Raumfahrt:Die deutsche Wirtschaft träumt vom Weltraum

Raumfahrt: Mit der Trägerrakete Ariane hat Europa einen unabhängigen Zugang zum All. Der BDI mahnt, sie mehr zu nutzen und wettbewerbsfähig zu machen.

Mit der Trägerrakete Ariane hat Europa einen unabhängigen Zugang zum All. Der BDI mahnt, sie mehr zu nutzen und wettbewerbsfähig zu machen.

(Foto: JM GUILLON/AFP)
  • Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erklärt in einem Grundsatzpapier, wie die deutsche Wirtschaft vom Raumfahrt-Boom profitieren könnte.
  • Sie könnte vor allem die Technik liefern, um zum Beispiel zum Mond zu fliegen. Aber auch beim Bergbau im Weltraum oder einer "Müllabfuhr" in der Erdumlaufbahn sieht der Verband Chancen.

Von Dieter Sürig

Vor 100 Jahren machte der amerikanische Wissenschaftler Robert Goddard Furore: Er legte dar, dass es möglich sein müsste, mit einer Rakete Nutzlasten zum Mond zu schießen. Medien wie die New York Times belächelten ihn für diese These. Erst nach dem Start der ersten bemannten Mondmission Apollo 11 entschuldigte sich die Zeitung 1969 dafür. Wiederum 50 Jahre später ist der Transport zum Mond zu einer möglichen Erlösquelle für kommerzielle Anbieter geworden. Ein solches Szenario scheint für Unternehmen so realistisch, dass sich auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ernsthaft mit dieser Möglichkeit befasst.

"Zukunftsmarkt Weltraum" heißt ein Grundsatzpapier, in dem sich der BDI mit den Chancen der Raumfahrt für die deutsche Industrie beschäftigt. Um den Anschluss in diesem Zukunftsfeld nicht zu verpassen, hat der Verband einen Forderungskatalog aufgestellt. Unter anderem soll die Bundesregierung das deutsche Raumfahrtbudget von derzeit 285 Millionen Euro pro Jahr mehr als verdoppeln, und ein "schlankes" Weltraumgesetz soll Rechtssicherheit für Firmen schaffen.

Der Mond nimmt in dem 17-seitigen Papier eine wichtige Rolle ein. BDI-Präsident Dieter Kempf weist darauf hin, dass der Airbus-Konzern bereits das Servicemodul für die Nasa-Raumkapsel Orion aus Bremen liefert, mit der die Amerikaner bis 2024 zum Mond fliegen möchten. "Darauf sollte Deutschland weiter aufbauen und sich als zentraler Partner der USA bei der Rückkehr zum Mond engagieren", so Kempf zur Süddeutschen Zeitung. Dies ist jedoch nur ein Ausschnitt aus den neuen Raumfahrtambitionen des BDI. "Raumfahrtanwendungen sind für die deutsche Industrie von zentraler Bedeutung", sagt Kempf. Sie seien die Voraussetzung für Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren, Digitalisierung und Industrie 4.0. "Raumfahrt wird damit zu einer kritischen Infrastruktur für das Industrieland Deutschland."

Der BDI-Chef fordert deswegen von der Bundesregierung, das nationale Raumfahrtbudget aufzustocken. Im vergangenen Jahr habe Frankreich 726 Millionen Euro für Raumfahrt ausgegeben. "Angesichts der steigenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung der Raumfahrt sollte das Raumfahrtbudget in Deutschland mindestens auf das Niveau von Frankreich angehoben werden", sagt Kempf.

Der Verband stützt seine optimistischen Erwartungen an eine kommerzielle Raumfahrt auf internationale Erhebungen. Weltweit liege der Raumfahrtumsatz bei 260 Milliarden Dollar. Dieser werde sich bis 2040 "mehr als verzehnfachen", so Kempf. Zum Vergleich: Dem Bundesverband der Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) zufolge lag der deutsche Raumfahrtumsatz 2017 bei drei Milliarden Euro. Allein die Bremer Raumfahrtfirma OHB hatte da gut 825 Millionen Euro Umsatz gemacht. Kempfs Conclusio: "Der Zukunftsmarkt Weltraum, auch New Space genannt, ist für das Industrieland Deutschland eine große Chance."

Hier kommt auch der Mond ins Spiel. "Lange Zeit stand der Mond als Ziel nicht im Fokus. Das ändert sich derzeit wieder", heißt es in dem Papier. Die Raumstation ISS werde mindestens bis 2028 weiter betrieben, bereits heute müsse aber über ein "ambitioniertes Nachfolgeprojekt" entschieden werden. Der Verband sieht Chancen, sich an der von der Nasa geplanten Raumstation Lunar Gateway in Mondnähe zu beteiligen, einer Zwischenstation zum Moon Village, das von Esa-Chef Jan Wörner propagiert wird. "Bei der Rückkehr zum Mond sollte die Bundesrepublik eine zentrale Rolle spielen", so der BDI.

Was das Weltraumgesetz betrifft - das Bundeswirtschaftsministerium will im Herbst einen Entwurf vorstellen -, so will der Verband insbesondere Haftungsfragen geregelt wissen. Dies sei Voraussetzung für Investoren. Dabei sollten auch Haftungssummen bei Unfällen mit universitären Kleinsatelliten, Satellitenkonstellationen sowie bei Weltraumtourismus oder -bergbau berücksichtigt werden. Genehmigungen sollten schnell erteilt werden, um zu anderen Staaten keinen Wettbewerbsnachteil zu haben. Handlungsbedarf gibt es auch wegen des zunehmenden Weltraumschrotts. Die BDI-Experten fordern "Vermeidungsmaßnahmen" und Lösungen zur Beseitigung von Weltraumschrott. Dies könnte auch für eine kommerzielle "Müllabfuhr" im All interessant werden.

Auch der Bergbau im Weltraum soll Geld bringen

Der BDI mahnt auch, die Ariane-Rakete als Zugang Europas zum All verstärkt zu nutzen und auszubauen. Er spielt damit darauf an, dass selbst die Bundeswehr und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Starts mit der Falcon 9 von Elon Musks Raketenfirma Space-X buchen, weil diese billiger sind. Er kritisiert, dass Firmen wie Space-X mit quer subventionierten Preisen "Marktanteile maximiert, Konkurrenz minimiert und Kompetenzen monopolisiert" hätten. Staaten wie die USA würden institutionelle Startaufträge ausschließlich an nationale Dienstleister vergeben. Die Ariane sollte also durch "die konsequente Umsetzung einer europäischen Präferenz" gestärkt werden.

Last, not least sieht der BDI auch im Weltraumbergbau Chancen und hatte dazu schon 2018 ein Papier publiziert. "Die Bundesregierung sollte deshalb Forschungsvorhaben für den Weltraumbergbau fördern." Rohstoffe könnten im All abgebaut werden, um diese bei Raumfahrtmissionen zu nutzen. Alles in allem sei Raumfahrt bereits so "unabdingbar wie der Strom aus der Steckdose", sagt der BDI. Bürger profitierten in Bereichen wie Kommunikation, Navigation, Erdbeobachtung sowie Umwelt- und Klimaschutz. "Raumfahrt ist längst mehr als wissenschaftliche Liebhaberei", mahnt er.

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