Bericht über Amazon-Mitarbeit:Düsterer Blick ins Innere von Amazon

Lesezeit: 3 min

  • Eine New-York-Times-Reportage zeichnet ein unschönes Bild vom Arbeitsalltag bei Amazon.
  • Die Reportage basiert auf der Befragung von Amazon-Mitarbeitern.
  • Firmen-Chef Jeff Bezos zeigt sich von den geschilderten "Anekdoten" schockiert. Er erkenne seine Firma darin nicht wieder.

Von Franziska Schwarz

Ist das Arbeitsklima bei Amazon zu hart? Zwei Reporter der New York Times (NYT) haben ein vielbeachtetes Stück über die Zentrale des US-Konzerns in Seattle publiziert. Dafür haben Jodi Kantor und David Streitfeld nach eigener Aussage mehr als 100 aktuelle und frühere Mitarbeiter befragt, Mitglieder des Führungsteams, Personalverantwortliche, Vermarkter, Handelsexperten oder Ingenieure. Ausgedruckt ist der Text zwölf DIN A4-Seiten lang - und wurde allein in zwei Tagen mehr als 1500 Mal kommentiert.

80-Stunden-Wochen und Emails nach Mitternacht

Viele Aussagen der Befragten klingen drastisch: Überstunden, auch nachts erreichbar sein, selbst im Urlaub den Laptop nicht zuklappen wollen. Eine Mitarbeiterin soll vier Tage durchgemacht haben, Mitarbeiter am Schreibtisch weinen. Ein gängiger Witz sei angeblich, dass in Sachen Work-Life-Balance, "die Arbeit zuerst kommt, das Leben als zweites und die Balance als letztes". Denn die Konkurrenz schläft nicht. 40-Jährige hätten Angst, von 30-Jährigen ausgebootet zu werden, und die 30-Jährigen fürchteten bereits die 20-Jährigen, wird ein Mitarbeiter zitiert.

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Bessere Leistung dank Daten-Auswertung?

Firmen-Chef Jeff Bezos erklärte einmal, dass er am liebsten Meetings hat, bei denen zwei Pizzen für alle reichen - soll heißen: Bloß nicht mit zu vielen Menschen diskutieren. Er managt seine Mitarbeiter lieber mithilfe von Daten, so die NYT. So bleibe es dem Konzern wegen der Digitalisierung etwa nicht verborgen, wie effektiv zum Beispiel Entwickler arbeiten oder ob ein Verkäufer seine Lagervorräte schlecht geplant hat.

Was die digitalen Daten nicht hergäben, das verrieten die konkurrierenden Kollegen - es gäbe eine Kultur des Petzens und Anschwärzens. Gefördert auch durch das sogenannte "Anytime Feedback Tool", ein Programm, um Lob oder Kritik an den Kollegen schnell an die Vorgesetzten zu senden. Das Problem: Die Kritisierten bekämen das nicht mit und könnten sich schlecht wehren. Amazon-Sprecher Craig Berman erwiderte den Journalisten dagegen, das meiste Feedback sei positiv.

Während viele Tech-Firmen ihre Familienpolitik gerade verbessern, seien Frauen bei Amazon im Nachteil: Der NYT-Artikel schildert Fälle, wo Mitarbeiterinnen wegen der Geburt eines Kindes oder Pflegefällen in der Familie fallengelassen oder zurückgestuft wurden. Auf diese Vorwürfe antwortete Berman, dass diese Fälle nicht bekannt seien und auch gegen die Firmenrichtlinie verstießen.

"Für uns war die Arbeit wie eine Droge"

Das Widersprüchliche an den Zitaten der Amazon-Mitarbeiter: Sie klingen oft auch enthusiastisch, viele fühlten sich bei dem Konzern motiviert. "Für uns war die Arbeit wie eine Droge, aus der wir Selbstwert bezogen", sagt eine Frau. Und eine berichtet stolz, wie sie den Prime-Service mitentwickelte und dadurch einem Kunden eine seltene Disney-Sammelpuppe geliefert werden konnte - in nur 23 Minuten. Man wolle "praktische Bedürfnisse erfüllen" und das fühle sich einfach "futuristisch und magisch an", sagt ein weiterer Mitarbeiter. Und: "Man kann sich darauf verlassen, dass ehrliches Feedback kommt."

Das könnte an den 14 Arbeitsprinzipien von Amazon liegen, nachzulesen hier. So sollen die Mitarbeiter etwa "kundenfixiert", "offen selbstkritisch", aber auch mutig genug sein, Entscheidungen "respektvoll anzufechten". Tatsächlich sagten Personaler den Journalisten auch, dass ehemalige Amazon-Mitarbeiter wegen ihrer Arbeitsethik extrem begehrt seien.

Die Mehrzahl der Leser reagiert in den Kommentaren zum Artikel empört - doch es gibt auch die, die resigniert oder zynisch anmerken, dass unsere Arbeitswelt inzwischen eben so sei. Tatsächlich sind Überstunden, Stress und ständiger Konkurrenzkampf auch in anderen Branchen üblich. 2014 hatte es eine heftige Diskussion gegeben, nachdem es in London zwei Todesfälle unter Bankern gegeben hatte. Dennoch: Amazon zieht weiter Mitarbeiter an, wird ihre Zahl in Seattle in den nächsten drei Jahren mutmaßlich verdreifachen. Zurzeit sind es weltweit mehr als 180 000.

Jeff Bezos' Reaktion auf den NYT-Artikel

Inzwischen hat Bezos auf den Artikel reagiert und intern eine Rund-E-Mail verschickt. Er schreibt darin, der Text stütze sich auf Anekdoten und zeichne "nicht das Amazon, das ich kenne". Weiter fordert Bezos die Mitarbeiter auf, ihn zu benachrichtigen, falls sie Fälle wie sie in der NYT geschildert werden, kennen: "Wir dürfen solchen Mangel an Empathie in unserer Firma nicht dulden." Auch das beschriebene Arbeitsklima will Bezos nicht erkannt haben. "Ich glaube nicht, dass irgendeine Firma mit einem solchen Vorgehen überleben könnte", schreibt er und äußert die Hoffnung, dass auch die Mitarbeiter Amazon in dem Artikel nicht wiedererkennen.

Kritik aus der Tech-Branche an den Reportern

In der Branche wird der Blick ins Innere von Amazon kontrovers diskutiert. Forbes-Autor Georg Anders nimmt Bezos zwar in Schutz, schreibt aber, dass er Amazon-Ehemalige kenne und an der "halsbrecherischen Geschwindigkeit" dort sicher etwas dran sei.

Peter Kafka vom Technologie-Portal Recode hält fest, dass einige aus der Branche die Aussage des Artikels in Zweifel zögen. So bemängelte Twitter-Chef Dick Costolo, die Aussagen der Mitarbeiter seien "eindeutig aus dem Kontext" gerissen.

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Netscape-Mitgründer Marc Andreessen wiederum ist der Meinung, im Vergleich zu Amazon würden viele andere Jobs die Menschen unterfordern und die deshalb "ihr Potential nicht nutzen".

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Der Tenor: Gerade im Silicon Valley, Ursprung des Mythos der Garagenfirmen und Selfmade-Millionäre, arbeiteten die Kreativen eben in einem "intensiven Umfeld". Worauf Kafka anmerkt: Amazon sei schon lange kein Startup mehr.

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde um das Statement von Jeff Bezos an seine Mitarbeiter aktualisiert.

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