Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Alle Down

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Daunenjacken haben sich zum winterlichen Dauerbrenner entwickelt, je mehr Füllung desto gemütlicher. Der modische Aspekt bleibt dabei meist auf der Strecke. Auch dann, wenn man zu High-Fashion greift, wie zwei Extrembeispiele beweisen.

Von Julia Werner und Max Scharnigg

Für sie: Zu kurz

Der deutsche Winter ist eine traurige Angelegenheit. Graue Gebäudefassaden gehen nahtlos in grauen Himmel über, grau sind Straßen und Gesichter. Grau fühlt sich auch die nasse Kälte an, die in die Knochen kriecht, sobald man das Haus verlässt. Die Frau braucht ein dickes Fell. Gar nicht unbedingt, um sich von den Minusgraden abzugrenzen - sondern von der Tristesse. Fell ist das Stichwort. Denn wieso besteht der weibliche Kälteschutzreflex eigentlich seit Jahren aus Federn (oder Daunen oder synthetischen Ersatzfüllstoffen)? Alle tragen riesige Steppmäntel und Arktisjacken, als hätten die Coen-Brüder vor, Fargo neu zu verfilmen. Dabei wissen wir doch, dass nur Frances McDormand im Expeditionslook wirklich gut aussieht! Mit der modischen Auslöschung der eigenen Persönlichkeit muss Schluss sein. Zeit, sich dem Winter auf würdevollere Weise entgegenzustemmen. Wagemutiger Vorschlag: die Extremversion des Cropped-Trends, hier zu sehen als Lammfell-Jacke von Jacquemus, der bekanntlich ein Schönwetter-Designer ist. Cropped, also abgeschnitten, ist jetzt vieles, vom T-Shirt bis zum Pulli, weil sich seit einigen Jahren High-Waisted-Schnitte - sehr hoch sitzende Röcke und Hosen - aus Bequemlichkeitsgründen festgesetzt haben. Jacken so zu verkürzen, dass sie den Nierenbereich dem Feind ausliefern, sind natürlich keine gute Idee. Sich im Winter daran zu erinnern, dass man eine Taille hat, schon. Was ist wichtiger, die körperliche oder die seelische Unversehrtheit? Ein Dilemma, das sich mit Skiunterwäsche drunter auflösen lässt.

Für ihn: Zu lang

Leichtdaune, Schwerdaune, Kunstdaune - auch wenn sich die Füllungen geringfügig unterscheiden, die Silhouetten in den Winterstädten haben sich auf ein erstaunliches Einerlei eingependelt. Das Gros der Passanten kommt als Wulstkollektiv daher, Körper verschwinden unter prall aufgepumpten Textilien, die mal in wurstigen Querrippen geschichtet oder eben, wie zuletzt en vogue, in dicken Quadraten abgesteppt sind. Natürlich, die Isolations- und Wärmekraft der Federn ist unerreicht und die Leichtigkeit dieses Naturmaterials erstaunt einen jeden Winter aufs Neue. Wenn es sehr kalt ist, gibt es nichts Besseres. Allerdings tragen viele mittlerweile neun Monate im Jahr ihre Stopfjacken. Das ist genauso fragwürdig wie der Umstand, dass auch Männer dabei zunehmend das Bedürfnis nach Ganzkörper-Bettdecken haben. Die neuen Daunenjacken reichen dick gefüttert bis zur Wade, was grundsätzlich kaum einer Figur schmeichelt. Und wenn ein Rudel junger Anwälte in solchen körperlangen Kissenmänteln vorbeiraschelt, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, es mit recht verweichlichter Stadtbevölkerung zu tun zu haben. Bitte, ich will superwarmes Oma-Bettgefühl, steige aber dafür schön mit nackten Knöcheln in die Mesh-Sneakers. Hedonistengschwerl! Der Eindruck larmoyanter Lazyness verstärkt sich durch eine Bademantel-Schnürung natürlich noch mehr, wie hier bei einem Modell von Fendi. Pure Dekadenz, die luxuriöse Füllmasse nur so nachlässig zu schnüren. Als würde man im Winter Cabrio fahren und dabei eben die Sitzheizung voll aufdrehen. Wie bitte, gute Idee?

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