Süddeutsche Zeitung

Wohntrend:Das neue Haustier: die Lampe

Hund, Vogel, Hase und Co. So viele tierische Lampen wie jetzt gab es noch nie. Das liegt auch daran, dass Licht ein so emotionales Thema ist.

Von Max Scharnigg

Wenn Krieg ist, sagt man: Kinder leiden am meisten darunter. Wenn Design ist hingegen: Lampen leiden am meisten darunter. Dieses Bonmot stammt von dem Schriftsteller Max Goldt und ist flapsig aber wahr. Die Lichtbranche ist tatsächlich seit jeher ein bevorzugter Spielplatz für Designer, vermutlich schon aus rein kaufmännischen Aspekten. Esstische, Loungechairs und Kleiderschränke werden schließlich nur selten in zweistelliger Anzahl in Häusern und Appartements gebraucht. Leuchten hingegen sind in jedem Zimmer mehrfach nötig und werden tendenziell auch schneller gekauft und ausgetauscht als andere Möbel. Außerdem ist Licht ein emotionales Thema, das lässt sich in nahezu jedem Katalog jedes Leuchtenherstellers nachlesen.

Emotional - das bedeutet nichts anderes, als dass es auch besonders anfällig für Design ist und eben keinem so strengen Funktionszwang unterliegt wie zum Beispiel ein Schuhschrank. Es muss nur leuchten, wohin und in welcher Form ist komplett verhandelbar. Durch den jüngsten LED-Technologiesprung ist das Thema Lichtdesign vollends und im wahrsten Sinne aus der Fassung geraten. Licht ist seitdem klein, wird nicht mehr heiß, hat kaum Stromverbrauch, kann verbogen, verknotet, versteckt, superflach verbaut und lange von Akkus betrieben werden. Damit hat die LED-Technik in den vergangenen zehn Jahren ganz neu definiert, in welcher Form Leuchte und Mensch zusammenkommen.

Das machte sich auf den Möbelmessen zuletzt in einer Vielzahl an kühnen Lichtskulpturen für den Privathaushalt bemerkbar, aber auch in einem Boom an Niedlichkeiten. Wo früher eine heiß glühende Birne eher verhinderte, dass man zum Beispiel eine Polycarbonathülle in Eulen- oder Hasenform darüber baute, ist derlei heute problemlos möglich und wird auch gemacht, gerade im No-Name-Sektor. Wenn die Natur das Design liefert, braucht man schließlich keinen Kreativen mehr. Erstmals leuchten die Hohlkörper dabei auch schön flächig und nicht nur Punktuell aus einer Fassung. Nachteil: Nach ein paar tausend prognostizierten LED-Betriebsstunden ist das Lebenslicht der Eule erloschen und das ganze Plastiktier muss oftmals irreparabel auf den Müll. Aber so ist das eben mit Haustieren.

Tierformen sind uns vertraut, was man von abstraktem Design nicht behaupten kann

Klar, die Formen von Tierkörpern waren schon immer Inspiration für Gestalter, der Elefantenhocker von Charles und Ray Eames, die bunten Fisch-Wanduhren von George Nelson, der Holzaffe von Kay Bojensen oder die Elefantenspardose von Luigi Colani gehören längst zum modernen Designkanon. Aber der Animal-Boom der vergangenen Jahre ist doch auffällig. Ob Flamingo-Tapete, tierisch inspirierte Kleidungsstücke oder Schmuck: Wer will kann sich heute einen ganzen Zoo einrichten, kann einen Igel als Käsereibe (Koziol), einen Hund als Hocker (Magis) oder einen Papageien-Weinöffner von Alessi haben.

Dass nun vor allem Leuchten in allen Spezies verfügbar sind, liegt wohl zum einen an der bereits angesprochenen Emotionalität des Themas Licht aber eben auch den Gestaltungsmöglichkeiten - ein Couchtisch lässt sich nur mühsam in Vogelform pressen. Dazu kommt, dass Tiere, besonders solche, die wir uns in YouTube-Videos ansehen, Instant-Sympathieträger sind. Ihre Form, selbst wenn sie nur angedeutet wird, ist sofort verständlich und dem Auge vertraut, was man von abstraktem Design keineswegs behaupten kann. Für letzteres muss man sich mit seinem eigene Stilempfinden auseinandersetzen. Für eine Häschenlampe entscheidet sich der Bauch quasi allein. Und wenn ein Schreibtischlampenhund wie der Luminose mit seinen Holzbeinen "Sitz" macht und einem treu aus der Schnauze auf die Tastatur leuchtet, dann können selbst kalte LEDs offenbar warm ums Herz machen.

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SZ vom 10.03.2018/eca
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