Wohnen:So lassen sich Schwachstellen in der Wohnung beheben

Dekorative Leitungen: Einfache Ideen gegen Kabelsalat

Sind Kabel und zusätzliche Steckdosen im Raum unumgänglich, halten beide Experten einen aggressiven Umgang damit für überlegenswert: Statt des immer gleichen Plastikweiß vielleicht mal Verteilerdosen in Farbe?

(Foto: dpa-tmn)

Kabelsalat, senfgelbes Omabad - aber Hauptsache das Internet geht! Oft werden aus Verlegenheitslösungen in der Wohnung hartnäckige Ärgernisse. Das muss nicht sein - sechs Anregungen.

Von Max Scharnigg

Es kann viele Gründe haben, wenn die eigene Wohnung nicht mal annähernd so aussieht wie das, was in den Style-Blogs und Design-Magazinen gezeigt wird. Zum Beispiel, dass man eben nicht eine alte Mühle in den Pyrenäen mithilfe von zwei Architekten und ein paar Millionen Euro drei Jahre lang umgebaut hat. Oder dass man noch nicht ganz so puristisch lebt, als dass ein Daybed und ein kleiner Marmortisch als Wohnzimmereinrichtung reichen würden. Also, selbst schuld! Es gibt aber auch Alltagstristesse, die sich schnell ändern lässt. Wir haben ein paar solcher hausgemachten Probleme analysiert:

Das Problem: Mickriges Licht

"Viele Menschen vergessen, auf gutes Licht zu achten, dabei ist es das einfachste Mittel, um eine bessere Atmosphäre zu schaffen", sagt Hermine zu Salm-Salm, die als Home-Stagerin ständig vor der Aufgabe steht, Alltagswohnungen für den Verkauf appetitlich herzurichten. Ihr Feind ist dabei die Halogen-Lampe, mit der sich kein einladendes Licht herstellen lässt - man lebt ja nicht in einem Operationssaal.

Erste Hilfe: Salm setzt auf Dimmfunktionen bei allen Lichtquellen und rät dazu, immer alle Lichtebenen im Zimmer zu bespielen: Am Boden, auf Stehhöhe und an der Decke. Der Münchner Architekt Stephan Rauch ergänzt: "Die Deckenleuchte in der Mitte als einzige Lichtquelle ist der größte Fehler. Jedes Zimmer gewinnt, wenn man einen Lichtkegel auf die weiße Wand richtet und mit anderen Lichtquellen den Raum strukturiert."

Das Problem: Kleine Räume, niedrige Decken

Einen Effekt kennen vor allem Bewohner von Nachkriegshäusern und Mietskasernen der Achtzigerjahre: Man zieht den Kopf ein, wenn man aus dem Treppenhaus in die Wohnung tritt.

Erste Hilfe: Mal eben die Decke zu durchbrechen, ist selten möglich, man kann aber den Enge-Effekt abschwächen: Keine dunklen Objekte, nicht zu viele und große Möbel, dünne und lichte Vorhänge, etwa aus Trevira, und die Raumhöhe punktuell ganz ausnutzen. "Der beste Stauraum ist in solchen Fällen einer, der wirklich vom Boden bis zur Decke reicht. Die halbhohen Schränke, die über sich wieder nur Staub und ungenutzten Platz sammeln, sind nicht funktional und wirken nicht gut", sagt Architekt Rauch. Die 205 Zentimeter vieler Möbelmarkt-Schränke füllen die Wandhöhe nicht ganz aus, deswegen sollte man überlegen, ob nicht ein Schreinerauftrag für ein passgenaues Staumöbel im Budget wäre. "Ein einziger, sauberer und wandhoher Schrank streckt den Raum und ist viel weniger störend als mehrere halbhohe, auf denen sich noch Kisten und Körbe stapeln." Außerdem kann man ihn beim Auszug vielleicht ablösen lassen. Hermine zu Salm-Salm arbeitet bei kleinen Räumen neben vielen Lichtquellen auch gerne mit Spiegeln, die sie gegenüber den Fenstern installiert und die für Helligkeit sorgen. Außerdem hat sie eine Faustregel: Es muss ein Freiraum an der Wand sein, damit das Zimmer atmen kann. Von Wandfarbe und Tapeten als Auflockerung hält sie nicht viel. Die Gefahr ist groß, dass man damit die gegenteilige Wirkung erzielt.

Organisch verwachsene Randbebauungen

Das Problem: Nix passt zusammen

Nach zwei Umzügen, zwei Partnerschaften und ein paar Stufen auf der Gehaltsleiter steht man für gewöhnlich vor einem bunten Mix an Habseligkeiten: Altes neben Praktischem neben Design neben Unerklärlichem. Kein Problem eigentlich, das Wohnzimmer aus dem Katalog ist schließlich nicht mehr angesagt, was zählt, sind ausgewählte Einzelstücke. Und genau das ist doch ein Problem: Ausgewählt. Und Einzelstücke. In der Wohnrealität sehen viele Einrichtungen eher aus wie organisch verwachsene Randbebauungen entlang der Wände. Aus kurzzeitig gestapelten Magazinen werden dauerhafte Fundamente und Koffer, Tennisschläger und Wurfsendungen klumpen sich zu hartnäckigen blinden Flecken.

Erste Hilfe: Richtig aufräumen ist das Credo der gelernten Innenarchitektin Hermine zu Salm-Salm, bevor sie die Häuser ihrer Auftraggeber professionell aufpoliert. Mit ein bisschen Saugen ist es dabei nicht getan, ihr liebstes Hilfsmittel sind die durchsichtigen großen Ikea-Boxen. In denen verschwindet alles, was schon Staub angesetzt oder keinen richtigen Platz hat. Zu viele Bücher, Kitsch, Winterklamotten, Deko - alles erst mal in den Keller. Wenn ein Raum befreit ist, sieht man, welche Möbel das Prädikat "ausgewähltes Einzelstück" erfüllen. "Ich achte vor allem zunächst auf die gleiche Holzart in einem Zimmer. Rötliche Buche, helle Eiche und dunkler Nußbaum zusammen, das wird nix." Architekt Stephan Rauch, der in seinem Portfolio etliche minimalistische Häuser für Familien hat, rät dazu, schönen Möbeln links und rechts Platz zu lassen, damit sie glänzen können: "Ein modernes Möbel im schnörkeligen Altbau oder umgekehrt, das ist oft reizvoll!" Übrigens betont er, dass Design nicht automatisch zum erwünschten Effekt führt: "Auch Designermöbel können komplett zusammengewürfelt und komisch aussehen."

Das Problem: Kabelsalat

Alles hat heute einen Akku, alles will aufgeladen werden. Also sammeln sich rund um Steckdosen Nudelnester aus Kabeln, Steckern und Ladestationen, in denen noch Wohntreibgut wie Staub, Schirme und Spielzeug hängen bleibt. Auch frei stehende Schreibtische sind trotz Bluetooth und guter Vorsätze bald umfänglich verkabelt, Leitungen hängen wie Gedärme in Wohnräume. Aber eigentlich ist das Schlafzimmer kein Büro.

Erste Hilfe: Hermine zu Salm-Salm schlägt als Mindestmaßnahme Kabelbinder vor, die aus vielen Kabel optisch eines machen. Das Ganze dann entweder in einer Box oder einen Korb versenkt oder an die Rückseite von Möbeln geklebt, dürfte einen Teil der modernen Schlangengruben auflösen. Auf dem Schreibtisch schluckt eine Box den großen Knoten und sorgt auch dafür, dass kein Kabel verschwindet. Sind Kabel und zusätzliche Steckdosen im Raum unumgänglich, halten beide Experten einen aggressiven Umgang damit für überlegenswert: Statt des immer gleichen Plastikweiß vielleicht mal Verteilerdosen in Farbe? Oder gleich in Beton gegossen, wie sie die Firma Onkto Katuh als kiloschwere Skulpturen anbietet? Die schnöde Kabelschaukel an der Decke lässt sich schnell und billig mit einem Textilkabel aufwerten. Erledigt? Dann mal unter dem Stichwort "Switch Dekor" im Netz Inspiration für Verkleidungen von vergilbten Lichtschaltern sammeln!

Nervende Absätze und scheinbar gottgebene Oma-Bäder

Das Problem: Abschlussleisten

"Viele Räume sehen aus, als hätte man den Fußboden an den Wänden aufgeklappt", moniert Stephan Rauch. Denn die Bodenleisten werden oft in der Farbe des Fußbodens auf die weiße Wand gedübelt. Neben dem komischen Effekt nerven die Absätze auch: Möbel lassen sich nicht ganz an die Wand schieben, Regale haben hinten Luft. Und das nur, damit das Parkett schlampiger verlegt werden und man beim Staubsaugen gegen die Leiste donnern kann.

Erste Hilfe: Der Experte rät, versuchsweise die Leisten abzuschrauben - in alten Häusern ist das Parkett oft so ordentlich verlegt, dass man sie weglassen kann und der Raum damit deutlich an Klarheit gewinnt. Aber bitte die Leisten nicht wegwerfen, sondern nummerieren und so lagern, dass sie sich nicht verziehen - sonst gibt's beim Umzug Probleme.

Das Problem: Hässliche Fliesen und Böden

Wenn Besucher johlend das senfgelbe Badezimmer fotografieren oder die Küchenkacheln an den Warschauer Pakt erinnern, hat man ein Fliesen-Problem.

Erste Hilfe: Das Oma-Bad ist nicht gottgegeben, es gibt heute eine Abhilfe, die wesentlich günstiger ist als eine Badrenovierung: Fliesenaufkleber. Die sind mittlerweile als marokkanisches Dekor genauso wie als Jugendstilranken im Netz zu ordern (z.B. bei wandakzente-shop.com). Sogar Schrabbel-Kühlschrank und Billigtüren lassen sich mit solchen passgenauen Aufklebern optisch retten. Wer mit seinem Boden hadert und gewillt ist, ein paar Stunden auf Knien zu verbringen, könnte sich die neuen Vinyl-Klebedielen ansehen. Sie sind nur zwei Millimeter hoch und können über den bestehenden Boden verlegt werden, ohne dass man Türen kürzen muss. Sie lassen sich schneiden, haben eine angenehm haptische (Holz)-Struktur, und sind so wasserfest, dass man sie sogar ins Bad legen kann. Obwohl diese Vinyldielen abziehbar sind, sollte man Rücksprache mit dem Vermieter halten. Von einem unschönen Bodenbelag lenkt Hermine zu Salm-Salm mit halbhohen Lichtquellen, Pflanzen und Accessoires auf Konsolen ab. Und sie tröstet: "Keine Sorge, wirklich jede Wohnung kann schön aussehen."

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