Airbus:China will zur neuen Luftfahrt-Supermacht werden

Airbus: Sun Bo von der China Aviation Supplies Holding Company (li.), Kanzlerin Merkel und Airbus-Chef Tom Enders besiegeln den Großauftrag.

Sun Bo von der China Aviation Supplies Holding Company (li.), Kanzlerin Merkel und Airbus-Chef Tom Enders besiegeln den Großauftrag.

(Foto: John Mac Dougall/AFP)
  • Der chinesische Luftfahrtmarkt wächst derzeit rasant, der Bedarf für neue Maschinen wächst.
  • Chinas staatliche Luftfahrt-Gesellschaft hat nun bei Airbus 140 Flugzeuge im Wert von 20 Milliarden Euro in Auftrag gegeben.
  • Auch die Fertigung verlegt Airbus Stück für Stück nach China - trotz neuer Warnungen vor chinesischer Industriespionage.

Von Markus Balser, Berlin

Selten war die Unterschrift von Tom Enders so viel wert. Als der Airbus-Chef am Mittwochmittag im Bundeskanzleramt neben Chinas Präsident Xi Jinping und Kanzlerin Angela Merkel zum edlen Schreibgerät griff, war einer der größten Verträge der Konzerngeschichte besiegelt. Chinas staatliche Luftfahrt-Handelsgesellschaft CAS bestellt bei dem europäischen Luftfahrtkonzern 140 Flugzeuge. Gesamtwert des Großauftrags: mehr als 20 Milliarden Euro.

Bei den bestellten Airbus-Maschinen handelt es sich um 100 aus der A320-Familie für die Kurz- und Mittelstrecke sowie 40 Exemplare des Typs A350 XWB für die Langstrecke. Sie sollen "in den nächsten fünf bis sechs Jahren" an die chinesischen Airlines ausgeliefert werden, sagte Enders vor Journalisten in Berlin. Hoffnungen macht sich der Konzern zudem auf einen baldigen Verkauf von A380-Jets nach Fernost. Airbus führe dazu Gespräche mit China. Der Absatz des Großraumflugzeugs läuft weltweit bislang schleppend. Er sei aber zuversichtlich, in China, wo bislang erst fünf der Großflugzeuge fliegen, zu einem größeren Abschluss zu kommen, sagte Enders weiter.

China gilt in der Luftfahrt inzwischen als einer der wichtigsten Märkte überhaupt. Die Passagierzahlen des Landes waren allein im ersten Quartal des Jahres um 15 Prozent gestiegen. In den nächsten zehn Jahren rechnet Airbus mit einem jährlichen Wachstum des Marktes von zehn bis 15 Prozent. Das bedeutet: Der Bedarf für neue Flugzeuge wächst. Airbus geht davon aus, dass das Land binnen 20 Jahren 6000 zusätzliche Jets braucht. In den chinesischen Airline-Flotten fliegen bereits 1440 Airbus-Flugzeuge.

Trotz neuer Warnungen des Verfassungsschutzes vor chinesischer Industriespionage plant Airbus, sowohl die Fertigung von Flugzeugen und Helikoptern als auch die Zusammenarbeit mit China bei Innovationen deutlich auszubauen. Airbus hatte bereits 2008 zusammen mit chinesischen Partnern eine Fertigung in der Hafenstadt Tianjin errichtet. Dort werden A320-Flugzeuge montiert - aus zugelieferten Komponenten. Allzu tiefen Einblick in die Konstruktion wollte man den Chinesen, die künftig selbst eigene Flugzeuge bauen wollen, offenbar nicht gewähren. Im Mai hatte Chinas erster eigener Passagierjet seinen Jungfernflug absolviert.

Nun kündigte Airbus jedoch mit dem neuen Auftrag an, die Fertigung auszubauen. Von den 100 bestellten A320-Maschinen soll nach Worten von Enders knapp die Hälfte in China selbst gebaut werden. Die 40 A350-Flugzeuge würden in Europa montiert, allerdings mit einem wachsenden Anteil an Bauteilen aus China. Auch Helikopter sollen in China künftig in Kooperation gebaut werden. Bei Innovationen plant Airbus zudem Kooperationen in China. Airbus sieht zwar die Gefahren des Verlusts von Technologien. "Wir sind nicht naiv und schützen, was wir können." Die Welt aber verändere sich, sagt Enders.

Deutschland ist China nicht so überlegen, wie alle denken

Die Einschätzung von Airbus über die Fähigkeiten Chinas fällt erstaunlich aus und dürfte in der deutschen Wirtschaft Unruhe auslösen. "In Deutschland herrscht der Eindruck, wir seien China technologisch nach wie vor haushoch überlegen", sagt Enders. "Der Eindruck täuscht." China kann heute in einigen Bereichen der Raumfahrt viel und ist Europa zum Teil überlegen. "Wir haben in einigen Feldern den Punkt erreicht, wo wir froh sein können, wenn wir unseren chinesischen Partnern über die Schulter schauen können." So stecke China derzeit viel Geld in die Erforschung von künstlicher Intelligenz. China sei bei Drohnen inzwischen führend. Auch die Entwicklung von automatischen Flugzeugen ohne Pilot könne China möglicherweise schneller vorantreiben. In Europa sei dies wegen strikter Auflagen schwierig, sagt Enders.

Chinas Präsident Xi war am Mittwoch im Vorfeld des G20-Treffens zu einem politischen Besuch in Berlin. Er traf dabei mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen, die bei der Gelegenheit einen besseren Marktzugang für deutsche Unternehmen in China forderte, wie Merkel nach dem Treffen sagte. "Das ist für unsere Unternehmen sehr sehr wichtig", fügte sie hinzu. Für Airbus sind die Bestellungen aus China wichtig. In den vergangenen Monaten kamen deutlich weniger Bestellungen als in den Vorjahren. Der Flugzeugbauer kämpft außerdem mit Problemen bei wichtigen Programmen. Die anhaltende Pannenserie des A400M kostete Airbus allein vergangenes Jahr 2,2 Milliarden Euro an Sonderlasten, seit dem Programmstart vor 13 Jahren waren es sechs Milliarden. Airbus will die Zahl der ausgelieferten Modelle 2017 zwar steigern, kämpft aber immer noch mit technischen Problemen, vor allem bei den Triebwerken und der militärischen Ausstattung.

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