Wohnen:Das Geschäft mit den billigen Berber-Imitaten

Wohnen: "Scethno" - eine Mischung aus skandinavischem Design und Ethno-Look.

"Scethno" - eine Mischung aus skandinavischem Design und Ethno-Look.

(Foto: WestwingNow.de)

Kein Einrichtungsblog oder -magazin kommt derzeit ohne einen Berber-Teppich aus. Doch die große Beliebtheit ist auch ein Problem.

Von Julia Rothhaas

Wenn es um den Beni Ouarain geht, schlagen Blogger und Stylisten verbale Purzelbäume. Dann ist die Rede von "Topmodel", "Must have" oder "White giant". Dabei geht es doch eigentlich nur um einen Teppich.

Der Beni Ouarain (auch Beni Ourain geschrieben) ist ein meist creme- oder beigefarbener Teppich aus reiner Schurwolle, der aus dem Norden Marokkos stammt. Charakteristisch sind seine einfachen Muster, die wie von Hand gemalt wirken: Rauten, Zickzack, Linien. Jedes Modell ist einzigartig, Unregelmäßigkeiten gehören dazu. Für die Herstellung sind traditionell nur die Frauen der Berberstämme zuständig, die ihn in mühsamer Handarbeit weben und knüpfen, meist auf einfachsten, selbstgebauten Webstühlen, monatelang.

Weil sein klares Design mit allem kombinierbar ist, taucht er seit einigen Jahren in jedem Interior-Magazin und Wohnblog auf. Wohin man blättert oder klickt: Der Beni Ouarain ist schon da. Auch jenseits des "Scethno"-Looks, ein Mix aus skandinavischem Design und Ethnokram.

Es ist nicht das erste Mal, dass er so beliebt ist. Die erste Trendwelle war allerdings Mid-Century-Designern wie Alvar Aalto, Le Corbusier und Charles und Ray Eames vorbehalten, die ihre geradlinigen, kühlen Entwürfe auf diesem Flausch präsentierten. Seit 2014 ist der Beni Ouarain hingegen ein Massenprodukt geworden und genau das ist das Problem.

Sarah Rabih-Georg und ihr Mann Soufiane, ein Berber, vertreiben über ihren Onlineshop Touda seit 2010 marokkanisches Kunsthandwerk, darunter auch Beni Ouarains. Sie lassen selbst produzieren und führen eine eigene Kooperative, in der die Frauen der Familie knüpfen. Denn es sei inzwischen gar nicht so einfach, an Teppiche zu kommen. "Die Händler haben feste Routen, die sie zum Teil täglich abfahren, und greifen dabei ab, was nur geht", sagt Sarah Rabih-Georg. Die Frauen würden meist schlecht für ihre Arbeit bezahlt und bekämen im Tausch zuweilen billige synthetische Decken. "Sie werden inzwischen in ganz Marokko hergestellt, in großen Produktionshallen. Am Ende kostet so ein Teppich 150 Euro und das ist mit Sicherheit eine Fälschung." Für ein kleineres Original müsse man hingegen mit einem Preis ab 400 Euro rechnen. Der Profi erkenne die Fälschung schnell an der Rückseite: "Normalerweise wird sehr sorgfältig gearbeitet: gut gekämmte, gewaschene und gezwirbelte Wolle, dazu ordentliche Knoten", so Rabih-Georg. Dieses Handwerk sei in dieser Form nur noch selten zu finden.

Das Naturprodukt ist eben nicht so weiß wie das bearbeitete Bild in der Wohnzeitschrift

Auch Gebhart Blazek sieht den Trend skeptisch. "90 Prozent aller Neuproduktionen sind grausiger Ramsch", so der Grazer, der sich seit den Neunzigern mit dem Handwerk beschäftigt und über seine Galerie berber-arts.com antike Teppiche vertreibt. "Mir war von Anfang an klar, dass auch meine Arbeit dazu beiträgt, den Ausverkauf zu fördern. Die Frage ist nur: wie." Bio, Fraueninitiative, Fair-Trade. "Die Marokkaner wissen genau, was der Kunde hören will", so Blazek. "Doch die Wahrheit ist grausam."

Für den Vintage-Look etwa würde die Wolle erst mit Chlor, dann mit Wasserstoffperoxid gebleicht. Das Naturprodukt ist eben nicht so weiß wie das bearbeitete Bild in der Zeitschrift. Oft sei nicht mal klar, ob die Wolle tatsächlich aus Marokko stammt - oder aus Neuseeland zugekauft wurde. Dass der Teppich nun in allen Größen zu haben ist, findet Blazek eine "ähnliche Dummheit wie ein gotisches Motorrad". Denn ursprünglich musste er ins Zelt passen. Die eine Hälfte war so breit wie der Körper, mit der anderen deckte man sich zu.

Ein Ende des Trends sei kaum absehbar, da sind sich beide Händler sicher. Der Käufer muss entscheiden, welches "Handwerk" er unterstützen will. Für Sarah Rabih-Georg steht fest: "Ein Beni Ouarain wird erst über die Jahre richtig weich und seidig, das ist eine Anschaffung fürs Leben. Und eben kein Trend."

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