Cum-Ex:Erstes Verfahren im Herbst

Die Aufarbeitung des Steuerskandals um Dividenden schreitet voran. Mit neuen Durchsuchungen in der vergangenen Woche wurde zumindest die Verjährung abgewendet.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Noch ein paar Tage mehr, und die Strafverfolger hätten diesen Teil ihrer Ermittlungen im größten deutschen Steuerskandal womöglich vergessen können. Als Beamte der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt und der Steuerfahndung am vergangenen Donnerstag ausrückten, um Geschäftsräume in Frankfurt und eine Wohnung im Hochtaunuskreis zu durchsuchen, drohten die Fälle aus dem Jahr 2009 zu verjähren. Mit den Durchsuchungen ist die Verjährung unterbrochen, und die Liste an Verfahrenskomplexen in der Cum-Ex-Steueraffäre ist erneut länger geworden.

In diesem Fall verdächtigen die Ermittler sieben Männer und eine Frau im Alter zwischen 42 und 60 Jahren der schweren Steuerhinterziehung beziehungsweise der Beihilfe dazu. Drei unterschiedliche Fonds sollen die Beschuldigten zum Handel von Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividende benutzt haben, um sich mutmaßlich zu unrecht Kapitalertragsteuern erstatten zu lassen. 13,57 Millionen Euro sollen bei diesem Griff in die Staatskasse nach Erkenntnissen der Ermittler zusammengekommen sein. Die Summe sei inzwischen an die Finanzbehörden zurückgezahlt worden, heißt es in einer Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft. Namen von Beschuldigten oder Unternehmen nennt die Behörde grundsätzlich nicht.

Einige Beschuldigte sollen für Versicherer gearbeitet haben

Fünf der Beschuldigten arbeiten für je einen der Investoren, darunter nach SZ-Informationen vier große Unternehmen aus der Versicherungswirtschaft und eine weitere Firma. Sie alle sollen bewusst Gelder in die Cum-Ex-Fonds gesteckt haben. Ein Mitarbeiter einer Frankfurter Kapitalanlagegesellschaft soll den Investoren bei der Abwicklung der Geschäfte geholfen haben. Die Initiatoren der Fonds werden im Zusammenhang mit dem neuesten Ermittlungskomplex nicht erwähnt.

Wohl aber der juristische Beistand. Rechtsberatung bekamen die verdächtigen Investoren von Anwälten der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Zwei von ihnen beschuldigt die Generalstaatsanwaltschaft im aktuellen Fall der Beihilfe zur schweren Steuerhinterziehung. Die Großkanzlei wurde vergangene Woche zum dritten Mal im Zusammenhang mit Cum-Ex durchsucht. Insgesamt ermittelt die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft in unterschiedlichen Fallkonstellationen gegen drei Freshfields-Anwälte. Sie haben mit zahlreichen Rechtsgutachten die Unbedenklichkeit von Cum-Ex-Geschäften bescheinigt. "Wir sind zuversichtlich, dass unsere Beratung rechtlich nicht zu beanstanden war", teilte ein Sprecher schriftlich mit. Ob und inwiefern Cum-Ex-Geschäfte strafbar gewesen sind, ist noch nicht vor Gericht geklärt.

Das dürfte sich bald ändern. Am Landgericht Bonn soll im Herbst das erste Gerichtsverfahren gegen zwei frühere Aktienhändler beginnen. Die Staatsanwaltschaft Köln habe sie in 33 Fällen der schweren Steuerhinterziehung angeklagt, teilte das Landgericht Bonn am Montag mit. Gemeinsam mit weiteren Verdächtigen sollen die beiden den deutschen Fiskus zwischen 2006 und 2011 um 440 Millionen Euro erleichtert haben, zuerst als Beschäftigte der Hypo-Vereinsbank und später als Teilhaber einer eigenen Fondsfirma. Die beiden Angeschuldigten haben nun die Gelegenheit zur Stellungnahme. Danach steht in Bonn wohl der erste Musterprozess in Sachen Cum-Ex bevor, bei dem alles auf den Tisch soll: die Namen von beteiligten Banken, Investoren und Anwälten, das ganze Ausmaß des Cum-Ex-Skandals. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hatte im Mai 2018 die bundesweit erste Anklage gegen fünf frühere Händler und einen Rechtsanwalt im Zusammenhang mit Cum-Ex erhoben. Über die Zulassung dieser Anklage hat das Landgericht Wiesbaden noch nicht entschieden.

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