Weltkulturerbe:Unser taglisch Brot

Symbolbild Bäckerei

Backwaren auf der Internationalen Bäckereiausstellung in München, nach deutscher Art streng sortiert.

(Foto: Paul Knecht/dpa)

Deutsches Brot soll Weltkulturerbe werden - doch ist es wirklich so besonders, wie der Bäcker-Verband behauptet? SZ-Korrespondenten aus aller Welt berichten, was man andernorts unter Brot versteht und ob ihnen die deutsche Backkunst fernab der Heimat fehlt.

Mehr als 3000 Sorten gibt es nach Angaben des Bäckerhandwerks hierzulande. Deutsches Brot ist weltweit bekannt, in Spanien zum Beispiel wird explizit damit geworben, wenn Backwaren nach deutscher Rezeptur hergestellt sind. Das Deutsche Bäckerhandwerk will das Brot jetzt sogar zum Weltkulturerbe erheben und die Bundesregierung bitten, sich bei der Unesco um Aufnahme in die Liste zu bewerben. Bei uns berichten SZ-Korrespondenten aus aller Welt über ihre Brot-Erfahrungen.

Spanien: "Taglisch, frisches, Brot"

Nicht nur deutsche Autos, die mit deutschsprachigen Slogans beworben werden, sind bei den Spaniern hochgeschätzt. Auch "pan alemán" ist längst eine etablierte Marke. In der spanischsprachigen Wikipedia findet sich sogar ein eigener Artikel "Mischbrot", mit dem deutschen Namen. Die Etablierung der Marke "Deutsches Brot" ging einher mit dem vor einem Vierteljahrhundert aufkommenden neuen Ökobewusstsein gerade bei den jungen gebildeten Spaniern. Graubrot und Vollkornbrot gelten nun auch hier als gesünder als das traditionelle Weißbrot, das auch schnell austrocknet.

Heute finden sich in jeder größeren Stadt Bäckereien, die "pan alemán" im Angebot halten. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, denn das Produkt ist ja nicht genormt, der Name nicht geschützt. Oft genug sind es auch keine alten Rezepte aus den deutschen Landen, aber die Produzenten wissen, dass der Name zieht.

Also finden sich auf den Verpackungen auch deutsche Begriffe, gern neben Streifen in schwarz-rot-gold. "Hausbrot" heißt eine Sorte aus einer Supermarktkette, beim Brotschneiden zerkrümelt sie leider. Für ein anderes Produkt mit sechs Sorten Vollkorn hat wohl das Übersetzerprogramm den Begriff "Sechs Saat" kreiert. Und auf der Internetseite eines großen Herstellers werden die Brotfans in nicht minder kreativer Weiterentwicklung der deutschen Sprache mit dem schönen Ausruf begrüßt: "Taglisch, frisches, Brot!"

Da aber das Original nie erreicht, geschweige denn übertroffen wird, bringt der deutsche Madrid-Resident vom Heimaturlaub nach wie vor stets einen halben Koffer Schwarzbrot, Dinkelvollkorn und Pumpernickel mit. Letzteres hat keiner der spanischen Produzenten im Angebot. Vermutlich, weil es unaussprechlich ist.

(Thomas Urban)

USA: Lust auf Breze

Man vermisst ja so einige Dinge hier in Los Angeles: Autobahnen, Pünktlichkeit, schlechte Laune. Und natürlich fehlen einem auch kulinarische Köstlichkeiten wie bajuwarisches Bier, ein anständiger Schweinebraten oder köstliche Käsespäzle.

Deutsches Brot? Fällt einem erst einmal nicht auf, weil es hier nicht nur Allwetter-Burger-Brötchen und lapprige Hot-Dog-Buns gibt, sondern tatsächlich Brot in allen Formen und Varianten - so manches Restaurant ist stolz darauf, das man zum Frühstück aus mehr als 50 Brotsorten wählen kann. Französisches Baguette ist dabei, mexikanisches Weizenbrot, schwedischer Vollkorn-Toast. Was fehlt: deutsches Brot. Ist hier offensichtlich nicht so berühmt.

Es gibt im Süden von Los Angeles das "Alpine Village" - hier werden deutsche und österreichische Lebensmittel angeboten. Es ist eine kleine Reise in die Heimat: Es gibt Gummibärchen, Knödelteig, Bratwürste. Was einem jedoch sofort in die Nase steigt, ist dieser wunderbare Duft, der einem vermittelt, dass hier jemand frisch gebacken hat. Man will dann jedoch nicht unbedingt ein Brot haben, sondern ganz dringend eine Breze.

(Jürgen Schmieder)

Japan: Wie Beethoven hören oder Volkswagen fahren

Wenn Japaner Brot essen, dann meist schwammig-süßliches Kastenweißbrot, von dem manche sogar die fahle Kruste noch wegschneiden. Dabei gibt es in Japan durchaus auch Brot, das diese Bezeichnung verdient: knusprige Baguettes, Roggen- und Schwarzbrot. Letzteres allerdings bloß in spezialisierten Bäckereien, von denen sich einige deutsche Namen geben - und diese sogar in Fraktur schreiben.

Manche Japaner fahren für solches Schwarzbrot weit und zahlen hohe Preise. Sie machen das "deutsche Brot" zu einem kulturellen Statement wie Beethoven hören oder Volkswagen fahren. So weit gehen wir selber nicht, aber ein kleiner Umweg ist für "richtiges Brot" allemal drin. Manche Japaner erklären bedauernd, sie könnten leider kein "deutsches Brot" essen. Die Kruste sei zu hart, sie verletze ihren Gaumen.

Was dem Deutschen das "tägliche Brot", ist dem Japaner der Reis. Dreimal täglich. Im Japanischen wird das Wort für "Reis" als Synomym für "Mahlzeit" gebraucht. Aber Reis ist nicht gleich Reis. Die Japaner essen nur japanischen Reis, er ist kurzkörnig, existiert in vielen Sorten und schmeckt regional immer wieder anders. Gegen Importreis wird er mit Einfuhrzoll von etwa 700 Prozent geschützt. Eine Mahlzeit ohne Reis ist für Japaner keine, sondern höchstens ein Imbiß. Das fängt beim Standardfrühstück an: Reis, gebratener Lachs und Miso-Suppe. Allerdings essen heutzutage immer mehr Japaner "Brot" zum Frühstück, also das faserige Kastenweißbrot.

(Christoph Neidhart)

Was "Deutschländer" in der Türkei kaufen können

Türkei: Brot und Wasser

Es gibt zwei Grundnahrungsmittel in der Türkei: Brot und Wasser. Nur wer kein Brot und kein Wasser hat, ist wirklich arm. Es gibt in der Türkei auch kein Essen ohne Brot. Der Brotkorb kommt in jedem schlichten Restaurant sofort auf den Tisch, das Wasser ebenfalls. Wer sich wenig leisten kann, isst mittags Suppe und viel Brot. Immer frisch soll es sein. Das wiederum führt dazu, dass viel Brot weggeworfen wird. Letzteres wird immer wieder einmal öffentlich beklagt, aber Traditionen ändern sich nun mal nur langsam.

Das Brot aus Weizen dominiert, ob flach wie ein Fladen (Pide) oder aufgeblasen wie ein Ballon (Lavaş), selbstverständlich auch lang wie ein Baguette. Am Schwarzen Meer backen sie Sardellen ins Brot, andernorts kommt Schwarzkümmel oben drauf.

Schwarzbrot dagegen ist selten, trotz der vielen Almancilar, der "Deutschländer" im Land. Ein paar Istanbuler Bäcker probieren es zumindest immer wieder einmal mit grauem Brot, aber meist ist schon der erste Bissen für den Schwarzbrotkenner eine fluffige Enttäuschung. Dann doch lieber ein knuspriges Simit, einen Sesamkringel, zum Çay im Tulpenglas oder auch zum türkischen Kaffee. Der ist übrigens schon Welterbe.

(Christiane Schlötzer)

China: Hefegebäck, gefüllt mit Bohnenpaste, bestreut mit Rindfleischflocken

Chinesisches Essen ist das beste der Welt, hat aber ein paar Defizite. Die Nachspeisen sind so ein weißer Fleck, das Frühstück ist ein anderer: Reissuppe und eingelegtes Gemüse oder frittierte Ölstange mit Sojamilch sind an sich nicht schlecht, aber frühmorgens um sieben nicht jedermanns Sache. Da vermisst man gutes Brot am meisten.

Chinesen wissen, dass Europäer am liebsten Brot essen, sie bedenken einen deshalb gern mit mitleidigen Blicken. Tatsächlich waren "Brot" und "Steak" hier eine Zeit lang ein Synonym für westliches Essen. Seit ein paar Jahren nun verbreiten sich in den großen Städten Bäckereien, die etwas verkaufen, was sie "Brot" nennen, in Wirklichkeit sind es ganz eigene Kreationen, die ihren Ursprung vermutlich in einer Art Brot aus den USA haben und dann in Taiwan und Korea die asiatische Verfeinerung erhielten: Weiche Hefegebäckteilchen aller Art, mal gefüllt mit süßer roter Bohnenpaste, mal mit Thunfisch und Ananas, gern bestreut mit getrockneten Rindfleischflocken.

Und dann gibt es in Peking für heimatkranke Deutsche noch einen Konstanzer Bäcker. Der verkauft nicht nur Schwarzbrot von der Sorte, über die Chinesen gerne klagen, sie gebe einem Muskelkater im Kiefer, der bäckt sogar schwäbische Seelen. Die bekam ich früher nicht mal in München.

(Kai Strittmatter)

Frankreich: Weltpreiswürdig ist nur das Baguette

Franzosen betrachten deutsches Brot zwar durchaus mit wachsendem Respekt. Gleichwohl halten sie nur eine Teigware für wahrhaft weltpreiswürdig - ihr Baguette. Die Weißbrot-Stange begleitet unsere Nachbarn westlich des Rheins den ganzen Tag, ist bei allen Mahlzeiten (als Grundlage beim Frühstück, als Beilage bei Dejeuner und Diner) verwendbar und deshalb auch in jeder Boulangerie von frühmorgens bis abends ofenfrisch zu bekommen.

Den angemessenen Preis vergeben die Franzosen eh selbst - jedes Jahr wird von der "Chambre Professionnelle des Artisans Boulangers-Pâtissiers" der begehrte "Große Baguette-Preis" (Grand Prix de la Baguette) vergeben. Und selbstverständlich huldigt man aus diesem Anlass dem Preisträger wie dem Nationalbrot mit anderen kulinarischen Spezialitäten wie Champagner und edlem Rotwein.

(Christian Wernicke)

"Das ist Germanen-Kost"

Italien: Handwerkliches aus der Backstube und teure Brezeln

Italiener reden sehr gern übers Essen, im Wissen, dass sie da den meisten Ländern weit überlegen sind. Und wenn einem jemand etwas Nettes über die Deutsche Küche sagen will, erwähnt er meist "Wurstel", das gute Brot und die unglaublich vielen Sorten. Deutsche, die in Rom jammern, sie vermissten das heimische Brot, habe ich nie verstanden. Vollkorn-Brote und -Brötchen bietet inzwischen jeder Bäcker, der etwas auf sich hält, abgepacktes deutsches Körnerbrot gibt es sowieso im Supermarkt.

Viel besser ist aber, dass es in den römischen Wohnvierteln noch viele richtige Bäckereien gibt, wo in der eigenen Backstube alles handwerklich angefertigt wird. Dutzenden Keksarten, diverse Hörnchen- und Brötchensorten, Kuchen, Pizzabrote. Manche stellen auch Spezialitäten wie das haltbare, papierdünne sardische Pane Carasau her. Ein Unterschied zu den Deutschen ist aber, dass man Brot möglichst täglich frisch kauft, knusprig soll es sein, und keiner erwartet, dass es in der oft feuchten Luft auch nach drei Tagen noch schmeckt. Nicht wenige Bäcker schieben auch nachmittags Brot in den Ofen, da drängen sich gegen 18 Uhr Kunden, um es noch warm heimzutragen.

Was manchmal fehlt, sind Brezeln. Im ehemaligen Ghetto gibt es eine Bäckerei, die sehr ordentliche - und unverschämt teure - bäckt. Aber das liegt nur selten auf dem Weg. Weil Brezeln auch anderen fehlen, verbreitete sich unter den deutschen Kollegen rasch, dass nun auch im Viertel Parioli ein Bäcker gute Brezeln zu normalen Preisen verkauft - nur leider ist das für mich zu weit weg.

Neulich, bei einer privaten Einladung in deutsch-italienischer Runde, hatte von den Deutschen jemand selbstgemachtes Vollkornbrot mitgebracht. Es war optisch sehr alternativ geraten, sah aus wie ein Haufen kleisterverbundener Körner. Die Italiener schauten das gräuliche Rechteck etwas verstört an und versuchten ihre Mischung aus Ekel und Unglauben höflich zu verbergen. "Das berühmte deutsche Brot", sagte einer und wandte sich ab, "aber das ist wirklich nur Germanen-Kost."

(Andrea Bachstein)

Argentinien: Die Revolution des Brotes ist da

Argentinien entdeckt gerade wieder europäisches Brot, was dazu führt, dass irgendwie europäisch gemeinte Bäckereien aus dem Boden schießen. Vor allem in Buenos Aires. Die deutschstämmige Kette "Hausbrot" gibt es schon lange, ihre Filialen mit den ansonsten seltenen Vollkornbroten werden immer mehr. "Benavides" mit seinen Sorten wie pan tirolés (Tirolerbrot) ist auch eine Institution.

Seit einiger Zeit haben sich mit einigem Erfolg außerdem die Belgier von Le Pain Quotidien niedergelassen, dazu Anbieter mit Titeln wie L'Epi, Bröt, Le Ble - und eine Niederlassung namens Boûlan, die auf Französisch macht und behauptet: "Wir kennen uns mit Brot aus." Da staunt die Zeitschrift Ohlala: "Die Revolution des Brotes hat Buenos Aires erreicht."

Die wichtigsten Backerzeugnisse der Nation sind aber nach wie vor meist recht teigige Pizza, Empanadas, also Teigtaschen - und Media Lunas, Halbmonde, die argentinischen Hörnchen am Morgen und am Nachmittag.

(Peter Burghardt)

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