Cloud-Computing:Alles im digitalen Fluss

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Dresscode casual: John Donahoe, damals noch Chef von Ebay, 2015 mit seiner Frau Eileen bei einer Konferenz im US-Bundesstaat Idaho. (Foto: Blake/Reuters)

Neue Rechenzentren, neue Büros in München und eine klare Ansage: Das Cloud-Unternehmen Service Now will in Deutschland wachsen.

Von Katharina Kutsche, München

Man sollte meinen, es gäbe schon genug Cloud-Anbieter auf dem deutschen Markt - große Player wie Amazon Web Services und Microsoft, Mitspieler wie Strato, ein paar Start-ups. Nun macht sich ein weiteres Unternehmen auf, hier Fuß zu fassen, und mit mehr als 8000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 2,6 Milliarden Dollar ist es kein kleiner Fisch: Service Now. "Deutschland und Japan sind zurzeit unsere zwei wichtigsten strategischen Märkte weltweit", sagt Detlef Krause, seit drei Monaten Deutschland-Chef und verantwortlich für die Expansion.

"Kunden interessieren sich nicht für Technologie, sondern für Geschäftsergebnisse."

Service Now, 2018 vom Magazin Forbes als innovativstes Unternehmen ausgezeichnet, tritt an, digitale Workflows, Arbeitsabläufe also, zu vereinfachen und zu automatisieren. Die Now-Plattform bündelt die drei Produktbereiche IT Workflows, Employee Workflows und Customer Workflows. Während es im ersten Fall darum geht, die Geschäftsführung dabei zu unterstützen, eine moderne IT gut zu managen, richtet sich die zweite Anwendung an Mitarbeiter, die dritte soll professionellen Kundenservice ermöglichen. Das Ziel: Chefs, Kollegen und Kunden ein möglichst positives Nutzererlebnis zu verschaffen. Dieser Fokus hängt wesentlich mit dem Chef von Service Now zusammen. John Donahoe leitete bis 2015 sieben Jahre lang die Auktionsplattform Ebay und deren ehemalige Bezahldiensttochter Paypal.

Der Amerikaner hat Wirtschaft in Dartmouth und Stanford studiert, ist also kein "Techie". Als Hindernis sieht er das nicht, im Gegenteil: "Ich bin darauf fokussiert, was Kunden wollen und wie sie denken. Kunden interessieren sich nicht für die Technologie, sie interessieren sich für Geschäftsergebnisse", sagt Donahoe, der kürzlich die neuen Büroräume des Unternehmens in München besuchte. "Technologie allein ist nicht viel wert, aber sie ermöglicht es uns, Dinge zu tun."

Im Privatleben haben Apps wie Ebay und Paypal, die in einer Cloud laufen, viele Vorgänge vereinfacht, im Arbeitsleben dagegen seien Prozesse oft frustrierend. Donahoe nennt ein Beispiel, das er schon häufiger bemüht hat: Jeder könne sein PayPal-Passwort innerhalb von 20 Sekunden zurücksetzen. Wenn es aber Probleme mit dem Zugang zum dienstlichen E-Mail-Konto gebe, dauere es 20 Minuten. Und auch die Menschen, die in den IT-Abteilungen von Betrieben arbeiten, wollten lieber komplexe Probleme lösen, für die sie ihr Hirn anstrengen müssen, als sich um die Passwörter der Kollegen zu kümmern. Die Frage sei also, wie man diese Abläufe so automatisiert, dass sich alle auf wichtigere Aufgaben konzentrieren können. "Die letzten zehn Jahre waren die mobile Revolution für Konsumenten. Die Revolution der nächsten zehn Jahre wird sein, welchen Einfluss Technologien am Arbeitsplatz haben", so Donahoe.

Um das zu verdeutlichen, zeigt Donahoe eine Employee Workflow-App, die das Onboarding, also das Einarbeiten neuer Mitarbeiter im Unternehmen, erleichtern soll. Normalerweise müssen neue Kollegen ihre Zutrittskarte abholen, ihre persönlichen Daten angeben, sich um ein Laptop kümmern - und das alles an unterschiedlichen Stellen im Betrieb. Service Now fasst das in einer Anwendung zusammen, versteckt die komplexen Vorgänge im Hintergrund, wo unbemerkt vom Nutzer zig Systeme arbeiten und etwa Formulare mit den einmal eingegebenen Daten ausfüllen.

Deutsche Unternehmen wie Siemens, Allianz und Freudenberg IT nutzen die Dienste bereits. Trotzdem ist der deutsche Markt eine Herausforderung. Alle sprechen über die Cloud. Und rund 80 Prozent der Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern arbeiten längst mit Cloud-Infrastrukturen - externen Speicherplätze, Rechen- oder Dienstleistungen. Die Zahlen für alle Firmen sind dagegen in den vergangenen Jahren nur langsam gestiegen und lagen 2017 laut Branchenverband Bitkom bei 66 Prozent. Marktführer bei der Infrastruktur sind Amazon Web Services und Microsoft Azure; wenn es um Cloud-Lösungen wie Software-as-a-service geht, ist Salesforce die Nummer 1. Sich hier zu positionieren, ist nun Aufgabe von Deutschland-Chef Krause: "Wir sind im Vergleich zu anderen Märkten etwas später dran, aber die meisten Unternehmen haben verstanden, wie wichtig die Cloud für sie ist."

Firmen wollen sich nicht mehr nur von einem Anbieter abhängig machen, sondern mehrere strategische Plattformen parallel nutzen. Davon dürfte Service Now profitieren. "Auf dem Infrastruktur-Level arbeiten die meisten mit Amazon Web Services, Azure und Google Cloud. Auf der Ebene darüber nutzen sie Salesforce und SAP, Workday, Office 365 und Service Now", erklärt Donahoe. "Wir stehen nicht im Wettbewerb miteinander, sondern ergänzen uns." Ziel sei es, eine strategische Kernplattform neben den anderen zu sein.

2018 bereits eröffnete das Unternehmen aus dem kalifornischen Santa Clara zwei neue Cloud-Service-Rechenzentren in Düsseldorf und Frankfurt - schließlich ist den meisten Firmenkunden wichtig, ihre Daten auf nationalen Servern zu speichern. Außerdem plant das Team um Krause, die Mitarbeiterzahl bis Ende des Jahres bundesweit zu verdoppeln.

John Donahoe war in seiner Zeit bei Ebay Mitglied des President's Export Council, einem Gremium, das den jeweiligen US-Präsidenten in Handelsfragen berät. Dass der jetzige Amtsinhaber Donald Trump bei Exportthemen auf ihn hören würde, bezweifelt Donahoe: "Um glasklar zu sein: Sowohl ich persönlich, als auch wir im Unternehmen glauben fest an offenen und freien Handel." Technologie sei ein fundamentales und globales Phänomen, "und wir sind der Meinung, dass Ökonomen so offen und transparent miteinander umgehen sollten wie möglich. Das macht uns alle stärker."

© SZ vom 13.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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