Einer der Unternehmer, die gerade versuchen, den Markt der Pflanzenpattys weiter zu optimieren, ist Mazen Rizk aus Berlin, 33 Jahre alt und Doktor für Technische Mikrobiologie. Er stellt sich die gleiche Frage wie Patrick Brown: Wie sollen wir bald neun Milliarden Menschen ernähren? "Essen aus dem Labor mag künstlich klingen, aber es ist gesund und nachhaltig, man kann schneller und wetterunabhängig große Mengen herstellen mit einer höheren Versorgungssicherheit. Wir können darüber hinaus genau kontrollieren, wie viel Protein oder Ballaststoffe in den Produkten enthalten sind, um den Menschen bestmöglich damit zu versorgen", sagt Mazen Rizk.
Er setzt dafür auf Pilze. Seit März 2018 versucht er mit seinem Start-up "Mushlabs" daraus fleischähnliche Nahrung herzustellen. "Ich liebe Pilze", sagt der Libanese, der 2010 nach Deutschland gekommen ist. "Damit bekommt man den fleischigen Umami-Geschmack hin." Dafür werden die Pilzzellen mit Rohstoffen wie Bananenschalen oder Kaffeesatz fermentiert; der Masse, die übrig bleibt, entzieht man dann das Wasser. Zurück bleibt ein Teig, den man trocknen und als Pulver nutzen kann, oder aus dem man zum Beispiel Frikadellen formt.
Noch ist daraus kein Burger geworden, gemeinsam mit einigen Köchen arbeitet Mazen Rizk derzeit an einem Prototyp. Der Erste soll im Herbst 2019 in Restaurants angeboten werden. Ähnlich wie bei Impossible Foods will auch Rizk sein Produkt erst in Restaurants servieren lassen; er fürchtet, wenn der Kunde direkt im Laden mit Essen aus dem Labor konfrontiert wird, könnte er zu viele Berührungsängste haben. "Unsere Pilzburger haben eine große Gemeinsamkeit mit Bier und Brot: Sie sind fermentierte Lebensmittel", sagt der Unternehmer. "Aber nicht jeder kann sich etwas darunter vorstellen." Seiner Meinung nach müsse künftig nicht alles Fleisch aus dem Labor kommen, das sei nicht die alleinige Lösung in Hinsicht auf die weltweite Versorgungslage. "Aber die Kombination von Laborfleisch, pflanzlichen Proteinquellen und Pilzen wird eine bedeutende Alternative zur herkömmlichen Fleischindustrie sein," sagt Mazen Rizk.
Mit Klimawandel und Weltbevölkerung argumentieren inzwischen sogar die großen Fleischanbieter, das Unternehmen Rügenwalder Mühle zum Beispiel - bekannt für Wurstprodukte - fährt seit Monaten eine große Kampagne, um seine Veggie-Burger aus Soja und Weizengluten zu bewerben. Auch dabei geht es weniger um die Weltrettung als ums Geschäft. Allein in Deutschland wurden 2018 mit vegetarischen und veganen Lebensmitteln knapp 960 Millionen Euro Umsatz gemacht. Und der Markt wächst: 2016 entfielen 20 Prozent aller neu eingeführten Fleischwaren hierzulande auf Produkte aus Fleischersatz. 2011 waren es noch sechs Prozent.
Die entscheidende Frage: Wie kann man Fleischesser für vegane Produkte begeistern?
Dass es nicht unbedingt ein Labor braucht, um einen guten vegetarischen Burger hinzubekommen, beweist hingegen die österreichische Firma Vegini, eine der wenigen, die auf Soja und Weizen verzichten. Sie nutzen Erbsenprotein für ihre Fleischersatzprodukte. "Für uns kommen nur Rohstoffe aus der EU in Frage, die Erbse ist im Gegensatz zu Soja optimal an das wechselhafte europäische Klima angepasst", sagt Andreas Gebhart, der Geschäftsführer. "Wir verarbeiten einen Rohstoff, bei dem nicht über Gentechnik, Hormone und Allergene diskutiert wird."
Gebhart stammt aus einer Metzgerfamilie aus der Nähe von Konstanz, die Firma übernahm er von Vater und Großvater. Doch mit 36 Jahren erfüllte er sich einen Traum: Er verkaufte das Familienunternehmen und begann, Lebensmitteltechnologie zu studieren. Nach einem Zwischenstopp bei einer Firma, die unter anderem Milchproteine als Rohstoff für Lebensmittel herstellt, stellte er sich die Frage: Wie kann ich mich als Fleischesser für vegane Produkte begeistern? "Jedes Kilo Fleisch, das nicht gegessen wird, ist der richtige Schritt in die Zukunft", sagt Gebhart.
Auf dem Firmengelände nahe Amstetten in Niederösterreich arbeiten mittlerweile 50 Mitarbeiter an veganen Burgern, Schnitzeln oder pulled chunks, also Putenbruststreifen ohne Pute. Erbsenprotein, Erbsenfasern, Trinkwasser, Kartoffelstärke, Sonnenblumenöl, Salz: Mehr braucht es nicht. Auch die Marinaden stellen sie selbst her. Nach eigenen Angaben wird für ein Kilo Vegini-Fleisch im Gegensatz zu einem Kilo Rindfleisch zwölf Mal weniger Wasser und 75 Prozent weniger Land verbraucht und 60 Prozent weniger CO² ausgestoßen. Mit diesem Ergebnis hebt sich die Firma von vielen Veggieburgern aus dem Convenience-Bereich ab. Selbst wenn auch er ohne Drumherum nicht so schmeckt wie ein Rindfleischburger und seine Konsistenz an Putenfleisch erinnert, saftig mit gutem Biss: Er schmeckt.
Der Veggie Burger, das war mal die farb- und geschmacklose Variante des "echten" Burgers. Die Firmen werden weiter am perfekten Nicht-Fleisch tüfteln. Und ihre Kunden davon überzeugen müssen, dass die Zutaten für den heiß geliebten Burger in klima- und tierfreundlich nicht immer aus dem Gemüsegarten kommen, sondern auch mal aus der Petrischale.