Digitale Verwaltung:Kontrolle unmöglich

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In der Offline-Welt füllt der Steuerzahler die Formulare mit dem Stift aus und bekommt den Bescheid per Post. (Foto: Thomas Lehmann/dpa)

Das Finanzamt wird modern, soweit so gut. Allerdings scheint die Behörde von der Digitalisierung überfordert zu sein: Sie kann nicht nachweisen, dass der Bescheid per E-Mail auch wirklich beim Steuerzahler ankam.

Von Guido Bohsem, Berlin

Es sieht nicht gut aus für die deutsche Verwaltung. In Europa belegt sie in Sachen Digitalisierung lediglich Platz 19, hinter Italien und vor Zypern. Der Normenkontrollrat hat sie gerade eben heftig kritisiert. Grund: Der Unterschied zwischen dem, was Wirtschaft und Bürger im Alltag als digitale Dienstleistung gewohnt seien und dem, was die Ämter und Behörden ihnen böten, sei enorm und werde immer größer.

Im Finanzministerium konnte man gelassen reagieren. Die Finanzverwaltung wähnt sich beim E-Government weiter als andere Behörden. Und überhaupt, mit dem "Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens" hatte man doch gerade die Grundlage für die elektronische Zukunft der Finanzämter gelegt.

Mag sein. Doch gerade dieses Gesetz zeigt nun sehr deutlich, dass auch in der schönen neuen Welt der vernetzten Verwaltung und interaktiven Bürger das ein oder andere nicht richtig funktioniert. So hatten sich die Finanzbeamten überlegt, künftig die Mitteilungen an den Steuerzahler elektronisch zu verbreiten. Zum Beispiel den Einkommensteuerbescheid, in dem das Finanzamt mitteilt, ob man durch seine Steuererklärung Geld zurück-bekommt oder noch was zahlen muss.

Im nicht-digitalen Leben verschickt das Finanzamt seine Briefe mit der Post und geht davon aus, dass sie den Adressaten innerhalb von drei Tagen erreicht hat. Danach, so heißt es in der Fachsprache, gilt der Verwaltungsakt als bekannt gegeben. Der Steuerpflichtige gilt also nach drei Tagen als informiert. Zugangsfiktion, heißt das in der Fachsprache. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen.

Wie soll die Behörde dem Bürger nachweisen, dass die E-Mail auch angekommen ist?

Genau so soll es auch in der digitalen Welt sein: Der Bürger erhält eine E-Mail und kann den Bescheid dann abrufen. So weit, so modern, so einfach. Als Termin gelten entweder der Zeitpunkt, zu dem die Mail gesendet wurde. Ober aber das Datum, an dem der Steuerpflichtige sich seinen Bescheid runtergeladen hat. Doch birgt die Sache ein Problem: Was passiert, wenn sich der Steuerpflichtige weigert, seinen Steuerbescheid abzurufen und auch bestreitet, überhaupt eine Mail bekommen zu haben - etwa, weil er seine Steuerschuld erst mal nicht begleichen will oder dringend einen Aufschub braucht.

Nun, wie im analogen Leben auch, müsste die Finanzverwaltung dem Bürger dann nachweisen, dass er die Mail tatsächlich bekommen hat.

Wie soll das gehen? Zwar gibt es auch elektronische Einschreiben, doch ist die Technik kompliziert und nicht besonders weit verbreitet. Der Linken-Steuerexperte Axel Troost ging der Sache nach und bat die Bundesregierung um Aufklärung. Das Ergebnis ist ernüchternd. Es geht nicht. "Aus technischer Sicht ist es derzeit nicht möglich den Zugang einer elektronischen Benachrichtigung über einen zum Datenabruf bereitgestellten Verwaltungsakt, wie im Übrigen bei jeder elektronischen Nachricht, nachzuweisen", heißt es im Antwortschreiben von Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU).

Für Troost zeigt das, wie unausgegoren die digitalen Pläne des Finanzministeriums sind. Dahinter stecke vor allem die Absicht der Bundesregierung, "die unzureichende Personalausstattung der Finanzverwaltung durch exzessive Digitalisierung auszugleichen".

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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