Deutsche Bahn:Berater-Affäre bringt Bahnchef Lutz in Bedrängnis

Deutsche Bahn Berater Richard Lutz

Was wusste Bahnchef Richard Lutz von den Verträgen mit den Ex-Managern?

(Foto: AFP)
  • In der Affäre um fragwürdige Beraterverträge für Ex-Vorstände in Millionenhöhe gerät nun auch Richard Lutz immer stärker unter Druck.
  • Kontrolleure der Bahn fordern, die Rolle des Bahnchefs aufzuklären - schließlich war er im fraglichen Zeitraum Finanzvorstand des Konzerns.

Von Markus Balser, Berlin, und Klaus Ott

Die Zukunft der Bahn hat 170-Seiten. So dick ist jenes Papier, das seit ein paar Tagen im Konzern und dem Aufsichtsrat kursiert und die Krise um unpünktliche Züge und Qualitätsprobleme eigentlich in den Hintergrund drängen sollte. In den vergangenen Wochen entwarf Bahnchef Richard Lutz mit einem Kreis von Führungskräften die neue DB Dachstrategie - und damit die Bahn von morgen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hatte ihm schließlich nur eine Frist bis zum Sommer gesetzt, den Konzern auf Vordermann zu bringen.

Doch ob das Papier für Lutz wirklich zum Befreiungsschlag wird, daran wachsen intern inzwischen Zweifel. Seit am Donnerstag die Affäre um fragwürdige Beraterverträge für Ex-Vorstände in Millionenhöhe publik wurde, gerät auch Lutz immer stärker in Bedrängnis. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung fordern Kontrolleure des Konzerns nun ausdrücklich auch die Rolle des Konzernchefs und anderer Manager in der Affäre aufzuklären. Denn ausgerechnet Lutz saß im fraglichen Zeitraum am Schalthebel aller wichtigen Finanzgeschäfte. Dass der Vorstand nichts von den Verträgen mit den Ex-Managern wusste, sei kaum vorstellbar, sagt ein Aufsichtsrat. Stellen sich die Verträge als rechtswidrig heraus und wussten Vorstände Bescheid, wären sie wohl kaum zu halten, heißt es aus dem Gremium.

Damit könnte die Affäre im schlimmsten Fall eine enorme Dimension für den Konzern bekommen. Untersucht werden fragwürdige Verträge aus der Zeit von 2010 bis 2018. Es geht um einen Millionenbetrag, der in dieser Zeit über etwa 20 Verträge mit früheren Konzern- und Bereichsvorständen aus dem Unternehmen floss. Unklar ist, ob es bei den fragwürdigen Kontrakten eine ausreichende Gegenleistung gegeben hat. Für den gesamten Zeitraum war der heutige Konzernchef für die Finanzen des Unternehmens zuständig. Von 2010 bis 2017 hatte er den Posten des Finanzvorstands inne - zunächst unter Konzernchef Rüdiger Grube. Als er 2017 dessen Nachfolger als Vorstandschef wurde, blieb er zunächst zusätzlich auch Finanzchef. Erst Anfang des Jahres gab er das Amt an Nachfolger Alexander Doll ab.

Sollte Lutz vor der internen Untersuchung ab Februar Kenntnis von den Beraterverträgen gehabt haben, die ohne die wohl nötige Genehmigung des Aufsichtsrats abgeschlossen wurden, wäre er wohl nicht zu halten, heißt es in Konzernkreisen. Allerdings stärkten andere Aufsichtsräte Lutz den Rücken. Er sei eine ehrliche Haut, man könne sich rechtswidrige Handlungen nicht vorstellen. Es gebe bislang keine Hinweise auf eine Verstrickung. Umgekehrt aber könne derzeit niemand für die Vorstände die Hand ins Feuer legen. Man wisse noch zu wenig, hieß es weiter.

Bei den Mitarbeitern wächst die Verärgerung über die Affäre

Auch die Bahn selbst bleibt bei dem Thema zugeknöpft. Fragen der SZ dazu, seit wann Lutz Kenntnis von den fragwürdigen Verträgen hat, ließ die Bahn am Freitag unbeantwortet. Offen ist auch, was andere Vorstände wussten. Dies werde nun auch von den Forensikern der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young geprüft, hieß es am Freitag. Bereits in der nächsten Woche könne Klarheit herrschen. Bei der Bahn wächst bei den Mitarbeitern in jedem Fall die Verärgerung über die Affäre. Dass sich Ex-Führungskräfte möglicherweise bei einem Ausscheiden neben der ohnehin dicken Abfindung auch noch Beraterverträge sicherten, sei schon ein "dicker Hund", sagt ein Betriebsrat. Kein einfacher Mitarbeiter falle bei einer Trennung derart weich.

Nach Angaben aus Kreisen des Konzerns geht es auch um Vorgänge um den ehemaligen Personenverkehrsvorstand der Bahn, Ulrich Homburg, von dem sich die Bahn 2015 getrennt hatte. Neben einer millionenschweren Abfindung habe es offenbar noch zwei Beraterverträge über zusammen mehrere hunderttausend Euro gegeben. Zumindest einer hätte vom Aufsichtsrat genehmigt werden müssen, heißt es weiter. Da dies nicht passiert sei, könnte dieser Vertrag möglicherweise "schwebend unwirksam" sein. In diesem Fall könnte der Konzern das Geld zurückfordern. Offen sei zumindest in einem Fall auch, ob für die Zahlung eine Gegenleistung erfolgt sei. Homburg wollte sich auf Anfrage dazu am Freitag nicht äußern. Aufsichtsratschef Michael Odenwald erklärte bereits am Donnerstag: "Wir werden der Sache massiv auf den Grund gehen." Die Deutsche Bahn räumte "Auffälligkeiten" im Zusammenhang mit Beraterverträgen ein. Weitere Angaben machte der Konzern am Freitag nicht. Aufgekommen war die Affäre durch Fragen des Bundesrechnungshofs zu Beraterverträgen. Interne Recherchen des Bahn-Vorstands förderten danach Verträge in der Konzernmutter sowie in Geschäftsfeldern zutage.

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