Arbeitszeiten:Chef der Wirtschaftsweisen nennt Acht-Stunden-Tag "veraltet"

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Christoph Schmidt, hier am vergangenen Mittwoch bei der Übergabe des Wirtschaftsgutachtens an Kanzlerin Angela Merkel, ist Präsident des Leibniz Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen. (Foto: dpa)
  • Der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, fordert eine Reform des Arbeitszeitgesetzes.
  • Die maximale Arbeitszeit soll demnach nicht mehr pro Tag sondern pro Woche geregelt werden. Damit sollten Unternehmen ihre Mitarbeiter flexibler einsetzen können.
  • Gewerkschaften fürchten dagegen verdeckte Mehrarbeit.

Feste Bürozeiten von neun bis fünf und mit dem Verlassen des Büros ist auch wirklich Feierabend: Diese Arbeitswelt stimme nicht mehr mit der Realität einer zunehmend digitalen und vernetzten Wirtschaft überein, sagt der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt. Firmen müssten im digitalisierten Wettbewerb agil sein und schnell ihre Teams zusammenrufen können, sagte der Ökonom, der das Beratergremium der Bundesregierung leitet, der Welt am Sonntag. "Die Vorstellung, dass man morgens im Büro den Arbeitstag beginnt und mit dem Verlassen der Firma beendet, ist veraltet."

Zwar habe sich der deutsche Arbeitnehmerschutz bewährt, in der digitalisierten Welt sei er aber in Teilen zu starr, sagte Schmidt. "So brauchen Unternehmen beispielsweise Sicherheit, dass sie nicht gesetzwidrig handeln, wenn ein Angestellter abends noch an einer Telefonkonferenz teilnimmt und dann morgens beim Frühstück seine Mails liest." Das würde nicht nur den Firmen helfen, sondern auch den Mitarbeitern, die mit der digitalen Technik flexibler arbeiten könnten. Eine Flexibilisierung dürfe aber nicht eine heimliche Ausweitung der Arbeitszeiten bedeuten.

Bereits in ihrem Mitte der Woche vorgelegten Jahresgutachten ( hier als PDF) hatten die Wirtschaftsweisen das Thema aufgegriffen: Darin hatten sie gefordert das Arbeitszeitgesetz so anzupassen, dass nicht mehr die tägliche, sondern die wöchentliche Höchst-Arbeitszeit festgelegt wird. Das könne helfen, "die Arbeitszeit flexibler auf die Wochentage zu verteilen". Auch legale Abweichungen von der bisher geltenden Mindestruhezeit von elf Stunden könnten in diesem Zusammenhang sinnvoll sein, hieß es weiter. Eine Verkürzung der Gesamtarbeitszeit sowie ein gesetzlich garantiertes Rückkehrrecht aus einer Teilzeit- in eine Vollzeitbeschäftigung lehnten die Berater in ihrem Bericht dagegen ab.

Arbeitszeit auch Thema der Jamaika-Sondierungen

Eine Reform des Arbeitszeitgesetzes ist eines der Themen bei den Sondierungsgesprächen über eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen in Berlin. Die Arbeitgeber fordern seit längerem, die tägliche Arbeitszeit nicht länger auf acht Stunden zu begrenzen, sondern stattdessen nur noch die bestehende maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden gelten zu lassen. Auch die Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen solle von elf auf neun Stunden verkürzt werden. Die Gewerkschaften wehren sich gegen diese Pläne. Sie fürchten eine verdeckte Ausweitung der Arbeitszeiten.

In ihrem Gutachten hatten die Sachverständigen abermals ihre Konjunkturprognose angehoben: Sie gehen inzwischen von zwei Prozent Wirtschaftswachstum in diesem und 2,2 Prozent im kommenden Jahr aus. Zuletzt war die Bundesregierung in ihrer Herbstprojektion für das kommende Jahr von 1,9 Prozent ausgegangen. Hauptgrund für den anhaltenden Aufschwung sei der starke Konsum. Allerdings seien auch die globalen Umstände günstiger geworden. Zugleich warnten die Ökonomen vor den Risiken der Entwicklung: Mit diesen Zahlen "dürfte sich Deutschland bereits in einer Überauslastung befinden".

© SZ.de/Reuters/sry - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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