Billiglohnland China:Tumulte an der Werkbank

Apple-Zulieferer Foxconn in der Bredouille: Zehn junge Mitarbeiter haben sich auf dem Fabrikgelände das Leben genommen. Jetzt zieht das Unternehmen die Notbremse - und schraubt die Löhne nach oben.

Marcel Grzanna

Kräftige Lohnsteigerungen in den südchinesischen Sonderwirtschaftszonen lösen möglicherweise eine Lawine im ganzen Land aus. Der Elektroproduzent Foxconn erhöhte nach einer Serie von zehn Selbstmorden in seiner Belegschaft die Einkommen um 65 Prozent. Auch die Stadtverwaltung in Peking zahlt bereits 20 Prozent mehr.

Billiglohnland China: Die chinesische Regierung fürchtet soziale Unruhen als größte Bedrohung für die Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei. Darum erhöht sich wohl auch den Druck auf die Unternehmen. Foxconn hat nun eilig die Gehälter angehoben - und zwar drastisch.

Die chinesische Regierung fürchtet soziale Unruhen als größte Bedrohung für die Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei. Darum erhöht sich wohl auch den Druck auf die Unternehmen. Foxconn hat nun eilig die Gehälter angehoben - und zwar drastisch.

(Foto: afp)

Das Elektrounternehmen Foxconn und der japanische Automobilhersteller Honda waren die ersten Konzerne im südchinesischen Industriegebiet, die ihre Mitarbeiter jetzt deutlich besser entlohnen. Das Gehaltsplus bei den Großen hat viele kleine Fabriken im Perlflussdelta in den Überlebenskampf gestürzt.

Zahlreiche Unternehmer geraten unter Druck, weil auch ihre Angestellten mehr Geld verlangen. Unerwartet großer Kostenzuwachs aber bringt etliche Geschäftsmodelle, die ihren Erfolg jahrelang vor allem auf billige Arbeitskräfte gestützt haben, an den Rand des Ruins.

Drei Gehaltserhöhungen - binnen zehn Tagen

Somit drohen dem chinesischen Exportsektor erhebliche Einbußen, weil die kleinen und mittelständischen Fabriken das Rückgrat der Exportindustrie bilden. Zudem muss sich die Regierung auf eine Schwemme neuer Arbeitsloser und eine höhere Inflation einstellen.

"Jetzt müssen wir auch mehr zahlen, ansonsten laufen mir die Arbeiter weg. Das bedeutet mehr Kosten. Die Gewinnspanne ist aber jetzt schon minimal", sagt Unternehmer Xiao Gongjun der Süddeutschen Zeitung. Seine Firma in Dongguan mit rund drei Dutzend Angestellten bedruckt Geschenkkartons, die ins Ausland exportiert werden.

Am Wochenende hatte Foxconn zum dritten Mal binnen zehn Tagen Gehaltserhöhungen angekündigt. Demnach sollen noch vor Oktober Vorarbeiter und Schichtleiter beim taiwanesischen Produzenten, der auch das iPhone für Apple fertigt, mindestens 2000 Yuan monatlich kassieren, umgerechnet knapp 250 Euro. Das entspricht einer Erhöhung von 65 Prozent. Zuvor war bereits allen normalen Fließbandarbeitern 30 Prozent mehr Geld zugesagt worden.

Foxconn sah sich zu diesen Maßnahmen genötigt, nachdem sich zehn junge Mitarbeiter in diesem Jahr auf dem Fabrikgelände in Shenzhen das Leben genommen hatten. Die Selbstmordserie wird mit schlechten Arbeitsbedingungen in Verbindung gebracht. Die steigenden Grundgehälter sollen den Angestellten nun den Druck nehmen, täglich Überstunden leisten zu müssen und ihnen damit mehr persönlichen Freiraum verschaffen. Bei Honda hatten die Arbeiter mit Hilfe eines Streiks eine Lohnerhöhung von 24 Prozent erreicht.

Politischer Druck

Einige Analysten glauben, dass die schnelle und massive Steigerung der Gehälter auf politischen Druck entstanden ist. Die Regierung fürchtet soziale Unruhen als größte Bedrohung für die Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei. Seit Jahren geht die Einkommensschere drastisch auseinander und die Spannungen zwischen Arm und Reich im Land wachsen. Daher war es wohl kaum ein Zufall, dass Ende vergangener Woche die Pekinger Stadtverwaltung mitteilte, den Mindestlohn in der Stadt um 20 Prozent auf 960 Yuan, knapp 120 Euro, anzuheben. Und das Arbeitsministerium kündigte an, dass in diesem Jahr in fast allen Provinzen und Sonderverwaltungszonen die Mindestlöhne erhöht werden.

Professor Luo Ming Zhong vom Institut für Wirtschaft und Management in Guangzhou ist jedoch skeptisch, ob das ausreicht, um die Einkommenslücke zu verringern. "Dafür sind die Lohnerhöhungen zu gering. Außerdem gab es im vergangenen Jahr überhaupt keine Lohnerhöhungen, was die Zahlen aus diesem Jahr weiter relativiert", sagt Luo. Nach Berechnungen der Deutschen Bank gehen bei zehn Prozent Lohnsteigerung 700.000 Jobs verloren, und die Inflationsrate klettert um 0,4 Prozent. Landesweite Lohnerhöhungen von 20 oder 30 Prozent fordern entsprechend mehr Tribut. Sowohl die Arbeitslosigkeit als auch die Entwertung des Geldes könnte genau jene Unruhe auslösen, die die Regierung unbedingt verhindern will.

Im April war die Inflationsrate auf ungemütliche 2,8 Prozent geklettert. Die Lohnexplosion und die Auswirkungen der monatelangen Dürre im Südwesten des Landes sind dabei noch nicht berücksichtigt. "Wenn wir höhere Kosten haben, müssen wir die an unsere Kunden weiterreichen", sagt Guo Kwok, technischer Direktor von Lung-Cheong-Spielzeug in Dongguan.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: