenwerte investieren, und worauf muss ich achten?

Generell raten Experten den Laien bei Nebenwerten davon ab, selbständig und ohne Beratung in den Markt einzusteigen. Zu schwierig sei es, an Informationen der kleineren Unternehmen zu kommen. "Oft werden diese Unternehmen nur von wenigen oder sogar gar keinem Analysten regelmäßig betrachtet", sagt Hoffmann. Das bringe zwar den Vorteil, dass man unbekannte "Schätze" finden könne, doch müsse man genau hinschauen, wenn man Aktien dieser Unternehmen kaufe. Die Bilanzen kennen, das Produkt verstehen und im besten Fall eine gute Verbindung ins Management haben: Das sei wichtig bei Investitionen in Nebenwerte, betont auch Angermann von der UBS. Er empfiehlt deshalb ein aktiv verwaltetes Portfolio, bei dem ein Fondsmanager eine Mischung an Aktien auswählt und diese dann langfristig im Blick behalten kann.

Wer auf Nebenwerte setze, solle diese zudem nur als Beimischung für das eigene Portfolio einsetzen. Ausschließlich in Small und Mid Caps zu investieren, sei zu riskant, erklärt UBS-Experte Angermann. Er empfiehlt einen Anteil von 20 bis 25 Prozent. Hoffmann von FPM hält bis zu 30 Prozent im Portfolio für vernünftig. Grundsätzlich gelte, dass man sein Geld in verschiedene Unternehmen, Branchen und Länder investieren solle. Ausschließlich auf ein Unternehmen zu setzen, halten die Experten für zu riskant.

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