Carsharing-Gesetz:Weniger Autos, besseres Leben

Nie zuvor gab es in deutschen Privathaushalten mehr Autos als heute. Die Politik tut also gut daran, Carsharing zu regulieren und zu fördern.

Von Jan Willmroth

Die Entscheidung gegen ein eigenes Fahrzeug in der Stadt ist denkbar einfach geworden. Wer ein Auto kauft und unterhält und dafür ohne Kosten für einen Stellplatz und den Wertverlust etwa 2000 Euro pro Jahr bezahlt, kann inzwischen ziemlich oft Auto fahren, ohne eines zu besitzen. Etwa 30 Cent pro Minute kostet das bei jenen Carsharing-Anbietern, deren Smarts oder Minis man einfach auf einem freien Parkplatz abstellen kann; stationsgebundene Systeme wie Flinkster von der Deutschen Bahn sind in der Regel noch günstiger. Wer nur dann Auto fährt, wenn er wirklich eines benötigt, ist billiger unterwegs.

Das erkennen immer mehr vor allem junge Stadtbewohner, die einen eigenen Wagen einfach nicht brauchen. Der Carsharing-Markt wächst deshalb seit einigen Jahren konsequent: Im vergangenen Jahr hat der Lobbyverband der Carsharing-Anbieter mehr als 1,2 Millionen registrierte Kunden gezählt, ein Viertel mehr als im Jahr zuvor. Stück für Stück stellen die Anbieter mehr Fahrzeuge in den Städten bereit; bis zum Ende des Jahrzehnts könnten es bereits mehr als doppelt so viele sein wie heute.

Es ist gut, das Teilen von Autos zu fördern. Eine grundlegende Reform wäre aber noch besser

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt macht also einen folgerichtigen Schritt, indem er mit dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf die Branche zugleich bundesweit einheitlich regulieren und fördern möchte. Das ist überfällig und endlich einmal ein vernünftiges Element in der ansonsten mittelmäßig effizienten deutschen Verkehrspolitik. Ein solches Gesetz ist vor allem dann sinnvoll, wenn es künftig dabei hilft, Carsharing-Angebote noch schneller populär und flächendeckend verfügbar zu machen.

Denn niemals zuvor gab es in deutschen Privathaushalten mehr Autos als heute. Mehr als 40 Millionen waren es im vergangenen Jahr. Wenngleich der Besitz eines Autos individuell bequem und praktisch erscheint (auf dem Land ist er auch notwendig), belastet es die Summe der Stadtbewohner unnötig, wenn jeder zweite einen eigenen Autoschlüssel zu Hause hat. Die Folgen spüren Pendler, Radfahrer und Fußgänger jeden Tag. Die Staus in Ballungszentren werden verlässlich immer länger. In München, Köln, Hamburg und Stuttgart benötigten Autofahrer 2015 staubedingt jeweils fast ein Drittel länger für ihre Wege als Fahrer in frei fließendem Verkehr. Obwohl die Umweltstandards deutlich schärfer geworden sind, überschreiten immer noch fast die Hälfte der Ballungszentren regelmäßig die Grenzwerte für die Feinstaubbelastung. Nicht zuletzt hat die immer schon am Automobil ausgerichtete Verkehrsplanung den Stadtbewohnern jede Menge Platz geraubt, den sie in vielen Städten heute so dringend als Wohnraum gebrauchen könnten.

Eine Gesellschaft, die sich mit der Zukunft der Fortbewegung in Städten beschäftigt, muss präzise beantworten, wie diese aussehen soll. Ob es etwa wirklich weiterhin zur Freiheit des Bürgers gehören muss, bis an den Rand der Fußgängerzone mit dem Auto fahren zu können. Sollte der Boom der Carsharing-Konzepte tatsächlich dazu beitragen, dass weniger Bürger mit dem eigenen Wagen fahren, ist das Fördergesetz genau der richtige Weg. Weniger Autos bedeuten bessere Luft, kürzere Staus und damit schnellere Fahrten; sie bedeuten weniger Ressourcenverbrauch, mehr Platz und einen weniger gefährlichen Straßenverkehr. Kurzum: Sinkt die Zahl der Autos, steigt die Lebensqualität in Ballungszentren.

Die Initiative von Alexander Dobrindt ist wichtig, weil die Politik damit ein Signal setzt. Nur ist ein Carsharing-Gesetz, das Kommunen noch nicht einmal bindet, zu wenig. Eine wirklich visionäre mobile Zukunft in den Städten muss mehr berücksichtigen als nur das Teilen von Fahrzeugen; sie muss die Fortbewegung der Bürger in ihrer gesamten Struktur aus Autos, Bahnen und Bussen, Rädern und Taxis oder Mitfahrdiensten betrachten. Städte dürfen den Radverkehr nicht länger stiefmütterlich behandeln und tun gut daran, wenn sie den Flickenteppich aus Radwegen und Radfahrspuren auf Straßen endlich beseitigen. Sie tun auch gut daran, wenn sie den Nahverkehr weiter ausbauen und günstig halten.

Alexander Dobrindt täte nun gut daran, endlich das Personenbeförderungsgesetz zu überarbeiten. Darin sind der Taxi- und Nahverkehr noch immer mit Paragrafen aus den Sechzigerjahren geregelt. Die Argumente für eine Reform sind ausgetauscht, eine Liberalisierung des Taximarktes ist überfällig, die zunehmende Vernetzung von Fahrzeugen wird die Art, wie Menschen befördert werden, schon bald radikal verändern. Ein Carsharing-Fördergesetz ist begrüßenswert - eine umfassende Reform wäre es umso mehr.

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