Verpackungen:Quatsch nicht!

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(Foto: Illustration Stefan Mosebach; Montage Jessy Asmus)

Tee verspricht Glück, Duschgel Schönheit und das Müsli ruft zur Revolution auf: Wann sind Alltagsprodukte so geschwätzig geworden - und warum?

Von Meredith Haaf

Meine beste Bodylotion riecht nach Lavendel, sie ist top-öko und tut für meine Haut, was sie soll. Ich muss sagen, ich bin gerade ziemlich verliebt in sie. Aber bei Gott, ich wünschte, sie würde einfach mal die Klappe halten.

Jede hat ihre eigene Morgenroutine, meine geht so: Ich stehe auf, wenn es noch fast dunkel ist, richte Kaffee und Müslischalen her, bugsiere müde Kinderkörper in die Küche, stelle freundliche Fragen, um Kindergehirne in Gang zu bringen, und wenn die morgend­liche Geschwister-Konversation beginnt, dann: verzieh ich mich ins Bad und will meine Ruhe.

Ich höre kein Radio unter der Dusche, mir ist es sogar zu früh zum Selbersingen. Ich gehe ausdrücklich dorthin, um wenigstens zehn Minuten am Tag nichts zu hören und nichts zu lesen. Aber in letzter Zeit fühle ich mich in meinem Badezimmer so dermaßen vollgetextet, als hätte ein Team aus gut gelaunten Sprücheklopfern dort seinen Besprechungsraum.

Der Grund dafür ist, dass sich die Verpackungen meiner Körperpflegemittel verändert haben. Einst leisteten sie mir pragmatisch-zurückhaltende Gesellschaft: Als Gebrauchsgegenstände, deren Betextung sich auf die Information beschränkte, wonach sie dufteten, was drin war und für welchen Hauttyp sie sich eigneten. Doch seit einiger Zeit hat sich ihr Mitteilungsbedürfnis erweitert. Seit einiger Zeit werden Verpackungen voller gedruckt als eine Magazinseite.

Unter betont blumig-bildhaften Namen wie "Golden Harmony" oder "Peppermint Party" erzählen sie nicht nur ausführlich, wie vegan, biologisch abbaubar und insgesamt knorke das Produkt der Wahl ist, sondern auch, was ich mir beim Duschen vorstellen soll und wie es mir gehen wird, wenn ich mich abgewaschen habe. Das klingt ungefähr so: "Hülle dich in Sanftheit, gleite über schaumige Träume, hinein in einen glitzer-goldenen Tag!"

Das geht einem nicht nur bei Duschgels so, sondern im ganzen sogenannten Wohlfühlsortiment: Tees beschwören ihre Trinker "Keep calm and be cool" oder "Genieße romantische Stunden". Smoothies bieten sich "Für Insichgeher mit Weitsicht" an. Mein Müsli wollte mir neulich mitteilen, wir würden gemeinsam die Welt verändern, nur weil es gluten- und zuckerfrei ist. Das wäre wegen mir gar nicht nötig.

Alles, was ich von einem Duschgel ernsthaft will, ist, dass es mich erfrischt, sauber macht und die Umwelt nicht mit Kunststoffpartikeln und Erdölresten belastet. Ein Tee soll mir schmecken, ein Müsli mich morgens satt machen. Aber meine Seifen wollen mehr für mich sein: mindestens ein Freund, wenn nicht sogar eine sanft-süße, prickelnde, halb erotische Verheißung. Der Tee will mein Leben optimieren und das Müsli mir das Gefühl politischer Wirkungslosigkeit nehmen. Am schlimmsten ist aber die Lavendellotion, die sich auch noch zu meinem Therapeuten aufspielt: "Massiere die Lotion zur Entspannung sanft in die Haut ein, immer dem Herzen entgegen. Tief einatmen. Gesundheit ist das größte Geschenk!" Okay, danke für die Unterstützung.

Wozu so viele Worte?

Auch Kinderprodukte biedern sich ihren Konsumenten an mit Gequassel wie angeheiratete Tanten, wenn sie scharf auf den Posten der Lieblingsverwandten sind. Keine Kinderseife, die sich nicht explizit an "kleine Supermänner" richtet oder die "Prinzessin Sauberfein" beglücken will. Ein Badezusatzhersteller bedruckt mittlerweile jede dieser vermaledeiten Einzelpackungen mit einer Vorlesegeschichte für die Wanne, in der es darum geht, was die Kinder mit dieser Badekugel so alles erleben. Als wüssten sie nicht selbst, wie man in einer Wanne voller Schaumbad Spaß hat.

Wozu so viele Worte? Einerseits werden Konsumenten immer unberechenbarer und unbeständiger. Die Produkt- und Designpaletten passen sich da an. Verpackungen gelten in der Produktvermarktung als Generalschlüssel zum Kunden, "Packaging" ist eine Art eigene Wissenschaft.

Jeder kennt diese Hochstapler des Alltags, diejenigen, die einem immer mehr versprechen, als sie halten können. Coaches, die transformative Erfahrungen versprechen, Bekannte, die Verabredungen ankündigen, obwohl sie nie Zeit haben, Kollegen, die gemeinsame Projekte planen, die sie nicht verwirklichen können.

Dahinter steckt Unsicherheit und eine gewisse Übergriffigkeit: Das Wissen, nichts für uns tun zu können und der Wille, trotzdem auf unserer Agenda zu bleiben. Die Artikel in den Laberpackungen kommen ganz ähnlich daher: Sie sind nun mal an sich nichts weiter als relativ überflüssiger, Plastikmüllintensiver Luxusquatsch für die eingeschränkte Kaufkraft. Leicht zu ersetzen und für bewusste Verbraucher eher mittelattraktiv. Deswegen versuchen sie, sich permanent neu zu erfinden, deswegen suggerieren sie uns permanent ein tolles gemeinsames Erlebnis, obwohl wir nur miteinander duschen.

Warum wir das mitmachen? So ist das mit dem kurzfristig Verliebtsein eben - für einen schönen Moment ist man manchmal bereit, den größten Schwachsinn in Kauf zu nehmen. Selbst wenn beide wissen: Ewig hält das nicht.

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Süddeutsche Zeitung Familie
SZ Familie Heft 12

Dieser Text stammt aus SZ Familie. Weitere Themen:

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