Bavaria One:Bayerische Staatsregierung schießt sich selbst auf die Rückseite des Mondes

Protest gegen Markus Söder uns seine Raumfahrt-Pläne

Ein Protestschild bei der "Jetzt gilt's"-Demo am Tag der Deutschen Einheit in München

(Foto: imago/ZUMA Press)

Echte Astronauten belächeln Söders Weltraumplan "Bavaria One". Das ist ärgerlich - denn eigentlich braucht sich Bayerns Raumfahrtindustrie nicht zu verstecken.

Kommentar von Dieter Sürig

Als der europäische Raketenhersteller Ariane Group im Sommer in Ottobrunn bei München ein neues Triebwerk präsentierte, da stand etwas abseits auch ein mehrere Meter hohes Raketenmodell mit der Aufschrift "Bavaria One Konzept". Es symbolisierte, was Bayerns Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer im Auftrag seines Chefs Markus Söder verkaufen sollte: Bayern soll der führende Raumfahrtstandort Europas werden. Das Modell wirkte zusammengezimmert und erinnerte ein bisschen an die Rakete aus dem Comic "Tim und Struppi".

Das mag für das ganze Konzept von "Bavaria One" gelten. Es umfasst die Umwandlung der bereits bestehenden Münchner Raumfahrt-Lehrstühle an der TU in eine richtige Fakultät, mehr Geld für die Forschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen sowie eine Teststrecke für das Transportsystem Hyperloop. Eine Studentengruppe der TU-Raumfahrttechnik hat zwar mehrere Hyperloop-Wettbewerbe des kalifornischen Tausendsassas Elon Musk gewonnen, mit echter Raumfahrt hat die U-Bahn in Vakuumröhren aber wenig zu tun. Da hat jemand, der dringend Erfolg sucht, mehrere Konzepte aus verschiedenen Schubladen gezogen, sie zu einer "Mission Zukunft" zusammengemengt und "Bavaria One" darüber geschrieben.

Gerade in Wahlkampfzeiten mag man es noch durchgehen lassen, dass lange vorhandene Träume an der TU und am Raumfahrtstandort München per Dekret aus der Staatskanzlei erfüllt werden. Doch mit dem Söder-Logo der Jungen Union - es zeigt den Kopf des Ministerpräsidenten mit den Worten "Bavaria One" darüber und "Mission Zukunft" darunter - hat sich die Partei mit voller Schubkraft selbst auf die Rückseite des Mondes geschossen. Das Logo soll wohl an die Missions-Embleme erinnern, welche die Nasa und die Esa für jede Raumfahrtmission entwerfen. Auch Alexander Gerst, der gerade das Kommando über die Raumstation ISS übernommen hat, trägt ein solches Logo auf seinem blauen Overall. Allenfalls Möchtegern-Astronauten kämen aber auf die abstruse Idee, dort auch ihr Konterfei zu zeigen. Zumal Raumfahrt mittlerweile eine internationale Gemeinschaftsleistung geworden ist - und sicher kein Alleingang eines Selbstdarstellers ohne Kontrollzentrum.

Auf dem weltweit größten Raumfahrtkongress IAC, der gerade in Bremen stattfindet, treten echte Astronauten auf. Das Söder-Konzept wird dort eher belächelt als ernst genommen. Genau das ist der Bärendienst, den der Ministerpräsident Bayern gerade erweist. Unabhängig davon, welche Motive er damit wirklich verfolgt - er schadet dem Weltraumstandort München.

Dass der International Astronautical Congress (IAC) nach 2003 zum zweiten Mal in Bremen stattfindet, hat seinen guten Grund. Der weltweit größte Branchentreff findet immer auf einem anderen Kontinent statt. München war mal 1979 dran. Man könnte sagen: Bremen hat Bayern den Rang abgelaufen.

Dabei braucht sich München nicht zu verstecken. In Ottobrunn - und auch in Augsburg - werden ebenso Komponenten für die europäische Trägerrakete Ariane und das Satelliten-Navigationssystem Galileo gebaut, wie in Bremen. Beim DLR in Oberpfaffenhofen befinden sich die Kontrollzentren für das europäische ISS-Labor Columbus und für Galileo. Und ein Esa-Gründerzentrum, wie es nun auch in Bremen eröffnet werden soll, gibt es hier längst. Mit Firmen wie Airbus, Ariane Group und OHB sowie einer großen Raumfahrtfakultät hätte München die Kompetenz dafür, richtig aufzuholen - aber nur ohne peinliche Begleitmusik aus der Staatskanzlei.

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