Einzelhandel:Krieg der Discounter

Die Zeit des geilen Wachstums auf der Geizwelle ist vorbei: Jahrzehntelang zeigte die Erfolgskurve der Discounter nur himmelwärts, doch inzwischen stehen Aldi, Lidl und die anderen Billigheimer gehörig unter Druck.

Klaus Wieking

Eine Dame in Rot schiebt ihrem Liebsten huldvoll lächelnd eine Gabel mit Garnelen in den Mund. Über dem Bild prangt der Slogan "Aus Liebe zum Genuss". Sanfte Candle-Light-Atmosphäre wie für eine Gourmetmarke, doch weit gefehlt: Absender der neuen Hochglanz-Kampagne ist Aldi Nord. Erstmals in ihrer Geschichte schaltet die Nordabteilung von Deutschlands größtem Discounter keine Schweinebauchwerbung mit Kampfpreisen, sondern gefühlige Image-Werbung - für die Medienbranche, die in hohem Maße von den Werbespendings der Discounter abhängig ist, eine kleine Sensation. Die aber durchaus als Schwäche ausgelegt werden kann.

Aldi-Gründer Theo Albrecht gestorben

Aldi ohne Aldi-Prinzip, geht das? Der Druck auf die Billiganbieter wird heftiger.

(Foto: dpa)

Aldi, die klassische Anti-Marke, die ohne Marketingklimbim auskommt, muss ihr Image auf Hochglanz polieren. Das dröge Versprechen, immer die beste Ware zum niedrigsten Preis anzubieten, zieht nicht mehr.

Aldi, Lidl und die anderen Billigheimer stehen gehörig unter Druck. Etwa Schlecker: Kürzlich verkündete das Drogerie-Imperium aus Ehingen einen radikalen Wandel seiner Geschäftspolitik. Viele Jahre hatte Gründer Anton Schlecker auf ungehemmte Expansion, Mini-Läden, rigides Kostenmanagement und Dumpinglöhne gesetzt. Inzwischen gilt Schlecker als renditeschwacher Sanierungsfall mit miserablen Ruf, der weit hinter Konkurrenten wie dm oder Rossmann zurückgefallen ist. Mit mehr Offenheit, einer Aufwertung des Filialnetzes und Investitionen in Werbung wollen jetzt Lars und Meike Schlecker, die Vater Anton in der Unternehmensführung ablösen, bei dem Drogisten den Generationenwechsel einleiten. Inzwischen zahlen die Schwaben sogar Tariflöhne.

Jahrzehntelang zeigte die Erfolgskurve der Discounter nur himmelwärts. Nach und nach eroberten sie auf Kosten von Rewe, Edeka und anderen den Markt. Inzwischen werden rund 45 Prozent der Flächen in Lebensmitteleinzelhandel von Discountern betrieben. Ihr Rezept war so einfach wie wirkungsvoll: schlichtes Ladenambiente, begrenztes Sortiment aus eigenen Marken, knallhartes Kostencontrolling und ebensolche Preise. Deutschland wurde zum einig Discountland, inzwischen überzieht ein Netz aus knapp 16.000 Billigläden die Republik (Stand: 1.1.2010).

Sparsame Bilanz

Mit ihrer aggressiven Expansionspolitik sind die Billigläden inzwischen aber an ihre Grenzen gestoßen. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres, so der aktuelle Konsumklimaindex des Marktforschungsinstituts GfK, legten die Discounter umsatzmäßig um 0,8 Prozent zu - das ist nicht einmal die Hälfte des Wachstums von Vollsortimentern à la Rewe. Vor allem Aldis Bilanz fällt sparsam aus. Für das ablaufende Jahr prognostizieren die Konsumforscher Aldi Marktanteilsverluste. Schon 2009 verlor der Branchenprimus, der mit 43 Milliarden Euro Umsatz immer noch so viel verdiente wie alle anderen Discounter zusammen, laut GfK-Rechnung ein Prozentpunkt Marktanteil - Alarmstufe Rot für König Aldi, zumal der verhasste Kronprinz Lidl zulegen konnte.

Die Schwäche der Billigketten resultiert nicht nur aus der Endlichkeit ihres Geschäftsmodells, sondern auch aus dem Wiedererstarken der Vollsortimenter. Vor allem Edeka und Rewe setzen ihnen mit einer Doppelstrategie zu. Auf der einen Seite spielen sie verstärkt ihre natürlichen Vorteile wie Frische, Vielfalt und Service aus. Gleichzeitig setzen sie die Waffen ihrer Gegner ein, bauen das eigene Billigsortiment aus und produzieren selbst preiswerte Handelsmarken.

Fluchtpunkt: Auslandsexpansion

Wer heute im Supermarkt einkauft, muss für Billigware nicht mehr beim Discounter halten - spritsparendes One-Stop-Shopping. Begleitet wurde der für den stockkonservativen Einzelhandel radikale Wandel durch umfangreiche Marketingaktivitäten. So startet beispielsweise die SB-Warenhauskette Real zum Jahresbeginn unter dem Slogan "Das beste Jahr Ihres Lebens" ein gigantisches Gewinnspiel, in das die Tochter der Metro Group einen zweistelligen Millionenbetrag investiert. Die Aktion wird auch im Fernsehen beworben, die Kampagne stammt von der renommierten Kreativagentur "Zum goldenen Hirschen".

Da den Discountern Wachstum auf Kosten anderer Vertriebsformen vorerst verwehrt bleibt, fallen sie übereinander her. "Der Wettbewerb unter den Discountern ist viel härter geworden", analysiert der GfK-Forscher Wolfgang Twardawa. Um seinen Nimbus, immer der Billigste zu sein, zu verteidigen, senkte Aldi fortlaufend die Preise und zog das ganze Segment nach unten. Nach dem Discounter Plus, der in der zur Edeka gehörenden Marke Netto aufging, könnte Penny das nächste Opfer des gnadenlosen Konkurrenzkampfes sein. Eigentlich wollte Penny mit neuem Konzept und frischer Werbung seinen Ruf als profillose Schmuddelkette loswerden und zur Spitze aufschließen - übrig blieben rote Zahlen, die Unternehmensboss Armin Rehberg den Job kosteten.

Inzwischen denkt Alain Caparros, Chef der Rewe Group, zu der Penny gehört, öffentlich über die Zukunft des Discounters nach. Die könnte düster ausfallen, denn ein strategischer Ausweg aus dem Dilemma ist nicht in Sicht. Ausländische Investoren werden kaum versucht sein, über Penny in den deutschen Lebensmittelmarkt, der als der härteste in Europa gilt, einzusteigen.

Gegen die Übernahme Pennys durch einen direkten Wettbewerber steht das deutsche Kartellrecht, schon die Übernahme des Discounters Netto durch die Edeka-Gruppe wurde nur unter strengen Auflagen genehmigt. Bleibt als Fluchtpunkt die Auslandsexpansion, die vor allem Aldi und Lidl seit langem mit wechselndem Erfolg betreiben. Und die Änderung des puristischen Geschäftsmodells.

Um sich vom Wettbewerb abzugrenzen, müssten die Billigheimer in neue Sortimente, Kommunikationsformen und Vertriebswege, etwa ins Internet, investieren, erklärt der Berater Markus Eicher von der PR-Agentur wbpr, die Lidl zu ihren Kunden zählt. Es seien "Qualitätsbotschaften auf allen Ebenen" gefragt, so Eicher weiter. Doch Aldi ohne Aldi-Prinzip, geht das? Statt Preiswerbung in Anzeigenblättchen Image-Anzeigen mit Candle-Light-Kitsch? Einkaufserlebnis statt Palettencharme und Neonlicht? Edle Ware zu Premiumpreisen?

Klar ist nur eins: Die Zeit des geilen Wachstums auf der Geizwelle ist vorbei. Billig allein reicht nicht mehr.

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