Süddeutsche Zeitung

Zierfische:Unterwasserliebe

Japanische Zierkarpfen können mehr als eine Million Euro kosten. Da holt man sich besser einen Experten. Kaum einer kennt sich mit Kois so gut aus wie Reinhold Borsch.

Von Titus Arnu

Japan beginnt kurz hinter Kempen. Im äußersten Westen Deutschlands existiert ein kleiner fernöstlicher Außenposten. Zierahorn, Azaleen, Bambus und Bonsaibäume gruppieren sich um einen Teich, und eine Buddha-Figur steht zwischen Brücken und Felsen: Der Schaugarten von Reinhold Borsch sieht aus, als hätte ihn ein Zen-Meister geplant.

Borschs japanischer Garten ist ein sorgsam inszenierter Ort zum Durchatmen mit plätscherndem Wasser, sanftem Blätterrauschen und summenden Insekten. Das asiatisch inspirierte Ambiente ist gleichzeitig eine Bühne für ganz besondere Tiere, deren Wohl für den Gartengestalter vom Niederrhein höchste Priorität hat. Im klaren Wasser schwimmen bunte, große Fische, um die sich hier alles dreht: Denn Reinhold Borsch ist ein international gefragter Experte für Koiteiche.

Die schillernden Schuppen, die strahlenden Farbmuster, der hohe Sammlerwert dieser edlen, großen Zierkarpfen - all das findet Borsch faszinierend. Aber hauptsächlich liebt er sie wegen ihres Charakters. "Es ist diese unheimliche Ruhe, die sie ausstrahlen", sagt der 47-Jährige, "diese Gelassenheit." Schon vor zwanzig Jahren hat er sich auf japanische Gärten mit Koiteichen spezialisiert, seine Kunden kommen inzwischen aus ganz Europa. Für sie plant er fünf bis zehn solcher Anlagen pro Jahr, in den meisten Fällen mit Heizung und Filteranlage für die empfindlichen Fische. Den Kunden ist für ihre Kois kaum etwas zu teuer. "Es gibt koiverrückte Leute, die behandeln ihre Fische wie Rennpferde", sagt Reinhold Borsch.

Entsprechend sind auch die Preise. Für ein einzelnes Exemplar einer typischen Koi-Art wie Sanke, Showa oder Tancho zahlen Liebhaber 5000 bis 10 000 Euro, Preise für Spitzenzüchtungen liegen bei bis zu 250 000 Euro. Für den bislang wertvollsten Koi der Welt, einen 1,30 Meter langen und 60 Kilogramm schweren Tancho Showa, zahlte ein japanischer Sammler umgerechnet 1,5 Millionen Euro. Je größer und älter der Fisch, desto wertvoller, denn erst im Laufe der Jahre entfalten sich die charakteristischen Farbmuster zu voller Pracht. Weil Kois bei guter Pflege 80 Jahre alt werden können, gelten sie mittlerweile auch als gute Geldanlage.

Vermutlich stammen die farbigen Karpfen aus dem Nahen Osten und wurden schon vor etwa 2000 Jahren nach Asien gebracht, wo sie als Speisefische gezüchtet wurden und als zuverlässige Proteinquelle galten. Seit etwa 1870 wurden sie in Japan von Adeligen als Statussymbole gehalten, denn Sagen zufolge schwimmen sie Wasserfälle hinauf und verwandeln sich dabei in Drachen.

Kois sind eine Wissenschaft für sich, es ist nicht so einfach, die anspruchsvollen Tiere im Gartenteich zu halten. Goldfische, die ebenfalls zu den Karpfen zählen, sind vergleichsweise robust und unempfindlich gegen Kälte und Krankheiten. Kois dagegen brauchen viel Platz und eine spezielle Pflege. Sie können sich Herpes zuziehen, im Winter erfrieren und im Sommer Sonnenbrand bekommen. "Für Teich und Garten sollte man auf jeden Fall 100 bis 200 Quadratmeter rechnen", sagt Reinhold Borsch. Denn die Kois können länger als einen Meter werden und wollen nicht alleine im Teich leben. Mindestens zwei Pärchen muss man einsetzen, damit sie sich wohlfühlen.

Auch muss der Teich die richtige Lage auf dem Grundstück haben, am besten im Halbschatten, und mit Filterpflanzen sowie einer Filterpumpe und einer Teichheizung ausgestattet sein. Die Wassertemperatur muss wie bei einem Swimmingpool ständig überwacht werden: Im Frühjahr und Sommer soll die Temperatur bei 22 bis 24 Grad liegen, im Winter wird sie auf sechs Grad abgesenkt. Die Fische fahren dann ihren Stoffwechsel runter und fallen in Winterstarre. Technisches Herzstück eines Borsch-Teichs ist ein eigens entwickeltes, selbstreinigendes Trommelfilter-System, mit dem große Wassermengen innerhalb von maximal zwei Stunden komplett umgewälzt werden.

Passend dazu ist der japanische Garten äußerst arbeitsintensiv. Was nach naturnaher Entspannung aussieht, ist in Wirklichkeit das Ergebnis großer Mühe und hoher Gestaltungskunst. "Es gibt keinen Garten, der pflegeaufwendiger ist als ein Japangarten", sagt Reinhold Borsch. Ein Mitarbeiter seines Betriebs ist nur für die Instandhaltung des Schaugartens in Kempen zuständig, denn der Chef selbst ist die meiste Zeit unterwegs bei Kunden und auf Gartenbaustellen.

Der grüne Daumen ist bei Reinhold Borsch genetisch bedingt. Er stammt aus einer Gärtnerfamilie, seine Eltern züchteten allerdings keine Kois, sondern Champignons. Nach einer Ausbildung zum Garten- und Landschaftsbauer machte sich Borsch bald selbständig. Schon als junger Mann reiste er oft nach Japan, weil er sich für die Gärten und die Kultur dort interessierte. Ein japanischer Garten ist eine Miniaturwelt voller Symbolik: Wasserflächen stehen für Flüsse und Seen, Steine für Felsen und Berge, Wälder werden mithilfe von Bonsais, Wiesen durch Gräser und Moos dargestellt. Dazu gehören Findlinge, Kies und Wasser ebenso wie Formgehölze, die akkurat geschnitten werden müssen.

Reinhold Borsch verwendet nicht nur original japanische Pflanzen, sondern auch einheimische Arten wie Lärche und Eibe. Auch die Nutzung unterscheidet asiatisch inspirierte Gärten in Europa von japanischen Gärten in Asien. "Japaner leben nicht im Garten, sie möchten ihn eher betrachten", sagt er, "die Deutschen dagegen wollen den Garten benutzen und bewohnen."

Das bedeutet, dass Reinhold Borsch in seinen japanischen Gärten neben dem Fischteich auch genügend Platz zum Ballspielen, Grillen, Liegen und Sitzen einplanen muss. Er entscheidet sich in den meisten Fällen für einen Mittelweg, eine Mischung zwischen europäischer Lebensart und japanischer Ästhetik. Das kommt gut an: Für die Gestaltung eines japanischen Gartens wurde Borsch zweimal mit dem höchsten Garten-Preis der Schweiz ausgezeichnet, dem Giardina-Award. Herzstück der Installation war ein 25 Kubikmeter großer Teich, in dem 14 Koi-Karpfen schwammen - die eigenen Haustiere des Chefs.

Sein privater Schwarm ist mittlerweile auf etwa hundert Kois angewachsen. Namen haben die Tiere nicht, aber er erkennt einzelne Exemplare an ihren Mustern wieder. Obwohl er regelmäßig nach Japan fliegt, um Fische bei Züchtern auszusuchen, und von Baustelle zu Baustelle reist, wirkt Borsch so gelassen wie seine Fische. Das habe er von ihnen gelernt. "Ich bin eben ein Koi-Verrückter."

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SZ vom 08.09.2018/vs
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