Automobilindustrie:Notstopp fürs Fließband

Finanzkrise trifft Realwirtschaft: Die weltweite Automobilindustrie kränkelt gewaltig - wegen fehlender Nachfrage drosseln die Hersteller jetzt ihre Produktion.

Kim Bode

Wenn bei einem Autohersteller das Fließband stillsteht, dann muss das schon einen triftigen Grund haben. Für die VW-Tochter Skoda gibt es den: "Die Konsequenzen der Finanzkrise haben negative Auswirkungen auf den europäischen Markt", sagte Skoda-Sprecher Jaroslav Cerny. Im Klartext: Der Autohersteller wird als Folge der globalen Finanzkrise voraussichtlich weniger Fahrzeuge absetzen können als ursprünglich geplant. Deswegen setzte der tschechische Fahrzeughersteller seine Produktion am vergangenen Freitag für einen Arbeitstag weitgehend aus. Einzige Ausnahme: der neue Superb, bei dem die Produktion erst angelaufen ist.

Automobilindustrie: Stillstand im Skoda-Werk: Die Finanzkrise zwingt auch europäische Autohersteller zum Produktionsstopp.

Stillstand im Skoda-Werk: Die Finanzkrise zwingt auch europäische Autohersteller zum Produktionsstopp.

(Foto: Foto: AP)

Ein weiteres Mal sollen die Bänder Ende Oktober stillstehen. Damit will Skoda im Jahr 2008 rund 2500 Autos weniger als geplant fertigen. Noch im letzten Jahr hatte der größte tschechische Exportbetrieb mit rund 630.000 verkauften Fahrzeugen einen Absatzrekord gemeldet.

Produktionsrückgang erwartet

Rasend schnell hat die Finanzkrise nun auch die Automobilindustrie getroffen. "Der Produktionsstopp bei Skoda passt genau ins Bild", sagt der Direktor des Center for Automotive Research an der Fachhochschule Gelsenkirchen, Ferdinand Dudenhöffer. "Wir rechnen damit, dass die Produktion im nächsten halben Jahr um gut zehn Prozent zurückgehen wird."

Den US-Makt hat es bereits früher und heftiger getroffen: "Der amerikanische Automarkt ist total am Boden", sagte Dudenhöffer zu sueddeutsche.de. "Die drei großen Hersteller General Motors, Ford und Chrysler kämpfen ums Überleben. Wir gehen davon aus, dass dieses Jahr rund zwei Millionen weniger Autos in den Staaten verkauft werden." Zwei Millionen Fahrzeuge - das sind umgerechnet rund 16 Prozent. Unlängst habe die Krise auch Europa erreicht: Auf die Automobilbranche würden "schwierige Zeiten" zukommen, mit etlichen Entlassungen müsse gerechnet werden.

Sehr schlechte Geschäftserwartungen

"Es hat die Automobilindustrie kalt erwischt", sagt auch Klaus Abberger vom Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo). "Das ist ein Schock für die Branche." Der Fahrzeugbau sei ein schnelles Geschäft und damit besonders sensibel. Ein "deutlicher Dämpfer" ereilte die Hersteller von Kraftwagen und -teilen im September: Bei der monatlichen Ifo-Befragung gaben sie einen allgemeinen Produktionsrückgang von minus 25,7 Punkten im Vergleich zum Vormonat an, für die Produktionspläne über die nächsten drei Monate noch einmal minus 25,4.

Die Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate werden mit minus 57,3 Punkten besonders schlecht eingeschätzt. Zusammen mit der derzeitigen Geschäftsbeurteilung ergibt das für den September ein Geschäftsklima von minus 30,2. Auch die Exporterwartungen für die nächsten drei Monate liegen mit minus 25 deutlich unter dem Durchschnitt.

Lesen sie auf der nächsten Seite: Das 25 Milliarden Dollar schwere Rettungspaket der US-Regierung für die Automobilindustrie.

Notstopp fürs Fließband

So schlechte Zahlen verzeichnete das Ifo-Institut in der Automobilbranche seit Anfang der neunziger Jahre nicht mehr. "Hier wirken jetzt zwei Umstände zusammen", sagt Volkswirt Abberger. "Zum einen der zurückgehende Auslandsabsatz sowohl in den USA, aber auch in vielen europäischen Ländern, in denen die Auswirkungen der Banken- und Immobilienkrise deutlich zu spüren sind. Und zum anderen die anhaltenden Diskussionen um das Thema Energie."

Rettungspaket für amerikanische Autohersteller

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch der Verband der Automobilindustrie (VDA): Bereits im August und damit noch vor der Zuspitzung der Finanzkrise lag der Pkw-Absatz 16 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Dies sei auf die "sich weiter abschwächende Konjunktur" sowie deutlich gestiegene Verbraucherpreise zurückzuführen.

Insbesondere die Autoverkäufer in den stark von der Krise gebeutelten Ländern Großbritannien (minus 19 Prozent), Italien (minus 26 Prozent) und Spanien (minus 41 Prozent) registrierten starke Rückgänge.

In den USA will die Regierung nach der Finanzbranche nun auch den strauchelnden Autoherstellern unter die Arme greifen. Am Mittwoch stimmte das US-Repräsentantenhaus einem Entwurf zu, der zinsgünstige Kredite von 25 Milliarden Dollar für die Hersteller vorsieht.

Der größte Lastwagenproduzent Daimler wertet das Hilfspaket als einen Hinweis dafür, wie schlecht es der amerikanischen Autobranche geht. "Das ist ein Zeichen, dass die US-Hersteller nicht weiterkönnen", sagte der Chef der Daimler-Nutzfahrzeugsparte, Andreas Renschler.

"Verzerrung im internationalen Wettbewerb"

Deutsche Hersteller kritisieren die Finanzspritze: "Das bringt eine Verzerrung im internationalen Wettbewerb", sagte VDA-Chef Matthias Wissmann. Der Autoteilehersteller Bosch begrüßte hingegen das Vorhaben der US-Regierung: Nach der Hunderte Milliarden Dollar teuren Rettung des Finanzsystems sehe sich der amerikanische Staat nun in der Pflicht, auch für die darbende Autobranche einzuspringen, was nun den - auch für Bosch wichtigen - US-Markt stabilisieren könnte, erläuterte Bosch-Chef Franz Fehrenbach weiter.

Wie lange dieser Optimismus währt, ist allerdings fraglich. Denn auch wenn die Branche sich mit den Krediten etwas erholen sollte, so brauchen die Autohersteller weltweit vor allem zahlungsfreudige Käufer. Und diese haben zurzeit häufig wohl eher das Bedürfnis nach finanzieller Sicherheit, als nach einem neuen Auto.

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