Deutsche Post:Die Politik darf der Deutschen Post keine Abstriche erlauben

Warnstreik der Post-Zusteller

Ein leidtragendes Glied in der Kette - die Postzusteller.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Konzern spart zulasten der Verbraucher bei der Briefzustellung. Eine Provokation, denn noch sind die Bürger auf den Service angewiesen.

Kommentar von Benedikt Müller

Die Privatisierung der Bundespost vor zwei Jahrzehnten ist ein wirtschaftlicher Erfolg: Bei Post, Postbank und Telekom arbeiten heute etwa 700 000 Menschen weltweit, davon fast 300 000 in Deutschland. Aus der Bonner Behörde sind international erfolgreiche Konzerne erwachsen, die Milliardengewinne verbuchen. Und weil dem Bund immer noch Teile von Post und Telekom gehören, profitiert der Staat doppelt davon.

Doch nun wächst die Unzufriedenheit mit dem Stammgeschäft der Post. Bei der Bundesnetzagentur sind im vergangenen Jahr 50 Prozent mehr Beschwerden über Post- und Paketdienste eingegangen, die Hälfte der Reklamationen entfällt auf den Briefverkehr. Die Post verärgert einen Teil ihrer Kunden zusehends: Aus Kostengründen leert sie mittlerweile die meisten Briefkästen vormittags; Anwohner müssen ihre Briefe also früher einwerfen, wenn diese am nächsten Tag ankommen sollen. Und montags kommt kaum noch Post an, weil an Sonn- und Feiertagen immer weniger Kästen geleert werden.

Nun wäre das - sehr progressiv argumentiert - kein Problem. Schließlich schreiben die Menschen ohnehin weniger Briefe, kommunizieren mehr über das Internet. Auch Unternehmen kontaktieren ihre Kunden zunehmend per Mail oder App, statt Rechnungen per Post zu schicken. Eines Tages könnte gar das Finanzamt ohne Briefverkehr auskommen. Einige Menschen sehnen diese papierlose Zeit bereits herbei, sind kaum noch darauf angewiesen, an wie vielen Tagen der Postbote nun klingelt oder nicht.

Doch tatsächlich steckt dahinter eine politische Frage. Der Bund hat die Post nämlich nicht in einen freien Briefmarkt entlassen. Vielmehr garantiert das Grundgesetz allen Bürgern eine flächendeckende und ausreichende Versorgung mit Postdiensten. Daher muss die Post täglich von Montag bis Samstag Briefe zustellen. Im Schnitt müssen bundesweit mindestens 80 Prozent der Briefe binnen eines Tages ankommen. Die Bundesnetzagentur überprüft dies mit Stichproben.

Eine gute Nachricht für ländliche Gebiete

Dabei zeigt sich, dass die Post ihren verbliebenen Spielraum zum Nachteil der Kunden ausreizt. So berichtet die Netzagentur, dass der Konzern die 80-Prozent-Vorgabe in einzelnen Regionen nicht mehr erfülle. Dies liegt zum Teil an der zu dünnen Personaldecke, an Grippewellen und Wetterkapriolen. Die Post nimmt diese Abweichungen aber in dünn besiedelten Regionen schlicht in Kauf, solange der Bundesschnitt passt. Da sich nun die Beschwerden häufen, braucht es eine politische Debatte: Welche Ansprüche stellt die Gesellschaft noch an ihre Post? Auf dieser Basis muss der Staat entscheiden, ob er künftig eine löchrige, aber effiziente Briefzustellung erlaubt - oder ob er die Gewinne der Post im Briefgeschäft beschränkt, indem der Bote weiterhin täglich anfahren muss.

Zwar wünschen sich Post-Manager, dass der Bund sein Regelwerk aus den Neunzigern endlich "überdenken" sollte. Dennoch spricht einiges dagegen, den Konzern zu voreilig aus den Vorgaben zu entlassen. Zum einen ist die Briefzustellung noch immer ein einträgliches Geschäft, in dem die Post nur kleine, regionale Konkurrenz hat. Obwohl die Anzahl der Briefe in den vergangenen Jahren zurückging, steigerte die Deutsche Post ihren Umsatz mit Briefen leicht, auf zuletzt 7,8 Milliarden Euro. Dank sei mehreren Portoerhöhungen, die der Konzern durchgesetzt hat. Zum anderen ist es in ländlichen Gebieten üblich, dass ein und derselbe Bote Briefe und Pakete austrägt. Selbst wenn die Briefmenge schrumpft, hat der Zusteller auf dem Land dank des boomenden Online-Handels also Grund genug, werktäglich in jedes Dorf zu fahren. Das ist eine gute Nachricht für die Daseinsvorsorge in ländlichen Gebieten.

Die Bedürfnisse der Gesellschaft sollten entscheidend sein

In städtischen Räumen hingegen stellt die Post Briefe und Pakete getrennt zu. Dort kann der wachsende Paketmarkt die Rückgänge im Alltag der Briefzustellung also nicht kompensieren. Doch die Post hat längst eine Lösung ausprobiert: Im vergangenen Sommer bot der Konzern freiwilligen Testkunden an, dass diese ihre Briefe nicht mehr täglich erhalten, sondern wahlweise entweder dreimal in der Woche, täglich am Arbeitsplatz oder einmal gebündelt am Wochenende. Die Post wertet derzeit aus, wie viele Kunden sich auf dieses Experiment eingelassen haben und wie zufrieden sie damit waren.

Die Ergebnisse dieses Feldversuchs sollte sich die Politik genau ansehen - aber mit der nötigen Distanz. Betriebswirtschaftlich besteht noch keine Not, dem Konzern weitere Abstriche von der täglichen Briefzustellung zuzugestehen. Entscheidend sollte sein, wie lange die Gesellschaft noch darauf angewiesen ist.

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