USA:Sag mir, was du trägst, und ich sag dir, wen du wählst

Neues aus der Modewelt - Levi's feiert die 501

Demokraten kaufen Levi's, Republikaner lieber Wrangler.

(Foto: dpa)

Demokraten tragen Levi's, Republikaner lieber Wrangler: In den USA ist neuerdings der Kauf einer Jeans ein politischer Akt. Wie kommt das?

Von Hubert Wetzel

Greeley ist eine Stadt im amerikanischen Bundesstaat Colorado. An warmen Tagen riecht es dort gemütlich nach den Kühen, die rund um den Ort auf der Prärie grasen. Viele Menschen hier sind Farmer oder Rancher. Wenn sie Kleidung einkaufen wollen, können sie zu Boot Barn gehen, dort gibt es Stiefel, Hüte, Hemden. Und jede Menge Jeans, aber nicht irgendwelche, sondern Jeans von Wrangler. Die meisten Leute in Greeley wählen die Republikaner.

Etwa sechzig Meilen südlich von Greeley liegt Colorados Hauptstadt Denver, eine boomende, moderne Metropole. In Denver gibt es kein Boot Barn, stattdessen können die Einwohner ihre Kleider zum Beispiel bei der Kaufhauskette Macy's kaufen. Macy's führt auch Jeans, sogar Wranglers, allerdings nur die modischen Modelle, die an den Waden eng geschnitten sind, nicht die weiten Boot-Cut-Hosen, die man über Cowboystiefel ziehen kann. Ansonsten verkauft Macy's vor allem Jeans von Levi's. In Denver regieren seit mehr als fünf Jahrzehnten die Demokraten.

Nun haben sich die Leute auf dem Land und in der Stadt schon immer verschieden angezogen. Das hat vor allem praktische Gründe, Stall und Büro erfordern, salopp gesagt, eben doch recht unterschiedliche Bekleidung. Aber in den USA passiert derzeit etwas anderes: Wer in welchen Läden einkauft, wer welche Marken bevorzugt oder ablehnt, das hat inzwischen immer öfter auch mit der politischen Einstellung des Käufers zu tun. Zu konsumieren bedeutet für viele Amerikaner mittlerweile zu wählen - und zwar im Wortsinn: Es geht beim Kauf eines Produkts nicht mehr nur um Ästhetik oder Praktikabilität, sondern um eine politische Aussage.

Das Wall Street Journal hat dieses Phänomen vor Kurzem anhand von Konsumdaten aus den vergangenen vierzehn Jahren untersucht. Das Ergebnis, das dabei für die ikonischen Jeans-Marken Wrangler und Levi's herauskam, war bemerkenswert: 2004 bezeichneten sich demnach 41 Prozent der Levi's-Käufer als Demokraten, 37 Prozent waren Republikaner - ein Unterschied von vier Prozentpunkten. Seither ist die Marke Levi's noch weiter nach links gerückt, die Kluft ist auf sieben Punkte gewachsen: 2018 waren 39 Prozent der Levi's-Träger Demokraten, 32 Prozent waren Republikaner.

Levi Strauss fordert schärfere Waffengesetze - das ärgert die Republikaner

Noch stärker war die Verschiebung bei Wrangler. Die Marke wurde 2004 noch überwiegend von Demokraten gekauft, 44 Prozent der Kunden tendierten damals nach links, 36 Prozent identifizierten sich als Republikaner. Das ergab einen Acht-Punkte-Vorsprung für die Demokraten. Doch dann gab es einen Umschwung von insgesamt 13 Prozentpunkten. 2018, so hat das Journal berechnet, waren 39 Prozent der Wrangler-Käufer Republikaner, lediglich 34 Prozent waren noch Demokraten - eine Lücke zugunsten der Rechten von fünf Prozentpunkten.

Dass ein Laden in dem republikanischen Städtchen Greeley vor allem Jeans von Wrangler anbietet, während ein Kaufhaus in der demokratischen Großstadt Denver fast nur Levi's im Sortiment hat, erscheint angesichts dieser Zahlen als durchaus sinnvolle Managemententscheidung. Offenbar wollen die Kunden es so.

Aber warum? Einerseits ist das sicher eine Folge von Marketing und Werbung. Die Firma Levi Strauss & Co. hat ihren Jeans, die ebenso wie Wranglers einmal einfache Arbeitshosen waren, ein urbanes, junges, hippes und ethnisch buntes Image übergestülpt, das eher demokratische Wähler anspricht. Wrangler kommt im Vergleich dazu sehr viel bodenständiger, ländlicher, und weißer daher, kurz: republikanischer.

Dieser gewollte Imageunterschied erklärt jedoch allenfalls zum Teil, warum die Käufer der Hosen gegnerischen politischen Lagern angehören. Ein zweiter wichtiger Grund dafür, dass linke Amerikaner lieber Levi's tragen als Wrangler, ist, dass das Unternehmen Levi Strauss sich offen für linke Belange einsetzt. So bittet die Firma zum Beispiel ihre Kunden, in Levi's-Läden keine Schusswaffen zu tragen, nachdem ein Käufer sich einmal bei der Anprobe selbst ins Bein geschossen hat. Das Unternehmen spendet an Organisationen, die schärfere Waffengesetze fordern, und hat das Einreiseverbot kritisiert, das Präsident Donald Trump 2017 gegen die Bürger mehrerer muslimischer Länder verhängt hatte. Levi Strauss mischte sich damit gleich in zwei politische Debatten ein, die Amerika tief spalten. Das freut Demokraten und ärgert Republikaner, die dann entsprechende Kaufentscheidungen treffen. Wrangler hingegen tritt öffentlich vor allem als Sponsor von Rodeos auf.

VW wird neuerdings verstärkt von Demokraten gekauft

Auch andere Firmen und Marken sind in den vergangenen Jahren in die erbitterten Grabenkämpfe der amerikanischen Politik geraten und haben ihre Kundschaft nach links oder rechts wegdriften sehen. Manchmal gerieten die Firmen unfreiwillig in den Strudel, manchmal stürzte sich das Management geradezu hinein. Doch die Lage ist eben so: Je zerrissener und polarisierter die amerikanische Gesellschaft ist, desto schwieriger wird es für Kunden und für Unternehmen, politisch neutral zu bleiben. Dafür hat Donald Trump in den vergangenen Jahren gesorgt - alles ist heute Politik, über alles wird gestritten, niemand kann sich raushalten.

Autos von Volkswagen zum Beispiel wurden vor zehn Jahren noch hauptsächlich von republikanischen Wählern gekauft, die bereit waren, mehr Geld für deutsche Ingenieurskunst auszugeben. Angesichts der Erderwärmung sind die vergleichsweise kleinen und sparsamen VW heute jedoch eher etwas für Demokraten.

Republikaner hingegen bevorzugen die schweren, durstigen Pick-ups von GMC. Damit fahren sie dann, um das Klischee hier einmal richtig auszuwalzen, zu Chick-fil-A, einer erfolgreichen Fast-Food-Kette, die einer streng gläubigen, baptistischen Familie aus Georgia gehört. Das Unternehmen ist gegen die Homo-Ehe, alle Filialen sind aus religiösen Gründen am Sonntag geschlossen. Auf diese Weise ist Chick-fil-A zum Lieblingsrestaurant der christlichen Rechten aufgestiegen. Der Anteil der Demokraten, die dort noch für 3,99 Dollar ein Spicy Chicken Sandwich essen, ist laut Wall Street Journal seit 2004 von etwa 43 auf unter 34 Prozent gesunken.

Während der Nationalhymne gekniet

Eine Firma, die sehr kalkuliert in diese politischen Schlachten zieht, ist Nike. Der Sportartikelhersteller schloss 2018 demonstrativ einen Werbevertrag mit dem schwarzen Football-Spieler Colin Kaepernick. Der Quarterback war damals bei vielen konservativen Amerikanern verhasst, weil er vor Spielen während der Nationalhymne gekniet hatte. Kaepernick protestierte so dagegen, dass weiße Polizisten immer wieder unbewaffnete Schwarze erschossen. Präsident Trump beschimpfte Kaepernick und andere knieende Sportler als "Hurensöhne", die vom Feld gejagt werden sollten, der ganze Streit hatte einen bösen rassistischen Unterton.

Als Nike Kaepernick trotzdem verpflichtete, fiel das rechte Amerika über die Firma her. Wütende Republikaner verbrannten ihre Nike-Turnschuhe, es hagelte Boykottaufrufe. Die Börse wurde nervös. Doch Nike gelang mit der Aktion ein Coup - das Unternehmen wusste offensichtlich besser als die Kritiker, wie die Mehrheit seiner Kunden tatsächlich denkt. Unterm Strich war die Werbepartnerschaft für Nike ein enormer Erfolg, die Online-Verkäufe stiegen um 31 Prozent, die Marke gewann Milliarden Dollar an Wert hinzu.

Ob Colin Kaepernick davon am Ende viel hatte, sei einmal dahingestellt. Er ist immer noch arbeitslos und in der National Football League ein Ausgestoßener. Vielleicht täte es dem Land besser, wenn Footballspieler Football spielen und jeder die Jeans trägt, die am besten passt.

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