Big Data:Jäger und Sammler

Neun von zehn Android-Apps geben Informationen ihrer Nutzer an Drittfirmen weiter. Viele der Apps senden Daten nicht bloß an ein Unternehmen, sondern gleich an mehrere, und die sitzen fast immer in den USA.

Von Helmut Martin-Jung

Das Problem ist schon länger bekannt: Viele Smartphone-Apps sammeln Daten der Nutzer ein und reichen Sie an Drittfirmen weiter, die damit zielgenaue Werbeansprache ermöglichen. Doch wie viele Apps sind von dem sogenannten Tracking betroffen, wer sind die Drittfirmen, wie können normale Nutzer feststellen, ob eine App eine Datenschleuder ist?

Zumindest für das am weitesten verbreitete Smartphone-Betriebssystem Android gibt es nun eine großangelegte Studie, und ihre Ergebnisse sind ziemlich erschreckend. Neun von zehn Apps aus Googles Playstore sammeln Daten ein und geben sie weiter. Und die beiden größten Verwerter heißen: Google und Facebook.

Für ihre vor Kurzem veröffentlichte Studie haben Forscher der Universität Oxford und des Reuters Institute for the Study of Journalism knapp eine Million Apps heruntergeladen und deren Code untersucht. Nur etwa zehn Prozent der Apps erfassen demnach keine Daten ihrer Nutzer. Viele der Apps senden Daten nicht bloß an ein Unternehmen, sondern gleich an mehrere.

Die weitaus meisten davon sitzen in den USA. Gut 90 Prozent aller Apps mit mindestens einer Verbindung zu einem Datensammler senden Daten an ein US-Unternehmen. Gut fünf Prozent dieser Apps kommunizieren mit chinesischen Firmen. Überraschungs-Dritter ist Norwegen mit 3,2 Prozent. Deutschland (2,6 Prozent) erscheint an fünfter Stelle, nach Russland (ebenfalls 2,6 Prozent). Gut 88 Prozent aller Apps senden Daten an Google, der auch der Hersteller des Betriebssystems Android ist. Die Stellung von Google ist hier sogar dominanter als bei normalen Computern.

Das Sammeln von Daten ist keineswegs neu, auch auf Computern ist es schon lange üblich. Doch während sich Nutzer dort besser wehren können, haben sie bei ihren Smartphones kaum eine Chance. Das Problem wird noch verschlimmert dadurch, dass PCs oft von mehreren Menschen genutzt werden, Smartphones dagegen sind sehr persönliche Geräte. Durch ihre zahlreichen Sensoren und die vielfältigen Funktionen, die sie erfüllen, sind die Daten, die über sie gesammelt werden, von höherem Wert als die von normalen Computern.

Dabei gilt: Je mehr Daten von möglichst vielen Nutzern ein Unternehmen sammeln kann, desto genauer kann es mit Big-Data-Algorithmen Einstellungen, Vorlieben und mögliches künftiges Verhalten der Nutzer berechnen und prognostizieren. Für Werbetreibende ist das von höchstem Interesse, weil sie damit ihre potenziellen Kunden genauer ansprechen können als früher.

Wie die Forscher um Reuben Binns feststellten, sind die meisten Apps mit mehreren Datensammel-Firmen verknüpft, die wiederum oft zu unterschiedlichen Mutterfirmen gehören. Die Forscher empfehlen daher Regulatoren, sich weniger auf Apps zu stürzen als auf die Firmen, die hinter den Datensammlern stehen. Einige der angewandten Praktiken könnten direkt gesetzeswidrig sein, so etwa die Erstellung von Profilen bei Kindern. Die europäische Datenschutzgrundverordnung verbietet das, wenn durch Verhaltensanalyse signifikante Effekte auf die Nutzer entstehen können. Ob eine Beeinflussung durch zielgenaue Werbung ein signifikanter Effekt ist, muss wohl politisch entschieden werden.

Und eines machen die Forscher auch klar: Die Sache mit den Trackern zu regulieren, sei äußerst komplex. Zum einen, weil viele Akteure beteiligt sind - Nutzer, Gerätehersteller, Betriebssystemhersteller, die Entwickler der Apps und die Tracking-Firmen. "Eine wirksame Regulierung", so beschließen die Forscher ihre Studie, "erfordert Zusammenarbeit zwischen den Regulatoren und dieser Myriade anderer Akteure."

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