Auswirkung der Havarie auf die Kreuzfahrt-Branche:"Der Boom geht weiter"

Die Havarie der "Costa Concordia" trifft eine stark wachsende Branche. Sorgen die Horrorbilder vom gekenterten Schiff oder verstörten Reisenden nun für das Ende eines einträglichen Geschäfts? Experten bezweifeln dies, denn Urlauber haben zumeist ein kurzes Gedächtnis.

Kristina Läsker, Hamburg

Es ist das schlimmste Unglück eines Kreuzfahrtschiffs seit dem Untergang der Titanic im April 1912. Bei der Havarie der Costa Concordia vor der italienischen Küste ist die Zahl der Toten im Laufe des Dienstags auf mittlerweile elf (Anm. d. Red. nach Redaktionsschluss der SZ) gestiegen. Noch immer werden Passagiere vermisst, darunter mehrere Deutsche. Mehr als 4000 Menschen sind in Sicherheit gebracht worden, so viele wie nie zuvor.

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Auf der Aida in der Sonne liegen? Der Boom geht weiter, sind sich Experten sicher.

(Foto: dapd)

Doch wer glaubt, dass die Horrorbilder vom gekenterten Schiff oder verstörten Urlaubern für einen Rückgang bei Kreuzfahrten sorgen werden, der irrt.

Das meinen zumindest etliche Experten. Die Havarie werde den Boom von Urlauben auf hoher See kaum beeinträchtigen, heißt es beim Verband Deutscher Reeder (VDR). "Wir gehen nicht davon aus, dass dieser Trend von dem aktuellen Unglück beeinflusst wird", sagt ein Sprecher. "Der Boom geht weiter", heißt es unisono beim Deutschen Reiseverband (DRV). Meist hätten Brände, Kollisionen und Kenterungen einen "eher kurzfristigen Effekt auf das Buchungsverhalten", meint auch Alexis Papathanassis, Professor für Kreuzfahrtmanagement an der Universität Bremerhaven.

Sie sprechen aus, was in der Branche viele wissen: Ob Tsunami, Aufstände oder Erdbeben - das Gedächtnis von Urlaubern ist kurz. Wie kurz es dieses Mal ist, dürfte von den Schiffsbetreibern abhängen, meint der Hamburger Kreuzfahrtexperte Helge Grammerstorf. Künftig werde es nicht mehr ausreichen, Urlauber allein mit Südsee-Atmosphäre, Wellness-Angeboten und edlem Essen zu locken. Anbieter müssten erstmals offen über ihre Sicherheitskonzepte sprechen. "Reeder müssen erklären, wie sicher der Urlaub auf ihren Schiffen ist."

Doch das würde eine Diskussion anheizen, die bislang kaum öffentlich geführt werde, meint Professor Papathanassis. "Wir müssen darüber diskutieren, ob die vorhandenen Sicherheitskonzepte für Megaschiffe wie die Costa Concordia ausreichen." Doch solche Gespräche würde sich die Branche lieber ersparen: Schließlich werden die schwimmenden Hotels gern mit blauem Meer und weißen Wölkchen vermarktet. Über Riffs, Orkane oder gar menschliches Versagen beim Steuern der Pötte möchte niemand gerne sprechen. Aus Sicht des Verbands Deutscher Reeder sei eine solche Diskussion gar nicht nötig: "Die Sicherheitskonzepte sind detailliert und ausgereift", so der Sprecher. Crews auf Kreuzfahrtschiffen wie der Costa Concordia würden häufig den Ernstfall üben.

Tatsächlich geht es um viel Geld: Während der Pauschaltourismus an Land oft kaum noch Profit abwirft, bescheren die Kreuzfahrten den Konzernen attraktive Renditen. Zudem boomen sie so sehr wie keine andere Urlaubsform sonst. Im vergangenen Jahr sind die Erlöse mit Hochsee- und Flusskreuzfahrten dem Deutschen Reiseverband zufolge um zwölf Prozent gestiegen. Auch die Passagierzahl habe erneut deutlich zugelegt, sagte der Sprecher. Genaue Zahlen will der Verband im März vorlegen.

2010 war der Umsatz mit Urlauben auf hoher See hierzulande um sieben Prozent auf mehr als zwei Milliarden Euro gestiegen. Etwa 1,2 Millionen Deutsche haben damals eine Kreuzfahrt auf hoher See gebucht - ein Plus von 19 Prozent.

Der Erfolg ist hausgemacht: Die Branche hat das Image von Kreuzfahrten zuletzt kräftig poliert. Längst gelten Urlaube auf See nicht mehr als muffig, längst sind sie keine Veranstaltung mehr für betuchte Rentner. Der Grund: Die Anbieter locken erfolgreich jüngere Menschen an Bord. So ist der Altersdurchschnitt beim deutschen Marktführer Aida Cruises inzwischen auf 42 Jahre gesunken. Die Firma aus Rostock macht vor, wie es gehen kann: Auf ihren Schiffen bietet sie bezahlbare Urlaube, wie sie auch in Robinson-Clubs und vergleichbaren Anlagen zu finden sind. Es sind abgeschottete Ferien mit Sportangeboten, gutem Essen, Kinderbetreuung und Shows. "Vielfach machen die Menschen heute Cluburlaub auf See", sagt der Sprecher vom Verband Deutscher Reeder.

Damit auch Familien buchen, werden die Preise auf ein Minimum gesenkt. Die günstigsten Kreuzfahrten seien für 50 Euro am Tag zu haben, sagt Experte Grammerstorf. Das Geld verdienen Konzerne bei solchen Preisen mit anderen Dingen: mit zusätzlich bezahlten Cocktails an Bord, extra gebuchten Massagen im Wellness-Center oder mit Ausflügen an Land. Daneben haben sich einige Anbieter auf hochpreisige Reisen für Vermögende und Expeditionen an entlegene Orte der Erde spezialisiert. Solche Urlaube kosten bis zu 500 Euro und mehr pro Tag - und sie sind schicker denn je. Für beide Geschäfte setzen die Anbieter vor allem auf die Deutschen: Denn während hierzulande jährlich erst 1,5 Prozent der Bevölkerung ihre Ferien auf See verbringen, sind es in den USA bereits fünf Prozent.

Während die Anbieter weiter hoffen, dass ihnen die Havarie der Costa Concordia nicht das Sommergeschäft verdirbt, kommen auf Costas Mutterkonzern Carnival Corporation hohe Kosten zu. Weit mehr als 100 Millionen Dollar (knapp 79 Millionen Euro) muss der US-Konzern nun abschreiben. Carnival rechnet mit bis zu 95 Millionen Dollar Umsatzausfall für 2011. Dazu kommen die Kosten für einen Neubau und der Schadenersatz für Opfer - denn die Versicherungen werden wohl nur einen Teil davon übernehmen.

Costa Kreuzfahrten

Die wichtigsten Unternehmen

Die italienische Reederei Costa Kreuzfahrten (Costa Crociere) betreibt 15 Schiffe und ist der größte Anbieter von Kreuzfahrten in Europa. Mit der havarierten Costa Concordia hatte der Schiffsbetreiber bisher eine Flotte von 15 Kreuzfahrtschiffen und einer Kapazität für etwa 40.800 Passagiere. Die Costa-Schiffe fahren alle unter italienischer Flagge und sind vorrangig im Mittelmeer, in Nordeuropa und in der Karibik unterwegs. Seit 2000 gehört Costa zum Weltmarktführer Carnival Corporation. Diese amerikanisch-britische Gruppe hat einen weltweiten Marktanteil von mehr als 50 Prozent.

Aida Cruises

Mit acht Schiffen ist Aida Cruises mit Abstand der Marktführer in Deutschland. Nach einigen Besitzerwechseln gehört die Rostocker Firma mit ihren 5500 Mitarbeitern - ebenso wie Costa Kreuzfahrten - dem amerikanisch-britischen Marktführer Carnival. Dieser investiert kräftig: Seit fünf Jahren schickt er jedes Jahr ein neues Schiff auf See. Die Schiffe, mit Namen von Aidablu bis Aidasol haben ein unverwechselbares Design: Ein roter Kussmund schmückt ihren Bug. Das Geheimrezept von der Ostsee: Aida hat es geschafft, auch jüngere Urlauber an Bord zu holen.

Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten

Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten sind nichts für Otto-Normal-Verdiener. Auf dem Luxusdampfer MS Europa kostet eine Reise durchschnittlich 550 Euro pro Tag und Person. Das kann sich nicht jeder leisten. Die meisten Gäste der Hamburger Reederei sind daher betuchter - und meist auch älter. Als Zielgruppe gibt die Reederei "55 plus" an. Experten schätzen, dass etwa eine Million solcher vermögender Passagiere im vergangenen Jahr auf einem der vier Schiffe einen Urlaub verbracht haben. "Wir sind führend bei Luxusreisen im deutschsprachigen Raum", sagt eine Sprecherin.

Tui Cruises

Tui Cruises hat zuletzt glänzende Profite erzielt. Denn der Hamburger Anbieter verkauft Luxusreisen auf Schiffen und Expeditionen und diese erreichen - im Gegensatz zu Pauschalreisen an Land - weit höhere Gewinnmargen. Der Betreiber von Mein Schiff und Mein Schiff 2 gehört der Tui AG und der US-Firma Royal Caribbean. Die amerikanische Gruppe ist die weltweite Nummer zwei bei Kreuzfahrten. Weil Tui Cruises zuletzt fast komplett ausgebucht war, wird nun die Flotte auf drei Dampfer ausgebaut. Ein fast 300 Meter langes neues Schiff mit 1250 Kabinen ist bestellt und soll im Jahr 2014 ausgeliefert werden.

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