Vom Model zum Filmstar:"Ich weiß, dass keiner auf mich gewartet hat"

Filmtipp "Heute bin ich blond"

"Model turned Actress" - eine spöttische Berufsbezeichnung, die viele Models ertragen müssen, wenn sie sich an der Schauspielerei versuchen.

(Foto: Universum Film/dpa)

Viele Hollywood-Schauspielerinnen waren mal Models. Und doch gehen einem Models, die auf die Leinwand wechseln wollen, gehörig auf die Nerven. Im Falle von Lisa Tomaschewsky gibt's aber keinen Grund dazu - wie sie in ihrem neuen Kinofilm "Heute bin ich blond" beweist.

Von Rebecca Casati

Kommen zwei Beine zur Tür herein: sehr fein, zerbrechlich und fast schmerzhaft bleich sind die. Unten offene High-Heel-Sandalen, oben ein gelbes Cocktailkleid, all das viel zu optimistisch für einen gerade erst angebrochenen Wintertag in Berlin-Mitte. Lisa Tomaschewskys süßes, deutliches Stimmchen bestellt ein Glas Wasser. Dann setzen sich die Beine mit ihr aufs Hotelzimmersofa und sind so wenig vorbereitet auf die kalten Seidenbezüge, die Zimmertemperaturen überhaupt und die nackten Holzböden, dass sich die Härchen erst mal sofort steil erheben müssen, wie eine kleine Armee in Alarmbereitschaft.

Bedenklicher wirkt jetzt eigentlich nur noch das Gesicht der Presseagentin, die sich siamesisch nah an all das drangeklemmt hat. Und nachdem man sie operativ entfernt hat, kann man endlich auch Mittelteil und Kopf ihres Schützlings studieren.

Lisa Tomaschewsky; der Name dieser jungen Frau sagt einem hier jetzt erst mal nichts. Sie ist 24, und für ihre aktuelle Station im Leben wurde irgendwann in den Neunzigern der Begriff MTA erfunden. Model turned Actress. Schauspielerin, die mal Model war. Was phonetisch wertfrei klingt, es semantisch aber nicht ist.

Tomaschewsky hat in ihrem Leben ein paar sehr kleine Filmrollen gespielt, zum Beispiel in Hans Weingartners "Die Summe meiner einzelnen Teile". Sie hatte ein paar Auftritte in der Soap "Verbotene Liebe". Und jetzt kommt sie am 28. März mit einer Hauptrolle ins Kino. In dem Film "Heute bin ich blond" nach dem autobiografischen Bestseller-Roman der jungen Holländerin Sophie van der Stap spielt sie eben diese: eine lebenslustige, hübsche junge Frau, die an einer seltenen Form von Krebs erkrankt.

Van der Stap hatte ihre Erfahrungen, ihren Umgang mit der Krankheit und schließlich ihre Heilung in einem Blog verarbeitet, daraus entstand ein Buch, das ein Bestseller wurde. Im Alltag der erkrankten Sophie spielen Perücken eine zunehmend große Rolle, denn wie üblich fallen ihr nach der Chemotherapie die Haare aus, und um ihr Leben abseits von Krankenhausaufenthalten und Transfusionen einigermaßen normal und vor allem motiviert weiterleben zu können, lässt sie sich neun verschiedene Perücken anfertigen. Und entwickelt für diese Charaktere: die Verwegene, die Strenge, die Mädchenhafte...

Lisa Tomaschewsky also spielt dieses Mädchen unter der Regie von Marc Rothemund. Und man kann fast sagen: Sie macht das frischer und glaubhafter, als der leider etwas klischeehaft inszenierte Film dies eigentlich zulässt.

Schadenfreude am Scheitern

Ein Model, das in den Schauspielerberuf wechseln will, ist in etwa so hoch angesehen wie der Konkurs gegangene Privatier, der seine Memoiren schreibt, oder wie die Millionärsgattin, die allen mit ihrer ersten eigenen Schmucklinie in den Ohren liegt. Die gemeinsame, fatale Ausgangslage: Man hört ihnen zu, ist aber nicht neugierig auf ihr Können, eher auf ihr Scheitern. Sie sind vor allem dazu da, Menschen in ihren Vorurteilen zu bestätigen, weil das Nicht-Talent nun mal, seien wir ehrlich, gleich das nächstbeste Unterhaltungsding nach dem Talent ist.

Die Wahrheit ist auch: Wir, das Publikum, sind eitel. Viel, viel eitler und viel schneller beleidigt als so mancher Star. Wenn wir es sonst schon nicht sind, so möchten wir uns doch wenigstens abends vor dem Bildschirm wie Columbus, Kopernikus oder wenigstens Professor Higgins fühlen dürfen. Es lohnt sich nur, lange Zeit irgendwo dranzubleiben, genau hinzusehen, an der herunterbaumelnden Strippe zu ziehen oder im Sand zu buddeln, wenn sich dann irgendwann auch tatsächlich, - tada! - eine ganz unerwartete Überraschung oder Wendung ereignet.

Bei einer Frau, die so offensichtlich hübsch ist, dass sie ihren Lebensunterhalt damit verdient, gibt's logischerweise erst mal nichts, was vorher nicht offen da lag, also noch nicht von Art-Direktoren, Stylisten, Plakatklebern und Millionen anderen entdeckt wurde.

Man schaut auch jetzt wirklich sehr gerne dem niedlichen Entenschnabelmund zu, verweilt ein bisschen auf dem perfekten Haaransatz oder macht eine kleine Reise über die sehr weißen, sehr sehr geraden Zähne. Ihre so besorgniserregend dünnen Beine vergisst man dann schon, auch, weil Tomaschewsky so munter voran redet - und das mit der etwas gestelzten Höflichkeit von Menschen, die sehr früh gelernt haben, sich anzupassen: "Ich bin erst mal dabei, mich in der Filmbranche weiterzubilden", sagt sie.

Ich bin jetzt gar nicht mal so der Mensch, der... So leitet sie ihre Sätze ein. Und beendet sie dann mit: Sag ich jetzt mal. Sachen, die man wohl sagt, wenn man erst mal ausprobieren muss, wie es denn eigentlich so ankommt, wenn man plötzlich im Ganzen wahrgenommen wird und nicht mehr nur in vielen schönen Einzelteilen. Von Menschen, die einen plötzlich nicht mehr nur sehen, sondern auch hören.

Nur nichts bereuen

Natürlich kennt Tomaschewsky Sendungen wie "Germany's next Topmodel". Mit deren Inhalt habe sie sich allerdings nie identifizieren können, "weil ich meiner Meinung nach immer was anderes gemacht habe. Ich find's okay, wenn die Leute das gucken. Tue ich auch manchmal. Aber realistisch ist das bestimmt nicht. Es gibt Mädchen, die wirklich großes Potenzial haben, aber da verheizt werden. Die tun mir dann sehr leid." Das nämlich, sagt sie, hätte sie schon ziemlich schnell gelernt: Wie man sich nicht verheizen lässt.

Das erste Mal an die Model-Welt angedockt war die gebürtige Itzehoerin Tomaschewsky mit 14 Jahren, nachdem sie ihre Freundin zu einer Miss-Hamburg-Wahl begleitet hatte und dort von einem Modelscout im Publikum entdeckt worden war. Eine Geschichte wie aus einer Time Warp, so häufig hat man sie schon gehört oder gelesen. Tomaschewsky interessierte damals das Modeln nicht, wohl aber eine 250 Mark teure, weiße Handtasche, die sie in Hamburg auf der Mönckebergstraße gesehen hatte. Und die damit in greifbare Nähe rückte. Sie bekam erste Jobs, kaufte die Tasche, ging immer seltener zur Schule. Noch 14-jährig flog sie runter, ohne Abschluss.

Ihre Eltern daheim in Itzehoe haben relativ normale Jobs: "Mein Papa baut Boote, meine Mutter arbeitet in einer Bank." Trotzdem seien sie damals nicht alarmiert gewesen, sondern hätten die Tochter immer unterstützt. Die bewarb sich zunächst bei der Polizei. Und während sie das erzählt, stellt man sich leider sofort vor, wie keck man die Schirmmütze wohl auf ihrem prächtigen braunen Haar arrangieren könnte und wie angetan irgendwelche Typen wären, wenn sie von ihr einen Strafzettel... lauter dumme Kurzfilmchen und Eiscremewerbespots halt.

Mit 18 zog Tomaschewsky dann nach Hamburg, in eine kleine Wohnung in Barmbek, einen ziemlich trostlosen Stadtteil also, wo außer einer S-Bahn, neben der Tomaschewsky auch direkt wohnte, so gar nichts losgeht, schon gar keine glamouröse Karriere. Dann kam plötzlich das Angebot von Elite Models, nach Mailand zu ziehen und dort zu arbeiten. Einmal geriet sie an einen Fotografen, der offenbar auf Drogen war (obwohl Tomaschewsky dazu nur "durch den Wind" sagt). Der habe sie ziemlich grob angeredet. "Man muss sich das vorstellen", sagt Tomaschewsky, die manchmal interessanterweise in die dritte Person verfällt, wenn sie sich als Model beschreibt, "steht da dieses hübsche, junge Mädchen und ist sowieso schon verunsichert, und der Typ rastet komplett aus..."

Das ist aber auch schon, ähem, die schlimmste Geschichte aus dem Mailänder Modelleben. Dann erst folgte etwas, was für ein relativ erfolgreiches Mailänder Modelleben ein bisschen seltsam klingt und zumindest bei "Germany's next Topmodel" schwer geahndet werden würde: Tomaschewsky zog sich für den Playboy aus. Die Bilder sind im Internet zu sehen, und die ultrafeminine, braun gebrannte Schönheit hat mit der Realität von heute irgendwie nicht viel gemein. Sie würde es heute auch nicht mehr machen, sagt sie, aber damals sei ihr der Zeitpunkt ideal erschienen: "Ich fand meinen Körper da perfekt, das musste ich irgendwie festhalten."

Nicht mehr ihre Szene

Hm, tatsächlich? Man empfindet als Model auch so etwas wie eine dokumentarische Verantwortung? Wurde das denn in der Modewelt gar nicht beäugt? "War mir egal, was andere darüber denken. Ich habe es für mich gemacht, nicht um einen Status zu erreichen. Natürlich gibt's Menschen die sagen: Bisschen komisch, dass du das gemacht hast." Und nein, ihre Eltern gehören nicht dazu. Die hätten auch in der Sache zu ihr gestanden.

Ihre Bilanz, ihr Leben aus heutiger Seidencouch-Perspektive, war das nicht doch vielleicht alles ein bisschen früh? 24, kein Schulabschluss, aber Hunderte Nacktfotos im Netz? Und das alles letztlich wegen einer Tasche, deren Markennamen sie heute nicht einmal mehr erinnert?

"Ich weiß", sagt sie. Und: "So viele Models wollen Schauspielerinnen werden. Und man wird in meiner Situation immer ein bisschen belächelt. Übrigens auch, sogar vor allem von früheren Kollegen aus der Modeszene." Ist das denn jetzt nicht mehr ihre Szene? "Nein. Beides parallel geht nicht. Ich habe mich für den Film und gegen das Modeln entschieden, ich habe mir für den Film die Haare abrasiert und damit auch mein früheres Leben beendet. Trotzdem gibt es nichts, das ich bereue, immerhin haben meine Erfahrungen mich zu diesem Punkt getragen, hier, auf dieses Sofa."

Der Playboy. Das Internet. Ihr Freund Lars Burmeister, der ein berühmtes Männermodel ist. Es wird bestimmt nicht einfach werden, das interdisziplinäre Gatecrashing.

"Ich weiß, dass keiner auf mich gewartet hat", sagt sie. "Aber ich werde mir den Hintern aufreißen, damit das mit dem Schauspiel klappt."

Nun. Eigentlich hat Tomaschewsky auch nicht "Hintern" gesagt. Es klang bei ihr härter und ernst gemeinter und fast zornig optimistisch. Manchmal funktioniert es ja, manchmal sind die Menschen gnädig und lassen jemanden durch, der eigentlich keine Eintrittskarte hatte. Wäre irgendwie nett, wenn es hier so wäre. Sie wäre doch so eine gute Streifenpolizistin.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: