Ladies & Gentlemen:Wildwest-Wiesn

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(Foto: Gisela Schober/Getty Images, Felix Hörhager/dpa)

Hauptsache, originell oder doch lieber original? Über die Oktoberfest-Outfits von Wolfgang Fierek und Victoria Swarovski.

Von Julia Werner, Max Scharnigg

Für sie: Herrlich geschmacklos

Wiesnzeit ist Dirndlzeit – egal wo man im Fernsehen hinschaltet, es findet sich immer eine blonde Frau, die den Zuschauern streng diese angebliche Tradition erklärt. Die Leiterin der nationalsozialistischen Mittelstelle Deutsche Tracht, Gertrud Pesendorfer, auf deren Neuerfindung von Tracht das heute gängige Dirndl beruht, dreht sich vor Freude wahrscheinlich jedes Mal im Grab, wenn die Damen mit ihren schlichten knielangen Dirndln den guten Geschmack vergangener Zeiten auf die Wiesn bringen. Der gute Dirndlgeschmack war für Pesendorfer Mittel, „sich von Fremden abzugrenzen“. Muss man also gerade jetzt, in diesen Zeiten, wieder zurück in die Ist-mir-egal-Jeans, den Wiesn-Look der 90er-Jahre? Nein, muss man nicht, und zum Glück tragen heute bekanntlich ja auch die sogenannten Fremden das Dirndl in allen Variationen von Polyester und Spitze. Eine lustige Pointe der Geschichte!

(Foto: Gisela Schober/Getty Images)

Wie aber manövriert man sich als Frau, die in der Öffentlichkeit steht, wirklich zeitgemäß durch die Oktoberfestwochen? Na, mit einer ordentlichen Dosis karnevalistischem Schabernack natürlich! So wie Victoria Swarovski. Die Fernsehmoderatorin kombiniert eine Korsage mit knallenger Hose und Fransenstiefeln, alles aus Wildleder. Ein Chanel-Gürtel und eine Spitzenbluse runden auf wirklich ganz und gar geschmacklose und eben deswegen so aufregende Weise den Western-Look ab, den Beyoncé bekanntlich in den vergangenen Monaten aggressiv eingeführt hat. Zusammengefasst: Es geht auf dem Oktoberfest wirklich alles, außer stilistischer Bierernst.

Für ihn: Hahn im Korb

Wolfgang Fierek ist ja bekanntlich ein Münchner Schauspieler, der aber nie wirklich bayerische Dialektrollen spielte, vermutlich weil seine Familie aus Schlesien kam. Er wirkte deshalb bei seinen vielen Auftritten in Kultfilmen und -Serien oft ein bisschen auswärtig lässig, war aber auch nicht ganz ernst zu nehmen. Und, man muss es sagen, er bekam auch oft saudoofe Rollen, die seine Flatterhaftigkeit noch unterstrichen. Später als Schlagersänger saß er gerne mit Lederwesten auf Motorrädern in Trockeneisnebel herum und manifestierte damit irgendwie die schräge Legende eines gutbürgerlichen Outlaws.

(Foto: Felix Hörhager/dpa)

Auf der Wiesn zieht Fierek seit Jahren das Gleiche an, das lässt sich im Bildarchiv der SZ nachprüfen: Ein fröhliches Totenkopfhemd kombiniert mit schwarzer Weste und Lederhosen, diesmal hatte er auch noch den passenden Cowboyhut dabei. Dieses Outfit erinnert weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick an Trachtentradition, aber dafür daran, dass es mit der „No Name City“ bei Poing und der „Western-City“ bei Dasing noch in den 1990er-Jahren zwei konkurrierende Westernstädte in der Region gab. Wolfgang Fierek hat mit seinem seltsamen Style und der auswärtigen Attitüde jedenfalls etwas Respektables geschafft, nämlich als einziger Mann auf der diesjährigen Damenwiesn von Frau Sixt auftreten zu dürfen. Vor eintausend smarten Damen kann man stilmäßig als isolierter Mann nur bestehen, wenn das Outfit signalisiert, dass man sich selbst keinesfalls jemals ernst genommen hat. Das gilt auch als Kleiderregel für das ganze Oktoberfest – bloß nicht so tun, als gäbe es hier irgendwas richtig zu machen, gwandmäßig.

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