Von Brasilien bis Israel:So grillt die Welt

Schwenkgrill

Grillen verbindet die Menschen weltweit. Im Bild: ein saarländischer Schwenkgrill.

(Foto: Jürgen Walther - Fotolia)

Keine Lust mehr auf Würstchen und Kotelett? SZ-Korrespondenten verraten, was andere Nationen auf den Grill legen - von Picanha bis Hühnerherzen.

Brasilien: Am Grill so gut wie einst auf dem Fußballplatz

Den gängigen Klischees zufolge steht Brasilien für kunstvollen Fußball, für eine beneidenswerte Strandkörperkultur sowie für herausragende Grillmeister. Das mit dem Fußball hat sich dank sieben Gegentoren in einem einzigen WM-Halbfinale etwas relativiert und zum brasilianischen Schönheitsideal wäre anzumerken, dass es wenige Länder mit einem größeren Anteil an Fettleibigen gibt. Das könnte wiederum mit dem dritten Klischee zu tun haben, es ist nämlich gar keines. Am Grill sind die Brasilianer so gut wie sie es einstmals auf dem Fußballplatz waren.

Es gibt vor allem Picanha, das Schwanzstück des Rindes. In Deutschland und Österreich sagt man dazu Tafelspitz oder Beinscherzel, dort wird die Fettschwarte meistens schon vom Metzger abgeschnitten. In Brasilien wäre das eine Todsünde, brasilianische Rinder werden eigens auf Fettschwartigkeit gemästet. Klassischerweise trifft man sich am Wochenende in großer Runde zum Churrasco. Allerdings, auch dieses Klischee stimmt, ein Wochenende kann gerne mal von Freitag bis Donnerstag dauern.

Die Picanha wird lediglich mit grobem Meersalz gewürzt, in großen Lappen durchgegrillt, dann mundgerecht zugeschnitten und auf dem Scheidebrett serviert. Teller, Besteck und Stühle sind keine elementaren Bestandteile der brasilianischen Grillkultur. Man speist in der Regel im Stehen und mit der Hand, dazu gibt es Unmengen von halbgefrorenem Bier. Weitere Beilagen: eher nicht.

In den häufig recht touristischen All-you-can-eat-Grilltempeln, den Churrascarias, ist das Beilagenbuffet umso üppiger. Dort geht es aber vor allem darum, die Gäste schon einmal mit schwarzen Bohnen, Sushi und Käsenudeln anzusättigen, bevor die teure Picanha kommt. Wenn die Brasilianer zu Hause grillen, gönnen sie sich den Luxus, ihre Fleischberge nur mit Fleischbergen zu genießen.

Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Israel: Gleichheit und Brüderlichkeit auf dem Rost

Wer noch an den Frieden in Nahost glauben will, der muss nur den Feuerzeichen folgen. Freitagnachmittag in Tel Aviv: Dicker Rauch steigt auf an der Strandpromenade. Hinter dem Alma Beach, der Bucht zwischen den Minaretten von Jaffa und den Glastürmen von Tel Aviv, ist kaum noch ein Platz zu finden auf den Wiesenflächen. In großen Gruppen versammeln sich die Clans um kleine Grills. Und natürlich kocht der Chef persönlich, denn wie seit prähistorischen Zeiten ist die Zubereitung der Beute über der lodernden Glut auch hier noch reine Männersache.

Am Grill sind alle Männer und wahrscheinlich sogar alle Menschen gleich. In Tel Aviv jedenfalls lagern arabische Großfamilien einträchtig neben jüdischen. Zu unterscheiden sind sie bisweilen nur daran, dass die im Hintergrund agierenden arabischen Frauen verschleiert sind, während sich die anderen gern im Bikini rekeln.

Gleichheit und Brüderlichkeit herrscht auch auf dem Rost: Ob halal oder koscher ist egal, Hauptsache es gibt Fleisch, viel Fleisch. Natürlich zählt das arabische Kebab ganz selbstverständlich zu den Spezialitäten der israelischen Grillküche. Die Alternative dazu sind Spieße vom Huhn oder Hammel. Yuppies wählen gern auch mal Rindfleisch, ans Schweinerne wagen sich mehr oder weniger heimlich höchstens die russischen Einwanderer. Gereicht wird dazu in allen Fällen Hummus und Fladenbrot.

Die verbindende Grill-Begeisterung der jüdischen und arabischen Bevölkerung wird auch dadurch befördert, dass angesichts der Wetterlage eigentlich das ganze Jahr über Grillsaison herrscht. Selten verdirbt ein Regen das Vergnügen, und oft enden auch Ausflüge ins Grüne schon auf dem Parkplatz des Wandergebiets, wo der Grill gleich neben dem Auto aufgebaut wird. Selbst die begrünten Mittelstreifen großer Straßen müssen bisweilen als Grillzone herhalten. Und nach dem Essen sind die rituellen Rauchopfer längst noch nicht vorbei. Dann nämlich wird genüsslich die Wasserpfeife entzündet.

Peter Münch, Tel Aviv

Japan & Korea: Grillen unter der Klimaanlage

Wenn die Japaner grillen wollen, gehen sie zum Koreaner. Im Garten oder auf dem Balkon zu grillen, fiele ihnen nie im Leben ein. Auf dem Heimweg vom Koreaner fragen sie sich gegenseitig, ob sie gemerkt hätten, dass er kein "richtiger Koreaner" war. "Yaki-niku" heißen die Restaurants korrekt, in deren Tische ein mit Holzkohle und Gas kombiniert beheizter Grillofen eingelassen ist. Übersetzt heißt das "gebratenes Fleisch". Aber die meisten Leute sagen "Koreaner".

Das Braten von Fleisch am Tisch kam aus Korea nach Japan (was Japans Küchen-Nationalisten bestreiten). Bis vor 150 Jahren waren die Japaner Vegetarier, Fleisch zu essen war verboten (es gab erlaubte Ausnahmen), die Viehzucht erreichte Japan erst Ende des 19. Jahrhunderts. Heute sind die Yaki-niku so populär, daß größere Lokale im Eingang lange Sitzreihen und Spiele für Kinder eingerichtet haben. An Samstagen müssen Familien oft lange auf einen freien Tisch warten.

Viele "Koreaner" werden von Japanern geführt, die Gerichte haben sich angepasst. Vor allem das Kimchi, der eingelegte, mit Fisch und Chili vergorene Sauerkohl, der zum gebratenen Fleisch gehört, und in Korea zu jedem Essen als Beilage umsonst gereicht wird. Beim japanisierten Koreaner ist das Kimchi nur noch rot, nicht mehr scharf. Und dafür teuer. Eingelegten Knoblauch und Knoblauch zum Braten gibt es auch nur beim "richtigen Koreaner".

Im Yaki-niku sitzen Familien und oft große Gruppen von Arbeitskollegen zusammen am Tisch, hier darf jeder laut und ausgelassen sein. Das Grillen jedoch überlassen sie einer Person, Familien der Mutter. Sie brät alle Rind- und Schweinefleischstücke, auch Innereien, und legt sie Mann und Kindern in die Saucen-Tellerchen. Dazu gibt es Reis.

Huhn serviert der Koreaner kaum, dafür haben die Japaner einen anderen Restaurant-Typ: die "Yaki-tori", übersetzt "gebratene Vögel". Einst kleine Schnellimbisse an der Ecke, sind das heute Lokale, in die man geht, um zu trinken, also gesellig zu sein, und dabei Häppchen zu essen: gebratene Hühnerleber, Hühnermägen, Hühnerherzen, oder Muskelfleisch, meist auf einem Spießchen.

Im "Yaki-tori" grillt der Wirt in der Küche oder vor dem Lokal auf der Straße selber, die Gäste dürfen nur zuschauen. Er grillt auch Gemüse, Lauch zum Beispiel, Pilze und Tofu. In Korea ist fast jedes Restaurant ein "Koreaner", also eines mit Grillöfen in den Tischen. Auch das Lokal um die Ecke, in dem die Nachbarn essen gehen. Das Grillen gehört hier zum Alltag, das ganze Jahr. Viele Leute braten sich, unabhängig davon, was sie sonst essen, ein paar Streifen Fleisch. Anders als in Japan fällt es auch nicht auf, wenn ein einzelner Gast für sich alleine grillt. Viele koreanische Familien haben überdies zuhause einen Tischgrill. Äußerst beliebt ist in Korea gegrillter Tintenfisch, im Restaurant braten ihn die Gäste selber, er wird und auch an Ständen auf der Straße gegrillt und als Snack verkauft. Zum Beispiel vor dem Kino.

An Sommerabenden zuhause im Freien grillen Japaner und Koreaner hingegen nie. Bloß auf Campingplätzen mit den Kindern, dort oft "deutsche" Würste. Oder am Fluss selbstgefangenen Fisch. Als vollwertige Mahlzeit gilt das nicht, nur als Picknick. Ein gutes Essen im Freien, wo es im Sommer sehr heiß ist, auch abends, und Mücken und Fliegen einen plagen, das geht in ihren Augen nicht. Sie könnten sich ja nicht dem Essen widmen. Lieber grillen sie unter einer laufenden Klimaanlage. Unsere Expertin in solchen Fragen, die 75-jährige Nachbarin, findet es unanständig, im Freien zu essen. Und ein richtiges Essen im Freien zuzubereiten erst recht. Sie regt sich schon über Erwachsene auf, die auf der Straße essen, und sei es nur ein Eis auf dem Heimweg vom Koreaner. Die Kinder dürfen das.

Christoph Neidhart, Tokio

USA: Der Grill als Statussymbol

Die traditionellste Zubereitung von Fleisch in Amerika ist das "Barbecue", abgekürzt auch "BBQ". Allerdings handelt es sich dabei nicht um das gewöhnliche Grillen, obwohl beides oft gleichgesetzt wird, sondern um das langsame Räuchern über einem Holzfeuer, meist von Schweinefleisch. Ihren Ursprung hat diese Technik in den Südstaaten, dort wird sie bis heute gepflegt und ist sogar ein Bestandteil der lokalen Identität, wobei es wiederum örtliche Unterschiede gibt, besonders bei den Barbecue-Saucen. Traditionsbewusste Bewohner des Südens sind stolz darauf, dass jene im Norden das Barbecue weder beherrschen, noch zu schätzen wissen.

Ansonsten ist das gemeinhin so genannte "Grillen" im ganzen Land enorm beliebt und verbreitet. Amerikaner verspeisen allgemein große Mengen Fleisch, wobei beim Grillen vor allem Rindfleisch zum Einsatz kommt, meist in Form von Steaks, die bis zu vier Zentimeter dick sein können. Wer eine Gartenparty ausrichtet, vor allem mit vielen Kindern, grillt oft nur Hackfleischscheiben mit einer Scheibe Käse darauf für Cheeseburger, oder Würstchen für Hot Dogs.

Wie alles in den USA ist auch das durchschnittliche Grillgerät von imponierender Größe, und zum Teil auch ein Statussymbol. Ein gewöhnlicher Grill aus dem Baumarkt passt, wenn er original verpackt ist, kaum in den Kofferraum. Eines der Spitzenmodelle zum Beispiel kostet 2500 Dollar, was fast dem gleichen Euro-Betrag entspricht und mancherorts schon reicht, um einen gebrauchten Kleinwagen zu kaufen. Es besitzt unter anderem Lichter, welche die Grillfläche beleuchten - sie schalten sich automatisch ein, wenn man den Deckel öffnet.

Nicolas Richter, New York

China: Hier grillt nur der Barbar

Eigentlich ist es erstaunlich. Die chinesische Küche ist nicht nur die beste, es ist auch die vielfältigste der Welt. Das gilt auch für die Zubereitungsarten. Der Chinese brät, röstet, sautiert, rührt, frittiert, schmort, siedet, blanchiert, dünstet, dämpft, kandiert und bäckt. Aber er grillt nicht. Oder kaum. Anders als in den meisten Nachbarländern (Korea, Japan, Vietnam), wird man auf der Speisekarte normaler chinesischer Restaurants kaum ein Grillgericht finden.

Was nicht heißt, dass man in einer Stadt wie Peking nichts Gegrilltes fände. Im Gegenteil: Die Pekinger lieben die über Holzkohle gegrillten, mit Kümmel und Chilli gewürzten Lammfleischspießchen, die fliegende Köche früher an jeder Straßenecke anboten. Vor drei Jahren waren in den Hutongs, den Gassen der Altstadt, "kao yangtui", der letzte Schrei: gegrillte Lammhaxen, über die sich ganze Tischgemeinschaften gemeinsam hermachten. Und ab und zu treffen sich Freunde im Yunnan-Restaurant, um eine mit Zitronengras gewürzte Karausche zu essen, eine kleine Karpfenart. Aber eben das ist der Punkt: Yunnan ist die Heimat ethnischer Minderheiten.

Die Lammfleischspießchen sind eine Spezialität der Uiguren im Westen, und die gegrillte Lammhaxe kommt von den Mongolen im Norden. In China grillen also eigentlich nur mehr die von den Han-Chinesen einst eroberten Völker, jene Nomadenvölker vor allem, von denen sich das sesshafte chinesische Bauernvolk mit der in seinen Augen überlegenen Zivilisation immer abgrenzen wollte. Es grillt nur der Barbar. Aber, was will man machen, es schmeckt halt. Also lässt man sich's von ihm in den Mund schieben.

Kai Strittmatter, Peking

Frankreich: Sterne-Grillen im eigenen Garten

Ausgerechnet bei diesem Wort versagt die französische Sprache. Die Sache selbst gehört zwar mittlerweile auch für Franzosen zu den Sommerfreuden im Freien und "grillen" könnte auf Französisch ja einfach "griller" heißen. Das einfache Wörtchen existiert zwar, kommt im Land der Spitzenköche in diesem Zusammenhang aber keinem über die Zunge.

Vielmehr musste dafür übers Spanische und Englische ein kompliziertes Fremdwort konstruiert werden. Der Spaß heißt in Frankreich "barbecue".

Grilliert wird praktisch ausschließlich im eigenen Garten. Nicht nur, dass öffentliche Feuerstellen in französischen Wäldern und Feldern höchst selten sind und dass Feuermachen im öffentlichen Raum prinzipiell genehmigungspflichtig ist.

Vor allem ist es mit einer schönen Glut, einem zarten Stück Fleisch drauf und der gekühlten Flasche Rosé nicht getan. Ein gelungener "barbecue" zielt nicht auf Deftiges in ungezwungener Geselligkeit, sondern auf Qualitätserwartungen, die in der gehobenen Küche geprägt wurden, mit dem Mehrwert der frischen Luft. Das setzt einiges an Zubehör voraus, Utensilien, die nicht immer ganz leicht transportierbar sind.

Deshalb grillt man zuhause, am besten gleich vor der Küche, um die hausgemachte italienische Balsamico- oder japanische Misso-Marinade zum Nachwürzen griffbereit zu haben für die Gambas, Lachsfilets, Auberginescheiben oder Entrecôte-Stücke.

Eigentlich müssten auch für Gartengrillmenus Sterne vergeben werden. Pech nur, dass just zur Hochsaison wegen einem Konflikt zwischen französischen Schweinezüchtern und Fleischverarbeitern der Markt ausgesetzt wurde und statt der vorzüglichen französischen Mastschweine Ersatzware aus dem Ausland herhalten musste. Fremdwaren sind noch verdächtiger als Fremdwörter.

Joseph Hanimann, Paris

Polen: Die Feuerwehr grillt mit

Selbst die Feuerwehr war dabei, als sich Mitte Juni mehrere tausend Polen und ihre Gäste zum großen Wettgrillen trafen. Die Griller in Strzelinko an der Ostseeküste hatten sich ein hohes Ziel gesetzt: Bei der polnischen Grillmeisterschaft traten Teams aus über das ganze Land verteilten Restaurants gegeneinander an; in einer anderen Kategorie waren auch Nachbarn aus den baltischen Republiken mit dabei.

Wachsam beobachtet von der lokalen Feuerwehr stellten 2853 gleichzeitig am Grill stehende Polen und ihre Gäste mit dem simultanen Braten von Schweinefilets einen neuen Weltrekord in der von den Guinness-Rekordwächtern geführten Kategorie "Höchste Zahl gleichzeitig kochender Leute" auf (zuvor von 2801 Chinesen gehalten).

Grillen ist in Polen sehr populär geworden - die polnische Newsweek-Ausgabe erklärte es zu "unserem neuen Nationalsport". Krzysztof Szulborski, Chef des polnischen Köche-Verbandes und begeisterter Griller, wird zum Beginn der Grillsaision selbst von großen Zeitungen interviewt. Würden Rekordwächter an an einem beliebigen Samstagabend Grillen polenweit erfassen, kämen sie mit Tausenden nicht mehr hin. Der kürzlichen Umfrage einer Supermarktkette zufolge grillen mehr als die Hälfte der 38 Millionen Polen mindestens einmal im Monat, jeder vierte Pole gleich mehrmals - leider zum Leidwesen der Nachbarn oft auch auf Balkonen.

Anders als in Deutschland, wo die Hoheit über Grill und Autowaschen fest in Männerhand ist, stehen in Polen die Frauen genauso oft am Grill. Und auch wenn die Polen mittlerweile auch mal Tomaten, Zucchini oder Gurken auf den Grill legen, so ist doch Fleisch in allen Varianten klarer Favorit. Polnische Würste (kielbasa), je nach Region unterschiedlich aus Schwein oder Rind, Truthan, Lamm oder Huhn zubereitet, von vielen Polen gar selbstgemacht, kommen am häufigsten über die Holzkohle, oft begleitet von gegrillten Zwiebeln. Auch Salat gehört für gut der Hälfte der Polen zu einer ordentlichen Grillorgie, begleitet von Bier oder einer von Dutzenden polnischer Wodkasorten - von experimentierfreudigen Grillfreunden auch als Marinade empfohlen.

Florian Hassel, Warschau

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