Abgasaffäre:Bei Audi liegt der Fehler im System

Audi

Immer noch gibt es in Ingolstadt größere Widerstände gegen die Veränderungen: Einige würden lieber so weitermachen wie bisher.

(Foto: dpa)

Bei den Autoherstellern muss sich Grundlegendes ändern. Trotzdem sind die Widerstände etwa bei Audi groß. Konzernchef Schot muss jetzt endlich hart durchgreifen.

Kommentar von Max Hägler

Immer schon ist sie eine ganz besondere gewesen, die Welt der deutschen Automobilmenschen - in Lebensart und Auftreten. Weil man mit die besten, schnellsten und teuersten Wagen der Welt baut und daran Hunderttausende Jobs hängen, fühlte man sich sakrosankt. Gerade bei Volkswagen, wo man gern von einem "Reich" spricht, immer noch übrigens. Der lange wirtschaftliche Erfolg. Reichlich sechsstellige Gehälter für Führungskräfte. Mitsprache bei der Gesetzgebung in Berlin und Brüssel. Firmeneigene Flugzeug-Shuttles zwischen den Fürstentümern Stuttgart (Porsche), Ingolstadt (Audi) und Wolfsburg (VW). Es ist ein Leben auf großem Fuße, das sogar zum Dichten einlädt, wie man nun nach Recherchen von BR und Handelsblatt als neue Stilblüte erfährt.

Ein Audi-Mann schrieb, als die Abgasaffäre ihren Lauf nahm, frei nach Goethe: "Defeat Device, komm her zu mir. Gar schöne Spiele spiel ich mit dir. Manch' Schweinerei liegt auf der Hand, die ich will verdecken mit dem Hystereseband." Wenn man nicht nur Unrecht tut, sondern es wagt, derart über die Regeln der Gesellschaft zu spotten, und sei es selbstkritisch, liegt der Fehler im System, also bei den Gesamtverantwortlichen. Und nicht nur bei einzelnen wenigen. Insofern ist die Härte, mit der die Staatsanwaltschaft München II in Ingolstadt gerade gegen Vorstandsleute ermittelt, völlig angemessen. Demnächst ist im Fall Audi konsequenterweise mit einer Anklage zu rechnen, auch gegen den langjährigen Vorstandschef Rupert Stadler. Gegen dessen Vorgänger und späteren Volkswagen-Konzernchef Martin Winterkorn liegt im Fall VW bereits eine Anklage vor.

Nun stammen diese Reimzeilen - es sind insgesamt acht Strophen - aus dem Jahr 2003, das ist lange her. Und es ist nun auch schon bald vier Jahre her, dass die Sache mit diesen Defeat Devices, also die Abgasmanipulation, aufgeflogen ist. Doch es dauert offensichtlich sehr, sehr lange, bis ein großes Unternehmen seinen Charakter ändert: Bis in jüngste Zeit wurden Missetaten zurückgehalten.

Es ist deshalb ebenfalls das einzig Richtige, dass Audi sich auf Drängen der Arbeitnehmer im Niederländer Bram Schot einen Chef geholt hat, der qua Lebenslauf nie etwas mit Diesel zu tun hatte. Der keiner aus dem System ist. Sein Vorgehen - die völlige Transparenz zu verlangen, über Demut und Krise zu sprechen - mag die 92 000 Mitarbeiter irritieren. Aber anders geht es nicht, das Problem sitzt ganz tief. Der Chef muss das lahmende Geschäft ankurbeln, die Leute motivieren und zugleich das Wesen des Autoentwickelns und Geschäftemachens komplett verändern.

Einige würden gerne einfach weitermachen wie bisher

Wie gewaltig die Aufgabe für den Vorstandschef ist, zeigt sich auch in den Widerständen, von denen man immer noch hört in Ingolstadt: Diese und jene Abteilung und alte Garde würde gerne einfach weitermachen wie bisher. Vielleicht nicht mit den Abschalteinrichtungen, aber mit dem gefährlich übergroßen Selbstbewusstsein. Was Nährboden wäre für neue "Schweinereien".

Die Reim-Zeilen sollten Mahnung sein für den aktuellen Audi-Chef, nicht nur zu appellieren mit starken Worten. Sondern endlich auch einmal das zu tun, was er noch scheut, weil es kurzfristig Unfrieden schafft: wirklich durchzugreifen, Abteilungen umzubauen, die Widerspenstigen zum Gehen aufzufordern. Und die Aufrichtigen wahrnehmbar öffentlich zu stärken. Die Zeit drängt.

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