Elektronikindustrie:Systemabsturz

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Laptop preisgünstig zu verkaufen. China hat inzwischen große Teile der Produktion mobiler Computer in Japan übernommen. (Foto: Jerome Favre/Bloomberg)

Toshiba, Fujitsu und Sony: Einst spielten japanische Firmen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung mobiler Computer, doch nun schwächelt die Branche - und die Konkurrenz aus China steht schon bereit.

Von Helmut Martin-Jung und Christoph Neidhart, Tokio

Die Laptops der Marke Thinkpad gehörten noch vor Kurzem zu den bekanntesten überhaupt. Die robusten Arbeitsgeräte mit ihrem charakteristischen schwarzen Gehäuse und dem roten Trackpoint mitten in der Tastatur wurden und werden in Tokio entwickelt. Gehören tun sie mittlerweile dem chinesischen Hersteller Lenovo, entwickelt wurden sie in den Neunzigerjahren von IBM. Von den japanischen Elektronikunternehmen kommen hingegen seit Jahren keine Laptop-Innovationen mehr, und nun wirft sich auch noch Japans Marktführer Fujitsu dem Konkurrenten aus China an den Hals. Dabei war Japan einst mit gut einem Dutzend Herstellern eine Laptop-Großmacht, der Toshiba-Konzern gehörte sogar zu den Pionieren mobiler Computer.

Es ist ein Niedergang, der sich abgezeichnet hat. Meist reagieren japanische Hersteller nur noch auf Ideen der Konkurrenz, und das oft auch noch zu langsam. Sony etwa stieg erst spät ins Laptop-Geschäft ein und hinkte der Entwicklung hinterher. Das Unternehmen versuchte, seine hohen Preise mit angeblich besserer Qualität zu rechtfertigen und Kunden mit hübschen Gehäusen in bunten Farben zu gewinnen.

Während Lenovo Neuerungen zeigte wie den Yoga-Laptop, dessen Bildschirm sich mit speziellen Scharnieren um 360 Grad drehen lässt, während HP, Dell und sogar Microsoft neue interessante Geräte auf den Markt brachten, lieferten die japanischen Hersteller allenfalls Mittelmaß.

Wie konnte es dazu bloß kommen?

Der Einbruch der japanischen Laptop-Industrie wird auch damit erklärt, dass der PC von Smartphones und Tablets verdrängt würde. Das stimmt - aber nur zum Teil: In den vergangenen fünf Jahren ist der PC-Absatz weltweit um fast ein Drittel gesunken, aber auch 2015 wurden immerhin noch mehr als 275 Millionen Geräte verkauft. Doch daran hatte zum Beispiel der japanische Hersteller Fujitsu nur noch einen Anteil von mageren vier Millionen, mehr als die Hälfte davon in Japan. Für schwarze Zahlen ist das angesichts der knappen Margen dieser Branche zu wenig. Und Sonys Mobilcomputersparte Vaio kam nur auf einen Bruchteil davon. Lenovo lässt sogar einige seiner Laptops in Japan produzieren - und widerlegt damit die These, Japan sei als Produktionsstandort für hochwertige IT-Geräte zu teuer.

Sony überließ Vaio vor zwei Jahren der staatlichen Auffanggesellschaft "Innovation Network Corporation of Japan" (INCJ), mit inzwischen nur noch 250 Mitarbeitern soll sie Vaio wieder flottmachen. Oder wenigstens die Verluste decken. Bei Toshiba spielen noch andere Gründe mit. Der Konzern muss sich von seiner Laptop-Sparte trennen, weil das Unternehmen sich in betrügerische Buchhaltungsmanipulationen verheddert und mit der Übernahme von Westinghouse, dem Energiekonzern aus den USA, übernommen hat.

Um die Milliardenverluste auszugleichen, stößt das Traditionsunternehmen ganze Bereiche ab: Die Abteilung für Haushaltsgeräte ist bereits an das chinesische Unternehmen Midea verkauft worden. Bei den Laptops will Toshiba sich künftig auf hochwertige Geräte für professionelle Nutzer beschränken, braucht dafür aber erst einmal einen Partner. Noch zu Beginn des Jahres wollten Fujitsu, Toshiba und Vaio, Sonys frühere Laptop-Abteilung, mit staatlicher Unterstützung Japans Laptop-Industrie retten - und natürlich auch sich selbst. Die Computer-Abteilungen sollten zusammengelegt, die drei Marken aber erhalten werden. Doch die Verhandlungen, die mehrmals verlängert wurden, versandeten schließlich im Sommer. Jetzt will sich Fujitsu, auf dem Heimatmarkt mit 17 Prozent der größte der drei Anbieter, mit dem chinesischen Branchenführer Lenovo verbünden. Und zwingt damit die Konkurrenten Toshiba und Vaio, sich ihrerseits - vermutlich ebenfalls ausländische - Retter zu suchen. Oder aufzugeben.

Als Fujitsu-Chef Tatsuya Tanaka vor wenigen Tagen die Gespräche mit Lenovo in einer Pressekonferenz bestätigte, sagte er: "Wir wollen unsere Marke in einer Allianz mit dem größten Computerhersteller der Welt stärken." Die Wirtschaftszeitung Nikkei erfuhr von Insidern, Lenovo übernehme Fujitsus Computerabteilung, während die Japaner sich auf IT-Dienste konzentrieren würden. Die staatliche Development Bank of Japan ist bereit, bei der Finanzierung von Lenovos Einstieg bei Fujitsu zu helfen. Angeblich sollen damit die Bedenken der Politik gegen einen chinesischen Käufer verringert werden.

Doch die Sache ist nicht unproblematisch. Als der Hersteller NEC vor fünf Jahren als Marktführer in Japan sein Joint Venture mit Lenovo ankündigte, klangen die NEC-Bosse ähnlich wie jetzt Fujitsu-Chef Tanaka. Auch sie sprachen von einer "strategischen Zusammenarbeit". Doch dann kam es anders. Als Marke gibt es NEC in Japan zwar tatsächlich noch, doch NEC-Laptops sehen inzwischen den Lenovo-Geräten zum Verwechseln ähnlich. Das ursprüngliche 50:50-Joint Venture Lenovo NEC gehört inzwischen zu 95 Prozent den Chinesen, sie haben NEC herausgekauft. Diese Entwicklung könnte sich mit Fujitsu wiederholen.

Sharp, ein weiterer PC-Hersteller, den INCJ - also indirekt der japanische Staat - mit den PC-Abteilungen von Toshiba, Fujitsu und Vaio zu vereinen versuchte, gehört nun Foxconn aus Taiwan, dem weltweit größten Auftragshersteller für Elektronik. Foxconn-Chef Terry Gou gibt sich optimistisch, er könne Sharp wieder als große Marke etablieren. Immerhin: Wenige Monate nach der Übernahme erwartet Sharp erstmals seit Jahren schwarze Zahlen.

Sollte Toshiba einen Partner findet, dürfte INCJ auf Vaio sitzenbleiben. Die ehemalige Sony-Abteilung bringt im Herbst zwar neue Modelle auf den Markt, vertreibt diese aber nur noch in vier Ländern. Zurück bleibt Panasonic. Japans größter Elektronikkonzern wird seine teuren "Let's note" -Laptops vorerst wohl weiter produzieren, als robuste Nischen-Geräte.

© SZ vom 07.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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