Young Fashion:Eine Berliner Jungdesignerin kreiert Klassiker

Nobi Talai : Runway - Paris Fashion Week Womenswear Fall/Winter 2017/2018

Nobi Talai : Runway - Paris Fashion Week Womenswear Fall/Winter 2017/2018 PARIS, FRANCE - MARCH 07: Designer Designer Nobieh Talaei walks the runway during the Nobi Talai show as part of the Paris Fashion Week Womenswear Fall/Winter 2017/2018 on March 7, 2017 in Paris, France. (Photo by Francois Durand/Getty Images)

(Foto: Getty Images)

Nobieh Talaei gehört zu den großen deutschen Modehoffnungen. Erfolgreich ist sie auch, weil die Designerin ihre "Binde-Arm-Bluse" konsequent im Programm hält.

Von Jan Kedves

Wer auf Reduktion steht, muss auf Ornamente verzichten und sich auf die Funktion konzentrieren - das ist in der Mode die gängige Formel, nach der nüchtern-reduziertes Design und opulent-verspieltes Design auseinandergehalten werden. Natürlich stimmt diese Unterscheidung nicht ganz. Was ist zum Beispiel, wenn ein Ornament eine wichtige Funktion abseits des rein Schmückenden hat?

Dann ist man bei Nobi Talai, dem jungen Berliner Label, das mit elegant in Lagen geschichteten Looks nun in der fünften Saison für Aufsehen sorgt. In den Nobi-Talai-Kollektionen spielt die Schleife eine wichtige Rolle als Verschluss-Element, das einerseits praktisch ist, andererseits zum Spielen einlädt. Bei den Seidenblusen baumeln am Abschluss der Ärmel jeweils zwei lange Bänder. Die kann man sich ums Handgelenk wickeln oder um den Oberarm, man kann sie zur Schleife binden - oder baumeln lassen. Das sieht, egal wie, schön aus und ist praktisch, weil es keinen Knopf gibt, der abfallen könnte.

Die Berliner Designerin, die sich diese raffinierte Bluse ausdenkt - und tolle Wendejacken aus Doubleface-Wolle, innen bordeauxrot, außen dunkelblau, oder gegurtete Schürzenkleider aus Nappaleder -, heißt bürgerlich Nobieh Talaei. Beim Namen ihres Labels verzichtet sie zugunsten der Griffigkeit auf drei Buchstaben. Geboren wurde sie 1978 in Teheran, als sie mit ihrer Familie nach Berlin kam, war sie elf.

Wenn man Talaei in ihrem großzügigen Atelier in Berlin-Mitte besucht - in der Glaskanne dampfender Kurkuma-Tee, aus den Lautsprechern spült leise "Soul Bossa Nova" von Quincy Jones -, dann erklärt sie einem, dass die Schleifen eine Referenz an ihre Großmutter sind. Die war Schneiderin und stammte aus einer nomadisch lebenden Familie in Iran. Nomaden sind darauf angewiesen, unnötigen Ballast wegzulassen. Das bringt eine eigene Ästhetik der Kombinierbarkeit und materiellen Ökonomie mit sich.

Talaei versucht, diese Tradition und die Art, wie ihre Oma sich kleidete - übereinander getragene Materialien, gehalten durch Schlaufen oder Gurte - in die Garderobe moderner Frauen zu übersetzen. Mit ihrer minimalistischen Handschrift überzeugte sie so sehr, dass sie, noch während sie im Sommer 2015 beim Berliner Modesalon ihre Debütkollektion zeigte, in die erste Förderrunde des damals neu gegründeten Fashion Council Germany aufgenommen wurde. Der Verein, dessen Vorstand die Vogue-Chefin Christiane Arp und Anita Tillmann von der Modemesse Premium angehören, finanzierte Talaei unter anderem Schulungen in Unternehmensstrategie. Daran scheitern ja häufig junge Modelabels: tolle Ideen, aber noch kein Verständnis vom Geschäft. Für Talaei ging es jedenfalls gleich weiter mit einer Show in der deutschen Botschaft in Paris, ersten Läden und Onlineshops, die ihre Teile ins Programm nahmen. Und mit berühmten Fans.

Plüsch oder Persianer? Mode kann auch ein Spiel mit kulturellen Identitäten sein

"Frau Berben war gerade hier", sagt Talaei, zwischen zwei Zigarettenzügen. Iris Berben hat sich in letzter Zeit gerne in Nobi Talai gezeigt, unter anderem auf dem roten Teppich der Berlinale. Gerade hat sich die Schauspielerin im Atelier die Winterkollektion zeigen lassen, die Anfang März in Paris präsentiert wurde, in der Amerikanischen Kathedrale. Nicht nur in der deutschen Presse, auch vom Branchenblatt Women's Wear Daily wurde sie positiv besprochen. "Dass eine in Iran geborene, in Berlin arbeitende Designerin ihre Kollektion in der Amerikanischen Kathedrale in Paris zeigt, damit wollte ich die Botschaft vermitteln, dass man verschiedene Kulturen, Nationalitäten und Glaubensrichtungen zusammenbringen kann", sagt Talaei. "Und so sind auch meine Kundinnen überall in der Welt zu Hause."

Nobieh Talaei macht aber aus ihrer Herkunft, aus Religion oder Politik kein allzu großes Ding. Zwar liegt die Idee nahe, es könnte etwas bedeuten, dass sie, genau wie eine der wenigen anderen etablierten Berliner Modeschöpferinnen, Deutsch-Iranerin ist. Aber was hat Talaei mit Leyla Piedayesh von Lala Berlin gemeinsam, außer dass sie in Teheran geboren wurden? Die Parallelen liegen woanders: Beide wurden erst Designerinnen, nachdem sie Erfahrung in anderen Bereichen gesammelt hatten. Die Betriebswirtin Piedayesh arbeitete früher in der Musikindustrie. Talaei war nach ihrem Abschluss an der Modeschule Esmod bei verschiedenen Firmen in Verkauf und Marketing tätig. Beide waren also, als sie ihre Labels starteten, abgeklärt genug, um das zu tun, was Jungdesigner normalerweise unkreativ finden: Einen Klassiker, der sich gut verkauft, von Saison zu Saison im Programm zu halten. Bei Lala Berlin war das der Kaschmirschal mit Kufiya-Print. Bei Nobi Talai ist es die "Binde-Arm-Bluse", wie Talaei sie nennt.

Ja, hier spricht mit sanfter, entschiedener Stimme wirklich eine Geschäftsfrau. "Ich freue mich, dass ich als Deutsche mit iranischen Wurzeln in der Lage bin, Arbeitsplätze für deutsche, japanische, französische, togolesische und vietnamesische Mitarbeiter zu schaffen", sagt sie - und führt noch einmal durch die neue Kollektion, die neben ihrer Großmutter auch vom Bauhaus-Künstler Oskar Schlemmer inspiriert ist. Was sich an skulpturalen Ballonärmeln zeigt. Auch gibt es Mäntel aus Kuschel-Fell, genauer gesagt: aus Mohair auf Gabardine. Talaei schmunzelt darüber, dass dieser falsche Persianer an Nomaden-Mäntel aus Iran erinnert, obwohl es derselbe Stoff ist, aus dem in Deutschland Steiff-Tiere gemacht werden. Ein kleines Spiel mit kulturellen Identitäten, Gefühlen von Vertraut- und Fremdheit. Aber bei Nobi Talai bekommt so etwas keine konzeptuelle Schwere, sondern wird, fast wie eine Schleife, locker verbunden.

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