Wie man Männerschmuck trägt:Der funkelnde Mann

Leonid Alexeev : Mercedes-Benz Fashion Week Russia S/S 2014; Mann mit Schmuck

Mercedes-Benz Fashion Week: In Russland trägt Mann laut Designern im Sommer den Indianerlook. haare waschen wird überflüssig.

(Foto: Getty Images for Mercedes-Benz F)

Nach strengen Benimmregeln verschönert sich ein Gentleman höchstens mit Uhr und Manschettenknöpfen. Dabei geht es bei Männerschmuck gar nicht so sehr darum, was man trägt. Sondern vor allem: wer es tut.

Von Julia Werner

Alles, was über Uhr und Manschettenknöpfe hinausgeht, ist Pfauentum. Leider hat die Tatsache, dass man dies den Männern seit Jahrzehnten eingeredet hat, ihre Einstellung zu Schmuck nicht gerade verbessert.

Schon die Society-Lady Amy Vanderbilt bezeichnete in ihrem Etikette-Guide von 1952 Ringe bei Männern als "affektiert und theatralisch". Sie gestand dem starken Geschlecht nur einen antiken Siegelring zu. All diese Verbote und Regeln haben skurrile Blüten getrieben. Denn eigentlich gibt es nur einen sehr kleinen Kreis, der Siegelringe tragen darf. Und lebt nicht einer wie Keith Richards davon, affektiert und theatralisch zu sein, erklärt sich der obligatorische Totenkopfring so nicht von selbst?

Außerdem können auch Manschettenknöpfe zum modischen Desaster werden, etwa wenn der strenge Befolger der No-Jewelry-Policy seine Schmuck-Phantasien verschämt in Form von kleinen Flugzeugen oder bunten Fußbällchen auslebt. Die glücklicheren unter den Schmuckfans verklausulieren ihren Reichtum in den Komplikationen einer Tourbillon-Uhr, die auch schon mal eine Viertelmillion wert ist, was aber eben nur die Bewunderer der Komplikationen erkennen.

Natürlich, gar keine Regeln gehen auch nicht: Der Lifestyle des Maharadscha von Patiala, sozusagen der Elizabeth Taylor von Indien, der über dem Turban gerne gigantische Diamanten-Diademe trug und sie zum prächtigsten Collier der Welt kombinierte, wirkt mittlerweile ein wenig unmodern. Solche Extreme machen deutlich: Es muss doch einen Mittelweg geben!

Herr der Ringe

Leider gibt es nur einen Ring, den alle Männer tragen dürfen. Es ist der Ehering. Alle anderen Varianten des Fingerschmucks sind einfach zu beherrschen, wenn ein Mann sich ehrlich selbst einschätzt. Bevor er sich für einen gehämmerten Totenkopf-Silberring entscheidet, sollte er sich folgende Frage stellen: Bin ich Rockstar, regelmäßiger Darkroom-Besucher oder Jeans-Designer?

Lautet die Antwort nein, sollte der Kauf überdacht werden. Anders gesagt: Ein Mann muss einen Ring ausfüllen können - deswegen kam Elvis in seiner Spätphase mit glitzernden Overalls und Ringansammlungen an den Wurstfingern weg, andere hätten das nicht geschafft.

Das Gleiche gilt für den Siegelring: Wer seit Jahrhunderten über Ländereien und Schlösser verfügt, darf natürlich so tun, als würde er seine Briefe mit Wachs versiegeln. Auch Könige, die sich selbst erschaffen haben, sind gute Siegelring-Träger, Ralph Lauren zum Beispiel. Die Herrschaft über die hart erarbeitete Vierzimmerwohnung mit Dachterrasse und Loafer-Sammlung reicht leider nicht. Fazit: Im gelungenen Fall zeigt ein Ring, was man ist. Im missratenen, was man gerne wäre.

Männliche Bänder für Hals und Hand

Gesprengte Ketten

Es gibt dieses Foto von Paul Newman, auf dem er eine Medaillon-Kette zu freiem Oberkörper trägt. Eigentlich ist das Goldkettchen ja verpönt, weil eher dem unakademischen Milieu zuzuschreiben. Aber an Newman und vielen anderen Bauarbeitern auf dieser Welt wirkt es großartig. Warum? Es sieht authentisch aus. Daraus folgt: Jeder Mann darf Goldkettchen tragen, solange es ihm etwas bedeutet.

Wenn der Großvater es ihm im Sterbebett mit zittriger Hand über den Kopf gestreift hat, wenn er an Jesus glaubt und deswegen Kreuz trägt. Oder die Marke seines allerbesten Soldatenfreunds. Man muss ja das Hemd nicht offen lassen, sondern kann die Kette versteckt tragen.

Anders verhält es sich mit Abenteurer-Geschmeide. Investment-Banker tragen immer öfter schmale Perlenketten oder Lederbänder mit Haifischzähnen. Es sind Männer auf der Suche nach Erleuchtung. Sie haben private Yoga-Lehrer, hören Hörbücher von spirituellen Meistern und wollen sagen: Ich jongliere virtuell mit Geld, aber ich ziehe mein Glück aus den einfacheren Dingen und öffne Seeigel mit bloßer Hand. Tun sie natürlich nicht. Ein Urlaub in Thailand kann nicht als Survival-Trip gewertet werden. Massives Gold wäre ehrlicher.

Bänder der Freundschaft

Gut, dass es die Schnösel gibt. Mit ihren teuren Maßanzügen, ihrer wissenschaftlichen Hingabe zum perfekt gefalteten Einstecktuch und ihrer nach Farben sortierten Sockenkollektion sind sie die letzte Bastion des guten Geschmacks. Nur deswegen können sie es sich leisten, schmale Silber- und Goldarmreifen im Mix mit bunten Freundschaftsarmbändern aus Leder zu ihrer Vintage-Cartier-Uhr zu tragen.

Das tun sie seit ein paar Jahren, und zwar folgerichtig: Nur weil man ein Bewahrer der Form ist, heißt das noch lange nicht, dass kein cooler Hund im Doppelreiher stecken kann. Dabei gilt die Regel: Je älter der Schnösel, desto mehr Bänder am Handgelenk. Er hat mit seiner Segelyacht schließlich schon ein paar Runden mehr auf den Weltmeeren gedreht und dabei die Strandhändler mit den richtigen Bändchen getroffen. Das Vorbild: Tod's-Patron Diego Della Valle. Von der Kombination mit billigen Anzügen wird dringend abgeraten.

Bitte nicht wie David Beckham

Pk David Beckham vor Spiel Spanien - England

Fußballstar und Modeikone: David Beckham. Plötzlich trugen hunderte kleine Fußballfans auch einen Ohrring beim Training.

(Foto: dpa/dpaweb)

Klingeln im Ohr

Der wunderschöne David Beckham hat in seinem Leben fast keine Fehler gemacht. Nur zwei. Sein erster war das Tragen funkelnder Diamantenstecker. Mit Ohrringen sehen Männer einfach immer wie Mädchen aus. An zu Geld gekommenen Fußball-Gladiatoren übrigens genauso wie an Hip-Hop-Stars.

Ein anderer Weltstar macht den Fehler schon ein paar Jahrhunderte zuvor: Glaubt man daran, dass auf dem Chandos-Porträt wirklich William Shakespeare zu sehen ist, so trägt er auf diesem Bild tatsächlich einen goldenen Ring am linken Ohr. Es sieht bei ihm genauso blöd aus wie bei Beckham.

Die Bohemiens hatten ihn aber damals alle - ihr Vorbild waren Seemänner, die den Ohrschmuck aber nicht aus Verschönerungsgründen trugen, sondern nur, um im Falle ihres Todes die Beerdigungskosten zu decken. Merke: Hat ein Schmuckstück praktische Gründe, ist es für den Mann erlaubt. Alles andere ist Weiberkram.

Orden der Ritterlichkeit

Und hier Beckham-Fehler Nummer zwei: Bei der Hochzeit von Prinz William schmückte er die stolze Heldenbrust mit seinem Verdienstorden des British Empire, und der Hochadel rümpfte die Nase. Die Anleitung zum richtigen Ordentragen ist zwar ein Nischenthema, jedoch eng verbunden mit einem viel weiter verbreiteten Phänomen: dem Club-Pin, zu Deutsch: der Vereins-Anstecknadel.

Obwohl die Amerikaner in vielerlei Hinsicht keine Stilvorbilder sind, hat sich eine sehr amerikanische Unart auch hierzulande weit verbreitet: das Tragen des Club-Pins im Knopfloch, obwohl man gerade gar nicht im Club ist.

In den meisten Situationen ist nicht von Bedeutung, dass der Pin-Träger als Mitglied des Rotary-Clubs um die Weltrettung kämpft, sondern nur, wann es endlich Häppchen und Champagner gibt. Wer seine Verdienste an der Menschheit in Form eines Pins vor sich her trägt, führt den anderen spachtelnden Partygästen nur ihre eigene Charity-Ignoranz vor Augen. Ein unhöflicher Effekt, den es zu vermeiden gilt.

Genauso wie Krawattennadeln, die allerdings nur noch bei Uni-Professoren vorkommen. Dabei könnten sie sich die Krawatte beim Suppeschlürfen ganz einfach lässig über die Schulter werfen. Allerdings ist Lässigkeit nicht unbedingt die Lieblingsdisziplin der Club-Pin-Träger-Gruppe.

Liebe macht blind - der Partnerlook

Symbole der Liebe

Früher tätowierten sich Männer den Namen der Angebeteten sichtbar auf den Oberarm. Den Tätowierer und ebenso das Adlermotiv, das die nach der Trennung in Ungnade Gefallene wieder verdecken sollte, suchten sie immer noch selber aus. Wie sich doch die Zeiten ändern!

Was früher der bärige Tätowierer war, ist heute der feingliedrige und sehr leise säuselnde Juwelenverkäufer, und ehe es der Galan merkt, wurde er von seiner neuen Freundin in die nächste Filiale von Tiffany oder Cartier bugsiert und trägt schon ein goldenes Love Bracelet ums Handgelenk.

Und schon ist er eine tragische Figur, denn er hat in vielerlei Hinsicht für etwas bezahlt, das er gar nicht haben wollte. Kim Kardashian und Kanye West tragen sogar zwei verschiedene, einen goldenen Armreifen und ein Kettchen mit Esoterik-Augen. Die Liste der Hollywood-Lovebirds ist lang. Machen wir es kurz: Für Schmuck gilt das Gleiche wie für Trainingsanzüge. Der Partnerlook ist und bleibt der Feind der Selbstbestimmung. Und ein fremdgesteuerter Mann sieht leider nie gut aus.

Die Macht der Uhr

Fassen wir mal zusammen: Männerschmuck ist nie anlass-, sondern immer personenbezogen. So kann Karl Lagerfeld Krähenkrallen-Anhänger zum abendlichen Outfit tragen, ganz einfach, weil er Karl Lagerfeld ist. Ein Versicherungsverkäufer sollte aber kein Nieten-Lederarmband umschnallen, nur weil er auf ein Rockkonzert geht.

Das Beste zum Schluss: Bei Uhren ist es genau anders herum! Es geht nie um den Träger, sondern immer nur um den Anlass. Vor lauter testosteronstrotzenden Uhren-Anzeigen mit James-Bond-Darstellern und Formel-1-Fahrern hat sich leider die etwas grobschlächtige Ansicht durchgesetzt, man könne den wuchtig-sportlichen Chronometer auch zum Smoking tragen. Nein, kann man nicht!

Die schwere Rolex zum Business-Termin ist eine sehr bürgerliche Vorstellung von Erfolg und Macht. Zum Tagesanzug tragen Männer flache Uhren mit Lederarmband. Und zum Golfen und Skifahren Chronometer. So einfach ist das.

Mit den kreativen Mischformen, also der sportlichen Uhr zum Jackett beim Besuch in der Kabine des eigenen Fußballvereins oder der goldenen Audemars Piguet mit schützendem Plastikaufsatz bei sportlichen Aktivitäten müssen sich die meisten wohl sowieso nicht auseinandersetzen.

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