20 Jahre Währungsunion:Deutschland hat enorm vom Euro profitiert

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Windkrafttürme aus deutscher Produktion: Deutschland profitiert vom Euro

(Foto: Jens Büttner/dpa)

War die Währungsunion ein Fehler? Nein. Der Euro hat unterm Strich den Wohlstand für seine Mitgliedsländer gemehrt. Kein Staat hat so profitiert wie Deutschland.

Ein Kommentar von Alexander Hagelüken

Es war ein Moment des Aufbruchs. Ein Augenblick der ungebrochenen Zuversicht, dass Europa die Lösung von Problemen ist - und nicht deren Quelle. Sicher, als am 1. November vor 20 Jahren der Maastrichter Vertrag zur Gründung der Europäischen Union in Kraft trat, gab es auch warnende Stimmen. Speziell manche Deutsche waren skeptisch, weil der Maastrichter Vertrag den Start der Währungsunion 1999 besiegelte.

Sie sahen den Verzicht auf ihre geliebte Mark als teure Morgengabe an Frankreich und Großbritannien, die die Macht des vereinten Deutschland begrenzen wollten. Insgesamt jedoch war die Stimmung positiv. Wer hätte die Turbulenzen erahnt, die den Kontinent nunmehr seit 2010 beuteln? Wer hätte gedacht, dass dieser Euro Europa an den Rand einer Spaltung bringen würde?

Unterm Strich eine gute Sache

Das Erbe von Maastricht: Das Jubiläum bietet einen guten Anlass nachzudenken, was richtig war an den kühnen Plänen der Gründungsväter Jacques Delors, Helmut Kohl und anderer - und was dramatisch falsch. War die Währungsunion ein Fehler? Nein. Der Euro hat den Wohlstand seiner Gemeinschaft in den vergangenen eineinhalb Dekaden unterm Strich gemehrt. Er hat die Grenzen zwischen den Märkten der Länder eingeebnet. Und davon hat kein Staat so profitiert wie die Bundesrepublik, die nicht zufällig trotz aller Finanz- und Euro-Krisen boomt.

Zu Zeiten der Mark stießen deutsche Firmen alle paar Jahre auf ein großes Hindernis. Länder wie Italien oder Spanien glichen ihre Wettbewerbsnachteile regelmäßig dadurch aus, dass sie ihre Währungen abwerteten - auf einmal waren deutsche Produkte im Ausland zu teuer. Genau das würde wieder geschehen, wenn Deutschland aus dem Euro ausscheiden würde. Eine Aufwertung der neuen Mark um 30 oder 40 Prozent im Vergleich zu den bisherigen Euro-Partnern, an die heute ein Großteil der deutschen Exporte geht, würde Millionen Arbeitsplätze vernichten.

Der Euro war kein Fehler, aber seine Konstruktion war fehlerhaft. Der nunmehr 20 Jahre alte Plan von Delors, Kohl und Co. ist nur auf dem Papier gut. Und zwar insofern, als die Maastrichter Kriterien, heute bekannter als der Vertrag selbst, die richtige Richtung vorgeben: Ein jährliches Defizit von nicht mehr als drei Prozent und ein Schuldenberg von nicht mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung sind Vorgaben, die solide Finanzen der Euro-Mitglieder sicherstellen sollten.

Die Vorgaben funktionierten auch, solange die Kandidaten sie in den Neunzigerjahren einhalten mussten, um in den Euro aufgenommen zu werden. Die zweite Hälfte des Jahrzehnts war eine Zeit, in der sich die Wirtschaftspolitik der Staaten annäherte - so, dass sie beim Start der Währungsunion 1999 für die neue Gemeinschaft reif zu sein schienen.

Die Zeit des Schlendrians

Die Probleme begannen danach. Einmal drin, scherten sich übliche Verdächtige wie Griechenland oder Italien nicht mehr um solide Finanzen. Euphorisiert von niedrigeren Zinsen lebten sie über ihre Verhältnisse, erhöhten die Löhne, senkten die Steuern und häuften Schulden an. Dies wäre der Moment gewesen, an dem die Euro-Gemeinschaft die Einhaltung der Maastrichter Kriterien hätte erzwingen müssen. Augenfälligster Augenblick war das Jahr 2004, als bekannt wurde, dass Griechenland sogar Zahlen manipuliert hatte, um überhaupt in die Währungsunion zu gelangen.

Doch die anderen Regierungen hielten sich aus falscher Rücksicht zurück. Kein Politiker wollte harte Strafen für Defizitsünder durchsetzen, die ihn vielleicht später selbst ereilt hätten, wenn er vor einer Wahl Wohltaten ausschütten wollte. So driftete Südeuropa in die falsche Richtung, verlor an Wettbewerbsfähigkeit und Solidität - was brutal offengelegt wurde in der Finanzkrise ab 2007.

Das Erbe von Maastricht besteht also aus zwei Teilen: Die Idee zur Währungsunion war richtig, aber ihre Umsetzung schlecht. Um auf die Frage zu antworten, die vor 20 Jahren am meisten gestellt wurde: Eine Währungsunion funktioniert ohne politische Union nicht. Für die Gegenwart heißt das: Der Euro wird nur stabil, wenn er ein Korsett erhält, das ähnliche Wirtschaftspolitiken der Mitgliedsstaaten erzwingt. Es geht nur mit einem Verzicht auf nationale Souveränität. Die Aufgabe der Regierungschefs wäre ein Maastricht II, das den Visionen der Vorgänger ein Fundament verleiht. Dann müsste einem vor der Zukunft nicht bange sein.

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