Süddeutsche Zeitung

1. Mai am Samstag:Gebt den Menschen den Montag frei

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Es ist ein schlechtes Jahr für Arbeitnehmer. Besonders viele Feiertage fallen auf Wochenenden. Zeit für Montagsfeiertagsgesetze.

Kommentar von Kathrin Werner

In dieser vor Ungerechtigkeiten nur so strotzenden Zeit gibt es eine Gemeinheit, über die nicht genug geklagt wird: Viele Feiertage fallen in diesem Jahr auf Wochenenden. Der 1. Mai, der 3. Oktober und die Weihnachtsfeiertage haben sich miteinander verschworen und sich auf Tage gelegt, an denen die meisten Menschen sowieso nicht arbeiten müssen. Keine freien Tage, keine Brückentage. Keine Ausgleichstage oder Feiertagszuschläge. Eine Sache weniger, auf die man sich freuen könnte.

Als das vor ein paar Monaten vielen zum ersten Mal so richtig auffiel, gab es ein paar schwache Vorstöße, sich zu wehren. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese forderte als "Corona-Bonus", dass der darauffolgende Montag jeweils zum Feiertag werde. Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Jörg Schindler, wollte Arbeitgeber per Gesetz zum Ausgleich der Feiertage verpflichten. Arbeitgeber waren wenig überraschend dagegen. Die Grünen wollten "unaufgeregt" darüber diskutieren. Doch wie fast immer, wenn in Deutschland diskutiert wird, passierte: nichts. Dabei wäre eine kleine Pause zum Beispiel am Montag genau das, was das pandemiemüde Volk jetzt braucht.

Dass der Vorschlag so abseitig klingt, liegt vor allem am typisch deutschen "Das war schon immer so"-Denken. Schließlich holen unter anderem Spanien, Großbritannien, Irland, Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Japan, China, Singapur, Australien Feiertage am Montag darauf nach, wenn sie auf einen Sonntag fallen. Auch die Amerikaner haben fast immer Montag frei, weil sich ihre meist nicht religiösen Feste nicht nach uralten Traditionen richten, sondern nach dem Uniform Monday Holiday Act von 1968. George Washingtons Geburtstag zum Beispiel feiern die Amerikaner stets am dritten Montag im Februar, obwohl der erste US-Präsident an einem festen Tag, am 22. Februar 1732, geboren wurde.

Man könnte einwenden, dass Deutschland derzeit andere Probleme hat, als an Feiertagen herumzudoktern. Und es ist etwas dran, dass die Wirtschaft von Corona ohnehin gebeutelt ist und es gut gebrauchen kann, wenn Menschen mehr arbeiten und mehr shoppen gehen können. Wenn in einem Quartal viele Feiertage sind, sinken die Umsätze vieler Unternehmen. Es ist aber nicht ganz so einfach, wie man denken könnte. Wenn die Zahl der Arbeitstage pro Monat von 21 auf 20, also um 4,8 Prozent, sinkt, schrumpft das Bruttoinlandsprodukt nicht ebenfalls um 4,8 Prozent. Weil Menschen Arbeit nachholen oder vorarbeiten, weil sie an Feiertagen öfter im Restaurant essen und vorher im Baumarkt einkaufen, um ihre Heimwerkerprojekte vorzubereiten, ist die wirtschaftliche Gesamtbelastung deutlich geringer. Mit einem zusätzlichen Feiertag pro Jahr schrumpft das Bruttoinlandsprodukt laut Bundesbank lediglich um durchschnittlich 0,12 Prozent. Manche Branchen sind natürlich stärker betroffen als andere.

Der Nutzen dürfte überwiegen. Feiertage sind wichtig für die Gesellschaft, wichtiger noch als Urlaubstage, denn sie dienen nicht nur der individuellen Erholung, sondern schaffen gemeinsame Rituale, "Sozialsynchronisation" und "kulturelle Rhythmisierung" nennt das die Soziologie. Betrunkene Väter ziehen nun einmal lieber gemeinsam mit Bollerwagen durch den Wald als getrennt an einzelnen freien Tagen. Erholung, besonders gemeinsame Erholung, kommt seit der Pandemie ohnehin viel zu kurz. Und die Forschung zeigt, dass erholte und zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser arbeiten. Leider sind solche weichen Faktoren schwerer zu messen als der Einfluss stillstehender Fließbänder.

Es wird Zeit, dass die Bundesländer Montagsfeiertagsgesetze (MFG) verabschieden. Und bitte schnell, denn 2022 haben sich die Feiertage erneut gegen die Arbeitnehmer verschworen.

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