Rechtskolumne:Darf man Nachbarn oder Vermieter beleidigen?

Lesezeit: 2 Min.

Einige Menschen lauern geradezu darauf, ihren Nachbarn bei einem Verstoß gegen die Vorschriften zu ertappen und mit fiesen Sprüchen zu attackieren. (Foto: Markus van Offern /Imago Images)

Manche Verbalattacken sind so schwerwiegend, dass der Vermieter kündigen darf. Teils sogar fristlos.

Von Stephanie Schmidt

Nicht alle Freveltaten werden gesühnt. Wenn es etwa einem Rennradfahrer nach zwei für ihn unfassbar langen Minuten gelingt, eine langsame Radfahrerin zu überholen und er sie im Vorbeifahren anzischt: „Du dumme Wachtel.“ Schon ist er über alle Berge. Überzieht man hingegen seine Vermieterin oder seinen Vermieter mit Schmähwörtern, kann das folgenschwere Konsequenzen haben. In manchen Fällen muss man sich eine neue Bleibe suchen – mit Übergangsfrist oder im Extremfall sofort.

Manche ziehen deswegen vor Gericht. Wenn man ein einziges Mal den Vermieter, ein Mitglied der Hausverwaltung oder einen Handwerker beschimpft hat, führe das noch nicht zwangsläufig zu einer Kündigung, sagt Rudolf Stürzer, Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins München und Umgebung. „Einmaliger Ausrutscher oder mehrere Vorfälle, die in der Summe für den Vermieter nicht mehr zumutbar sind“, das könne vor Gericht einen entscheidenden Unterschied darstellen. Außerdem kann es für die Entscheidung der Richter eine Rolle spielen, was geschah, bevor einer den anderen beleidigt hat. Vielleicht hat ja die Vermieterin ihren Mieter durch eine bissige Äußerung oder ihr Verhalten erheblich provoziert; zum Beispiel, indem sie ohne Vorankündigung seine Wohnung inspiziert und seine Einrichtung als altbacken kritisiert hat.

Eine Verbalattacke kann aber auch so schwerwiegend sein, dass selbst ein einziger Vorfall zur Kündigung führt – wenn zum Beispiel ein Nachbar den anderen auf rassistische oder sexistische Weise beschimpft oder gar mit der rechtsextremen Szene in Verbindung bringt: Ein Mieter hatte die Polizei per Notruf verständigt und behauptet, ein anderer Mieter feiere eine „große Nazi-Party“. Der Anrufer meldete zudem, in einer Nachbarwohnung würden Nazi-Parolen gegrölt. Ausrufe wie „Merkel raus“, „Neger raus“ oder „Deutschland den Deutschen“ seien häufig zu hören. Das alles entspreche nicht der Wahrheit – zu diesem Schluss kam letztendlich das Landgericht München I. Wegen Verleumdung und massiver Störung des Hausfriedens sei in diesem Fall sogar die außerordentliche, sofortige Kündigung gerechtfertigt (Az. 14 S 6310/23). Dabei beriefen sich die Richter auch auf Paragraf 569, Bürgerliches Gesetzbuch, Absatz zwei.

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„Wenn jemand in die rechte Ecke gestellt wird oder auf sexistische Weise beleidigt wird, ist das schwerwiegend. Es führt dann kein Weg an der Kündigung vorbei“, sagt Stürzer. Auch ein Mieter, der behauptet hatte, sein Vermieter führe ein „Hauswartsystem nach Stasi- und Gestapoart“, erhielt von jenem die Kündigung. Diese sei gerechtfertigt, urteilte das Landgericht Ansbach (Az. 1 S 1252/12).

Insgesamt seien körperliche Angriffe, aber auch Verbalattacken in den vergangenen Jahren aggressiver geworden, so Stürzer. In diesem Zusammenhang erregte zum Beispiel der folgende Fall Aufsehen: Ein Mieter in einem Münchner Mehrfamilienhaus hatte einen anderen Bewohner als „Arschloch“ und „Hurensohn“ beschimpft. Das Amtsgericht München interpretierte das als Ausdruck einer „allgemeinen Sprachverschiebung“, eine Kündigung sei somit noch nicht gerechtfertigt (Az. 461 C 10371/16). Das Landgericht München I, vor dem der Fall im Anschluss verhandelt wurde, hob das Urteil auf. Es vertrat die Auffassung, dass eine so schwerwiegende Beleidigung die Kündigung zur Folge haben müsse (Az. 14 S 288/17). Diesen Fall kommentiert Rechtsanwalt Stürzer so: „Es hängt in bestimmten Fällen auch von der Schmerzempfindlichkeit eines Richters ab, wie das Urteil ausfällt.“

Die Autorin gibt gerne Partys – meist sind dann auch die Nachbarn dabei. Die Polizei kam bisher nie. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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