Davoser Depeschen:Gruß an Gruß

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle nickt sich durch Davos - hier gibt es bisschen Lob, dort einen Hauch von Kritik. Nur zu den tanzenden Anzug- und Kostümgästen von McKinsey schafft er es nicht mehr.

H.-J. Jakobs

Jeder wird sofort verstehen, dass ein Wirtschaftsminister zum Weltwirtschaftsforum muss. Also hat Rainer Brüderle in Davos einen dichten Zeitplan. Er beginnt mit einem Frühstück, zu dem zwei Dutzend deutsche Konzernchefs kommen. Sie schildern ihre Sorgen, und die sind durchaus unterschiedlich. Brüderle beruhigt. Das aktuelle Problem, dass die vom Luxushotel Belvedere dargebotenen Frühstücksmaterialien augenscheinlich eher nicht reichhaltig sind, kann der Minister von der FDP nicht mehr lösen.

Bundestag

Dichter Zeitplan in Davos: Rainer Brüderle.

(Foto: dpa)

Es folgen etliche Gespräche mit Ministern aus vielen Ländern, darunter etwa dem brasilianischen Außenminister. Bei solchen Kontakt-Offerten kann der Vertreter des deutschen Staats nicht Nein sagen, zumal die anderen Kabinettskollegen erst später anrücken, vom auch zuständigen Finanzminister Wolfgang Schäuble und der Kanzlerin Angela Merkel bis hin zum strategisch flotten Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und der von Missionen erfüllten Arbeitsministerin Ursula von der Leyen.

Wasser ohne Kohlensäure, Wein mit Alkohol

An diesem Donnerstagmittag aber muss Brüderle allein in der Diskussion bei einem Mittagsessen im Hotel Fluela die deutsche liberale Position zum Euro verteidigen und auf Selbstdisziplin bei Mitgliedsstaaten der Euro-Zone drängen. Den anwesenden griechischen Finanzminister lobt er für die Sparanstrengungen, die weiter andauern müssten.

Er erwähnt die Haushaltstricks, mit denen sich Griechenland in den Euro mogelte und umreißt die Möglichkeit, dass ein Land auch den Euro-Klub wieder verlassen kann, die eigene Währung dann abwertet und so im Export zulegt. Ja, der Euro bleibe, erklärt Brüderle, Deutschland trage seine Lasten, aber nicht unbegrenzt. Die Reden des FDP-Mannes werden vom Griechen, aber auch von anderen Mitdiskutanten erkennbar nicht mit großer Begeisterung aufgenommen. Brüderle behält seinen Humor. Das Wasser nehme er ohne Kohlensäure, den Wein aber mit Alkohol, bescheinigt er dem Kellner.

Nach seinen ministeriellen Nachmittags-Gesprächen taucht Rainer Brüderle am Abend als Überraschungsgast beim Metro-Chef Eckhard Cordes auf. Beim Empfang des Autoherstellers Audi ist der Minister nicht dabei, dafür gibt sich vor dem Hintergrund eines feuerroten Audi Quattro der Konzernpatron Ferdinand Piech und seine Frau Ursula überraschend die Ehre. Piechs Jackett ist seltsam ausgebeult. Mit Journalisten mag er an diesem Abend nicht reden.

Den Abend im Hotel Belvedere nutzen deutsche Abgesandte zur Standortförderung. Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth preist die Versorgung ihrer Stadt durchs Internet und zählt die vielen Nationen auf, die in Frankfurt leben. Ex-Ministerpräsident Roland Koch, wohnhaft in Eschborn, hört interessiert zu und macht danach seine Kontaktrunde. Schließlich wird er schon bald den Baukonzern Bilfinger Berger lenken, auch wenn der nicht in Frankfurt, sondern in Mannheim liegt. Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus findet sich auch noch ein, er hat im Raum nebenan vorher bei einer Veranstaltung des verstaatlichten Energieriesen EnBW für die Heimat geworben.

Soviel Heimatpflege ist anstrengend, und so trudelt Petra Roth nebst Entourage nach Mitternacht im Saal "Atlantis" ein. Hier, wo eine Soulband aufspielt, mit vielen Musikern aus "New York, New York", wie der Sänger erzählt, und all die Anzug- und Kostümgäste der Beratungsfirma McKinsey zum Tanzen bringt. Die Combo spielt seit zehn Jahren zum Davos-Chill-out, RWE-Chef Jürgen Großmann kann das bestätigen. Auch er wurde auf der Tanzfläche gesichtet.

Rainer Brüderle hat es zu den "Mekkies", wie die Einsatzkräfte der weltweiten Consulting-Firma heißen, nicht geschafft. Für ihn war genug los gewesen, an diesem ganz normalen Tag des Weltwirtschaftforums.

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