Tarifkonflikt zwischen Bahn und GDL:Vielleicht hilft die Erschöpfung

Streik der Lokführer

Im Streit zwischen der Bahn und der GDL gibt es kein Argument, das nicht schon durchgekaut worden wäre.

(Foto: dpa)

GDL-Chef Weselsky erklärt sich zu einer Schlichtung bereit - und ruft den nächsten Streik aus. In der verkorksten Beziehung zwischen Bahn und Lokführergewerkschaft helfen Argumente jetzt nicht mehr weiter.

Kommentar von Detlef Esslinger

Wie auch immer der Bahnkonflikt weitergehen wird, vorhersagen kann man, wie er sicher nicht mehr gelöst werden wird: mit Hilfe von Argumenten. Nach zehn Monaten und acht - bald neun - Streiks ist ausgeschlossen, dass in irgendeiner Ecke irgendeines Verhandlungsraums ein Argument herumliegt, das noch nicht zum Einsatz gekommen und rauf und runter verwendet worden wäre.

Wenn es mittlerweile die Spur eines Fortschritts gibt, dann die: dass sich am Montag zum ersten Mal nicht nur der Vorstand der Bahn, sondern auch GDL-Chef Claus Weselsky zu einer Vermittlung durch einen Dritten bereiterklärt hat. Doch diese Spur ist in Wahrheit allenfalls ein Spürchen. Denn wann hat es das jemals gegeben, dass zwei Kontrahenten zwar einer Schlichtung zustimmen, der eine von ihnen aber trotzdem zum Streik aufruft - und zwar deshalb, weil die beiden sich über das Verfahren dorthin nicht verständigen können? Sollte sich, pardon, unter Erwachsenen nicht wenigstens so etwas regeln lassen? So verkorkst war schon ewig keine Beziehung mehr, zumindest seit die Komantschen über die Apatschen herfielen, ach was, seit die Familien Montague und Capulet die Welt betörten.

In Wahrheit ist der Streik unbefristet

Dieser neue, der neunte Streik, ist in Wahrheit unbefristet. GDL-Chef Weselsky nennt ihn nur aus einem einzigen Grund nicht so: weil er im Falle eines unbefristeten Streiks damit rechnen müsste, dass die Arbeitsgerichte ihn als unverhältnismäßig verbieten. Exakt dies hatte das Landesarbeitsgericht Hessen vor einem halben Jahr für den Fall einer unbefristeten Arbeitsniederlegung angedeutet.

Wie geht es nun weiter? Abgesehen von der Variante Schlichtung/Vermittlung sind im Grunde nur diese Möglichkeiten denkbar: Entweder wird den Lokführern ihr Streik allmählich selber zu blöd und zu teuer. Wer will schon dauernd auf Streikgeld als Einkommensquelle zurückgeworfen sein, nur weil die Gewerkschafter sich im Gestrüpp ihrer Taktik verrannt haben?

Oder dieser Streik geht dermaßen ans Image der anderen Gewerkschaften, die wie die GDL im Beamtenbund organisiert sind, dass diese der GDL ihre finanzielle Unterstützung entziehen. Oder die Bahn wagt doch noch einmal den Gang vor die Arbeitsgerichte. In der Hoffnung, dass Richter in den Streiks nun jene Unverhältnismäßigkeit erkennen, die sie vor einem halben Jahr nicht sahen.

Oder Bundesverkehrsminister Dobrindt entwickelt noch den Tatendrang seines Vorvorgängers Tiefensee, der vor acht Jahren die Kontrahenten von Bahn und GDL so lange mit Rotwein bearbeitete, bis sie unterschrieben. Wo keine Argumente mehr sind, hilft vielleicht Erschöpfung.

Oder aber die Menschheit löst zunächst die einfachen Probleme: Nahostkonflikt, Klimawandel, Länderfinanzausgleich. Danach wäre hoffentlich noch etwas Zeit für die Bahn.

Auch per Mail bestens informiert: Diese und weitere relevante Nachrichten finden Sie - von SZ-Autoren kompakt zusammengefasst - in unserem Morgen-Newsletter SZ Espresso (Montag bis Samstag). Hier bestellen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: