Süddeutsche Zeitung

Vegetarisch Grillen:Revoluzzer am Rost

Körnerfresser, Gurkenkasper, Gemüseputzer: Lange galten sie als Außenseiter, doch die Zeiten, in denen Vegetarier beim Grillen an einem trockenen Maiskolben herumnagen mussten, sind vorbei. Die Bandbreite vegetarischer Extra-Würste überzeugt oft sogar hartgesottene Fleischesser. Eine Auswahl.

Von Merle Sievers

Anne fühlt sich mal wieder als Spielverderberin. Sie hat sich auch vorher schon manchmal als Spielverderberin gefühlt. Doch heute besonders. Auf der Gartenparty, bei der sie zu Gast ist, wird gegrillt. Alle Gäste stehen um den schicken, neuen Rost des Gastgebers herum und bestaunen die saftigen Steaks, die dort vor sich hinbrutzeln. Anne wird gefragt, was sie gerne hätte: Wurst oder Steak? Nichts von beidem. Sie ist Vegetarierin.

Und schon prasselt es auf sie ein. Mitleidige Blicke, verständnislose Fragen ("Weshalb denn?", "Ist das nicht schwierig, so im Sommer?") und ein bestürzter Gastgeber, der kein Gemüse parat hat, das er für sie grillen könnte. Ja, nicht mal die Beilagen könne sie essen, denn der Kartoffelsalat sei ja auch noch mit Speck gemacht. "Auf eine Vegetarierin beim Grillen war ich einfach nicht vorbereitet", entschuldigt sich der Gastgeber mehrfach.

Dabei wäre es gar kein großes Problem gewesen, eine Kleigkeit für Anne auf den Rost zu legen. Denn die Zeiten, als Vegetarier beim Grillen an einem trockenen Maiskolben herumnagen mussten, sind längst vorbei. Die Bandbreite an fleischlosen Speisen vom Grill ist riesig.

Alles Käse

Jalapeños sind die Feuerstuten unter den Paprikas, beim Mexikaner brennt einem das kleine Gemüse oft die Zunge weg. Die Schärfe lässt sich allerdings zügeln, wenn man sie mit einer selbstgemachten Käsecreme füllt. Einfach 100 Gramm Schafskäse, einen halben Becher Crème fraîche und einen Teelöffel Tomatenmark vermischen und mit Knoblauch und etwas Salz und Pfeffer würzen. Dann die Jalapeños aufschneiden, mit der Käsecreme befüllen und für 15 bis 20 Minuten auf dem Rost grillen. Falls der Grill einen Deckel hat, schließt man ihn am besten, damit der Käse zerlaufen und die Paprikas weich garen können. Die herzhafte Käsefüllung passt gut zu den feurigen Jalapeños - schmeckt ein bisschen wie Sirtaki in Mexiko.

Zünftige Kartoffelzeit

Die Bayern sind eigentlich nicht gerade für ihre vegetarische Küche bekannt, aber eine fleischlose Spezialität kennt man dort dann doch: Obatzda. Der eignet sich in abgewandelter Form sogar hervorragend zum Grillen. Dafür etwa fünf Pellkartoffeln aufschneiden und mit einem Löffel aushöhlen. Die Kartoffelmasse zusammen mit jeweils 100 Gramm kleingeschnittenem Camembert und Romadur-Käse mithilfe einer Gabel zerdrücken. Eine gewürfelte Zwiebel hinzufügen und mit Paprikapulver, Kümmel, Salz und Pfeffer abschmecken. Alles gut vermischen und anschließend die ausgehöhlten Kartoffelhälften mit dem Obatzda befüllen. Nach zirka 20 Minuten auf dem Rost sind die Kartoffeln schön goldbraun und der Käseaufstrich warm geworden. Wenn man dann noch kleingeschnittene Frühlingszwiebeln über die Kartoffelhälften streut, sieht es sogar noch hübsch aus.

Überraschungsei

Zu einem klassichen, englischen Frühstück gehören neben anderen Dingen auch geröstete Tomaten und Spiegeleier. Keine schlechte Kombination. Dabei kann man sowohl mit Tomaten als auch mit Eiern noch mehr anstellen, als sie einfach nur zu grillen. Man nehme beispielsweise vier Tomaten, die man anschneidet und aushöhlt. Das Tomatenfleisch mit einem Mixer pürieren und in eine Schüssel geben. Anschließend werden 30 Gramm Grünkernschrot ohne Fett in einer Pfanne geröstet und mit etwas Gemüsebrühe angegossen. Die enstandene Masse mit dem Tomatenfleisch vermengen und noch 70 Gramm geriebenen Gouda untermischen. Die Füllung kann je nach Geschmack noch mit Kräutern und Paprikapulver gewürzt werden. Anschließend füllt man die ausgehöhlten Tomaten mit der Masse und schlägt auf jede Tomate ein Ei. Einfach noch mit ein bisschen Salz bestreuen und auf den Rost setzen. Am besten werden die Tomaten 30 bis 40 Minuten lang bei geschlossenem Deckel indirekt gegrillt. Am Ende hat man dann eine rote Wundertüte auf dem Teller, die beim Anschneiden ihre besondere Füllung offenbart. Mit dieser Variante von Ei und Tomate könnten sogar die Engländer ihr Frühstück noch aufpeppen.

Die Kartoffel in der Kartoffel

Als doppeltes Kartöffelchen könnte man eine der leckersten Beilagen zum Grillen bezeichnen. Dafür zuerst ein paar rohe Kartoffeln der Länge nach aufschneiden und mit einem Löffel aushöhlen. Das Innere wird dann mit etwas Sahne, Knoblauch, Salz und Pfeffer zu einer Masse verrührt, die man dann wieder auf die Kartoffelhälften streicht. Jede Hälfte noch mit etwas Emmentaler- oder Mozzarella-Käse bestreuen und dann für 35 bis 40 Minuten im Kugelgrill indirekt grillen - fertig!

Vegetarisches Grillen ist ohne Zweifel aufwendiger als Fleisch zu grillen. Man kann nicht einfach in den Supermarkt gehen und das fertige Barbecue-Gericht aus der Kühltheke kaufen, das man dann nur noch auf den Rost zu legen braucht. Fleischlose Grillgerichte erfordern Vor- und Zubereitung. Doch die Mühe lohnt sich - nicht nur für Vegetarier. Bei der nächsten Gartenparty war Anne übrigens schon wieder Mittlepunkt der Runde. Dieses Mal allerdings, weil sie ein paar leckere Gemüsevariationen für den Grill mitgebracht hat, die ratzfatz aufgegessen waren - von allen Partygästen. Vegetarier sind also nicht die Spielverderber, sondern Revoluzzer am Rost.

Die ersten drei Rezeptideen stammen aus dem Magazin Fire&Food, das letzte Rezept ist eine Kreation des deutschen Grill- und Barbecuemeisters Michael Hoffmann.

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