Für sie: Verzweifelt elegant
Gerade läuft die dritte Staffel der Serie „White Lotus“ (In Deutschland auf Wow), und sie ist zwar langweiliger als ihre Vorgänger, aber immer noch unterhaltsam. Was vor allem daran liegt, dass man sich an leicht degenerierten US-Amerikanern in sehr teuren Klamotten nie sattsehen kann. Die Damen in „White Lotus“ sehen immer toll aus in ihren völlig relaxuntauglichen Outfits, aber natürlich nur aus der Perspektive derer, die sich Urlaube in komplett von der realen Welt abgeschotteten Luxus-Strandhotels nicht leisten können. Sie tragen bunt bedruckte Kleider von Jetset-Labels wie Zimmermann und Valentino, Sonnenbrillen mit Leoparden-Print, teure Handtaschen und manchmal sogar Cocktailkleider. Sie schaffen es, einen Pareo über dem Badeanzug zu tragen, ohne dass er runterrutscht. Und sie haben nie Frizz, also Wattehaare wegen der feuchten Meeresbrise. Das Geheimnis ist erstens die unrealistische Filmsituation und zweitens der echte Schmuck, ein Urlaubslook also, der sich nur sehr schwer kopieren lässt. Warum sehe ich in den Ferien so nicht aus, fragt sich aber trotzdem die eine oder andere, weswegen im Moment Modezeitschriften jedes einzelne Teil zum Nachshoppen recherchieren.

Dieser Kimono (pinup-stars.com), getragen von Jaclyn in Folge 3, ist allerdings eine sinnvolle Anschaffung: Seide ist immer eine gute Idee, um etwas mehr Eleganz vorzutäuschen, und ein Morgenmantel als Kleid getragen wirkt angenehm verwirrend. Im Gegensatz zu den bunten Kleidern, in denen jede Frau sofort als ahnungslose Touristin entlarvt ist, egal ob billig oder teuer.
Für ihn: Gediegen verwahrlost
Derzeit müsste allen vernünftigen Menschen hochdosierter Eskapismus auf Rezept verschrieben werden. Weil das nicht passiert, guckt man ersatzweise eben die dritte Staffel „White Lotus“ und gibt sich diesem touristischen Fiebertraum hin, obwohl sich über lange Strecken wenig ereignet. Es gilt vermutlich, was Mama schon früher bei Rosamunde Pilcher gesagt hat – die Landschaftsaufnahmen sind halt so schön. Und auch die vielen Outfits der Protagonisten, könnte man ergänzen. Wobei die Zeiten, in denen man sich als westlicher Tourist auf Fernreise gut vorkam, ja eigentlich vorbei sind. Bei US-Amerikanern ist diese Scham noch weniger ausgeprägt, das sieht man schon daran, wie sie sich kleiden: bunt, ein bisschen nachlässig und anzüglich und auf keinen Fall an Land und Leute angepasst. Das ganze Ausland eine Carnival-Kreuzfahrt!

Manches kann man sich trotzdem abschauen, auch wenn es nicht ins fernöstliche Insel-Resort geht, sondern nur an den Ossiachersee. Cabana-Sets zum Beispiel, ein Relikt aus der Zeit, als im Flugzeug noch geraucht wurde und jede Bar eine Tiki-Bar war. Die leichten Shirts und Shorts legt man nach dem Schwimmen an, um etwas angezogener zu sein. Das Shirt, das in der Serie vom knabenhaft verzagten Lochlan getragen wird und auf den Namen „Reptile Dysfunction“ hört, ist ein Musterbeispiel für diese Kleidergattung – komplett unformal, aber genug Textil, um sich vom Pool auf die Yacht und über die Strandparty treiben zu lassen. Man stelle sich vor, alle Männer im städtischen Freibad würden diesen Sommer beim Pommesholen statt Badeshorts und nackten Oberkörper so ein Set tragen – es wäre fast wie Urlaub.